Bundestag verabschiedet neues Intensivpflege-Gesetz

Neue Qualitätsstandards für die Intensivpflege zu Hause und mehr Bemühungen um eine Entwöhnung der Patienten von der künstlichen Beatmung: Der Bundestag hat am Donnerstagabend das Gesetz für eine grundlegende Reform der Intensivpflege mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen verabschiedet.
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EKG-Monitor. Foto. iStock
Epoch Times2. Juli 2020

An der Vorlage von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für das sogenannte Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz gab es im Vorfeld heftige Kritik vor allem von Sozial- und Behindertenverbänden. Es geht um Patienten, die beatmet werden müssen.

Was sind die Kernpunkte?

Ziel des Regierungsentwurfs ist es, Intensiv-Pflegebedürftige besser zu versorgen, Fehlanreize in der Intensivpflege zu beseitigen und die Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken. Mit dem Gesetz werden erstmals Qualitätsvorgaben für die Intensivpflege zu Hause geschaffen, die Intensivpflege in stationären Einrichtungen wird.

Krankenhäuser und Heime sind künftig verpflichtet, wenn möglich ihre Patienten von den Beatmungsgeräten zu entwöhnen. Unterbleibt solch ein Versuch, droht ein Vergütungsabschlag. Damit sollen finanzielle Anreize für eine unnötig verlängerte künstliche Beatmung vermieden werden. Laut Gesundheitsministerium könnten bis zu zwei Drittel der Beatmungspatienten von der Beatmung entwöhnt werden.

Um welche Patienten geht es?

Es geht um schwerstkranke Patienten, die rund um die Uhr Intensivpflege brauchen und längerfristig beatmet werden müssen. Das betrifft zum Beispiel Wachkomapatienten, Menschen mit der Lungenkrankheit COPD oder mit Schädel-Hirnverletzungen. Rund 30.000 Menschen in Deutschland müssen längerfristig beatmet werden. Der Fokus der Gesetzespläne liegt auf der außerklinischen Intensivpflege, das sind Patienten in Pflegeeinrichtungen, Hilfeeinrichtungen für behinderte Menschen, sogenannten Intensivpflege-WGs, zu Hause, aber auch in Schulen, Kitas oder Werkstätten.

Woran entzündet sich Kritik?

Organisationen wie der Deutsche Behindertenrat, Pflegekammern und Sozialverbände wie der VdK haben während der Gesetzesberatungen die Befürchtung geäußert, die Kassen könnten übermäßig darauf Einfluss darauf nehmen, ob die Betroffenen zu Hause oder stationär versorgt werden.

Wie reagiert Spahn?

Der Gesundheitsminister hat vor allem die häusliche Pflege im Visier, weil es dort um viel Geld geht. Pro Patient erhalten die Pflegedienste 20.000 bis 30.000 Euro, was laut Spahn auch Betrüger anlocken würde. Für die Intensivpflege in stationären Einrichtungen wird hingegen ein Eigenanteil von bis zu 3000 Euro fällig, was sich viele nicht leisten können. Von diesen Eigenanteilen sollen Pflegebedürftige mit dem Gesetz weitgehend entlastet werden. Die ursprünglichen Pläne sahen nur noch in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Intensivpflege in den eigenen vier Wänden vor.

Nach den Protesten wurde das Gesetz nachgebessert. Dort heißt es nun, den Wünschen der Patienten sei zu entsprechen, „soweit die medizinische und pflegerische Versorgung am gewünschten Leistungsort tatsächlich und dauerhaft sichergestellt werden kann“. Der Medizinische Dienst soll jährlich überprüfen, ob die Versicherten angemessen versorgt werden.

Der VdK begrüßt die Änderung. Verbandspräsidentin Verena Bentele betont aber zugleich: „Jetzt heißt es, den Krankenkassen genau auf die Finger zu schauen.“ Der Verband erwarte, „dass die Kassen auch tatsächlich mit den Betroffenen zusammenarbeiten“.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte, mit dem Gesetz werde „tief in die Rechte der Betroffenen eingegriffen“. „Denn weiterhin hat der Medizinische Dienst zu viel Spielraum in der Frage, ob die Versorgungsqualität gut oder schlecht ist“, erklärte Vorstand Eugen Brysch.

Welche Regelungen enthält Gesetzentwurf noch?

Neben der Intensivpflege wird der Zugang zur medizinischen Rehabilitation erleichtert. Wenn Ärzte feststellen, dass bei älteren Patienten eine spezielle geriatrische Rehabilitation notwendig ist, sind die Kassen daran gebunden. Zudem wird der Mehrkostenanteil, den Versicherte tragen müssen, wenn sie eine andere als die von der Kasse zugewiesene Reha-Einrichtung wählen, halbiert. Die Mindestwartezeit für eine erneute Reha von Kindern und Jugendlichen soll gestrichen werden. (afp/sua)



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