Neues Sicherheitskonzept: Einsatz der Bundeswehr im Inneren ohne Grundgesetzänderung möglich

Eine „terroristische Großlage“ wird künftig als besonders schwerer Unglücksfall gewertet, für solche Fälle erlaubt die Verfassung Bundeswehreinsätze im Inneren. Auf eine Grundgesetzänderung will die Regierung verzichten - Ein Blick in das neue „Weißbuch", das Sicherheitskonzept der Bundesregierung.
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Soldaten der Bundeswehr in Sachsen-Anhalt (Archivbild).Foto: Jens Wolf/dpa
Epoch Times13. Juli 2016

„Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global“: Die Bundeswehr soll auf Einsätze bei großangelegten Terroranschlägen im Inland vorbereitet werden. Das Verteidigungsministerium will dazu bald erste Übungen zusammen mit der Polizei durchführen.

Eine „terroristische Großlage“ soll künftig als besonders schwerer Unglücksfall gewertet werden. Für solche Fälle erlaubt die Verfassung Bundeswehreinsätze im Inneren. Auf eine Grundgesetzänderung will die Bundesregierung verzichten. Gegen einen solchen Schritt wehrt sich die SPD seit langem.

Der Bundeswehrverband begrüßte die geplanten Übungen zur Terrorabwehr. „Die Bundeswehr ist keine Hilfspolizei“, sagte Verbandschef André Wüstner der Deutschen Presse-Agentur. „Dennoch sind Situationen, wie beispielsweise Großlagen nach Terrorangriffen, vorstellbar, die ohne die Hilfe der Streitkräfte nicht beherrschbar sind.“ In diesen Fällen stehe es außer Frage, dass die Bundeswehr zum Einsatz kommt. Bei den Übungen soll es im wesentlichen um Evakuierungs- und Rettungsmaßnahmen gehen.

EU-Ausländer in die Bundeswehr

Die Pläne der Bundesregierung zur Aufnahme von EU-Ausländern in die Bundeswehr lehnt Wüstner dagegen klar ab. „Die deutsche Staatsangehörigkeit ist für uns elementar und muss es bleiben – wegen des besonderen gegenseitigen Treueverhältnisses von Staat und Soldat und der gesetzlichen Verankerung“, sagte Wüstner der dpa.

Seit Gründung der Bundeswehr vor 61 Jahren dürfen nur deutsche Staatsangehörige Soldaten werden. Das Weißbuch sieht nun einen Bruch mit diesem Prinzip vor. Darin heißt es: „Nicht zuletzt böte die Öffnung der Bundeswehr für Bürgerinnen und Bürger der EU nicht nur ein weitreichendes Integrations- und Regenerationspotenzial für personelle Robustheit der Bundeswehr, sondern wäre auch ein starkes Signal für eine europäische Perspektive.“

Wüstner sagte dazu, der Soldatenberuf sei kein Beruf wie jeder andere. „Der rechtliche Rahmen und die wertebezogene Führungsphilosophie dürfen bei aller Offenheit für neue Konzepte niemals verwässert werden“, betonte der Chef der Gewerkschaft der Soldaten. „Die Bereitschaft, im Zweifel für das zu sterben, was im Kopf und im Herzen ist, kann nicht für eine Bereitschaft zum selbigen für jeden beliebigen Staat oder Arbeitgeber gelten.“

Für die Aufnahme von EU-Ausländern in die Bundeswehr müsste das Soldatengesetz geändert werden, nicht aber das Grundgesetz.

11. Weißbuch der Bundeswehr: „Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global“

Das Weißbuch, das am Mittwoch beschlossen wird, ist das elfte seit 1969. Das aktuelle stammt von 2006. Mit der jetzigen Neuauflage reagiert die Bundesregierung auf die zunehmenden weltweiten Krisen und wachsende Aufgaben für die Bundeswehr.

Sie bekräftigt darin, dass Deutschland zu mehr Verantwortung in der Welt bereit ist. „Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global“, heißt es in dem 83 Seiten starken Werk.

Hier einige zentrale Punkte aus dem neuen Weißbuch:

– MEHR VERANTWORTUNG: Angesichts seiner wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bedeutung soll Deutschland „die globale Ordnung aktiv mitgestalten“.

– STÄRKUNG DER BUNDESWEHR: Die Aufgaben der Truppe haben sich vergrößert, während Truppenstärke und Finanzmittel kontinuierlich gekürzt wurden. Das soll sich ändern: „Unser Gestaltungsanspruch, die zahlreichen Krisenherde in der europäischen Nachbarschaft und darüber hinaus, aber auch die gestiegenen Erwartungen an die außen- und sicherheitspolitische Rolle Deutschlands verlangen eine Trendwende.“

– EINSATZ IM INNEREN: Das Grundgesetz wird nicht geändert, um Bundeswehreinsätze im Inneren auszuweiten. Die Verfassung wird im Weißbuch aber so interpretiert, dass Soldaten auch bei großangelegten Terrorangriffen etwa zu Evakuierungs- oder Rettungseinsätzen ausrücken können. Dazu sollen Übungen mit Polizei und Katastrophenschützern organisiert werden.

– NATO: Der europäische Pfeiler in der Nato soll gestärkt werden. „Deutschland ist hier bereit, in Vorleistung zu treten und in einer erheblichen Breite als Rahmennation zu wirken.“

– VERTEIDIGUNGSAUSGABEN: Die Nato hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben. Die Bundesregierung fühlt sich diesem Ziel „im Rahmen seiner finanzpolitischen Rahmenbedingungen und Ressourcen“ verpflichtet. Dass es innerhalb der nächsten acht Jahren erreicht wird, gilt aber als unrealistisch: Derzeit gibt Deutschland nur 1,2 Prozent seines BIP für Verteidigung aus.

– EUROPA: Langfristig strebt Deutschland eine gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion an. Die Vision einer Europäischen Armee taucht im Weißbuch aber nicht auf.

– UN-SICHERHEITSRAT: Die Bundesregierung strebt weiter einen ständigen Sitz im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen an. Besonders optimistisch ist sie allerdings nicht. Alle Reformversuche sind bisher gescheitert. Im Weißbuch ist deswegen von einem Fernziel die Rede.

– UN-MISSIONEN: Deutschland soll sich stärker in Friedensmissionen der Vereinten Nationen engagieren und auch dort Führungsverantwortung übernehmen. Ein erster Schritt war die Entsendung von 240 Soldaten in den gefährlichen Norden des westafrikanischen Staates Mali.

– RÜSTUNGSEXPORTE in Staaten außerhalb von EU und Nato werden gefördert, wenn dafür „besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen“ sprechen.

– ATOMWAFFEN: Die Beteiligung an der nuklearen Abschreckung der Nato wird fortgesetzt. Das bedeutet, dass die auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eiffel stationierten US-Atomwaffen bis auf weiteres dort bleiben. Gleichzeitig bekennt sich die Bundesregierung aber zu dem Ziel, eine nuklearwaffenfreie Welt zu schaffen. (dpa)



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