Camping-Boom statt Fernreise-Fieber: Fast zehn Prozent mehr Wohnmobile in Deutschland
Leidet der Tourismus in Deutschland an „Long COVID“ oder besser „Long-COVID-Maßnahmen“? Die Branche verzeichnet ganze 25 Prozent weniger Umsatz als noch 2019. Dabei ist Tourismus für Deutschland ein wichtiger Wirtschaftszweig.
Mit 330 Milliarden Euro Umsatz im Jahr machte die Branche 2019 laut dem Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft vier Prozent des BIP in Deutschland aus. Jeder achte bis elfte Arbeitsplatz in Deutschland ist direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig.
Neuer Urlaubstrend: Mit dem Wohnmobil unterwegs
Ein Tourismussegment boomt in Deutschland: Camping ist so beliebt wie nie. Damit einhergehend hat der Wohnmobilverkauf mächtig Anschub bekommen. Das ergibt eine aktuelle Analyse der Kanzlei Goldenstein Rechtsanwälte, die das Ergebnis wie folgt zusammenfassen: „Der Wohnmobil-Boom in Deutschland ist auch nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie nicht vorüber.“
Nach der Erhebung der Kanzlei für Verbraucherrecht mithilfe von Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) stieg der Wohnmobil-Bestand in Deutschlands 50 größten Städten zwischen 2022 und 2023 um rund 9 Prozent, während die Anzahl zugelassener Pkw-Modelle im selben Zeitraum fast stagnierte. Damit ist die Wohnmobil-Dichte in den einwohnerreichsten deutschen Städten höher denn je.
Der Trend zur rollenden Datsche
Die Camper-Hochburg hierbei ist Freiburg. Dort kommen auf 1.000 Autos 35 Wohnmobile, gefolgt von Kiel mit 34 und Lübeck mit 25 Wohnmobilen.
Städte wie Gelsenkirchen, Solingen, Wuppertal oder Hagen verzeichnen zwischen 2022 und 2023 ein Plus von mehr als zehn Prozent. Für Alexander Voigt vom Team der Goldenstein Rechtsanwälte ist dieser Trend durch die Reiseeinschränkungen in der Coronazeit nicht verwunderlich, „da überrascht es kaum, dass die Nachfrage nach Wohnmobilen in dieser Zeit regelrecht explodiert ist“.
Diese Steigerung spiegelt sich auch in der Anzahl der Übernachtungen auf den Campingplätzen wider: Der Rekord von rund 40 Millionen Übernachtungen aus dem vergangenen Jahr wird mindestens gehalten, sofern das Wetter mitspielt, lässt Christian Günther, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD), verlauten. Er rechne für die kommenden Jahre mit einer weiter steigender Nachfrage. Der anhaltende Camping-Boom beschere den Platzbetreibern auch in diesem Jahr gute Buchungszahlen.
Massenphänomen Camping: Aus der „Alternativlosigkeit“ entstanden?
Jetzt zeige sich dieses neue „Massenphänomen“ an den vollen Campingplätzen an den langen Feiertagswochenenden – zumal sich viele Menschen während der Corona-Pandemie Wohnmobile oder Wohnwagen angeschafft haben und regelmäßig damit auf Tour sind. In dieser Zeit sind oft auf Campingplätzen nur noch schwer freie Stellplätze zu bekommen. Die Investition in ein Wohnmobil zieht automatisch eine regelmäßige Nutzung nach sich.
Die Inflation gehe aber auch an der Campingwirtschaft nicht vorüber und dürfte sich „hier und da“ mit Preissteigerungen um zehn Prozent niederschlagen, so Camping-Verbandschef Günther. Das schmälere aber die Nachfrage jedoch nicht.
Die angekündigten Preissteigerungen „hier und da“, beispielsweise bei Campingplatz-Gebühren oder -Services, könne fast als „Peanuts“ bezeichnet werden – gegen die Preisentwicklung bei Wohnmobilen und Campingbussen.
Investition in die Zukunft? Wohnmobile bis 35 Prozent teurer
Die hohe Nachfrage zeigt sich auch in der Preisentwicklung. Um mit dem Wohnmobil vom Hof zu rollen, muss man immer mehr auf den Tisch legen: Die Preise für einige Reisemobil-Modelle sind um bis zu 35 Prozent regelrecht explodiert.
Zum Beispiel werden für das Wohnmobil B-Klasse Modern Comfort von Hymer statt 87.590 Euro (Preisliste Stand Juli 2021) vor einem Jahr mittlerweile nun 118.200 Euro verlangt. Die meisten anderen Reisemobile sind zwischen 15 und 25 Prozent teurer geworden. Damit liegen die Preissteigerungen zumeist über der aktuellen Inflationsrate, die von Destatis für den April offiziell auf 7,2 Prozent beziffert wird.
„Verrückt“, „Mittlerweile total überzogen“ oder „Eine normale Familie kann sich sowas gar nicht mehr leisten“, sind die Kommentare zu dieser Preissteigerung bei den Reisemobilen auf dem Instagram-Account des Camping-Portals „Promobil“.
Die Hersteller beteuern gegenüber dem Magazin derweil, sich keine goldene Nase zu verdienen, sondern sie reagierten nur nach dem Motto „Alles wird teurer“ auf die gestiegenen Preise für Rohstoffe wie Stahl, Holz oder Kunststoff und die sprunghaft hochgeschnellten Energiekosten, was die Fixkosten bei den Herstellern zusätzlich in die Höhe treiben würde. Hinzu kommen Produktionsunterbrechungen, die immer wieder durch Lieferengpässe von einzelnen Teilen durch Verzögerungen und höheren Kosten führen würden.
Zurück zur Natur: Zelt statt Dach überm Kopf
Wer sich angesichts dieser Entwicklungen auch einen Wohnmobil-Urlaub nicht mehr leisten kann, für den gibt es noch eine abenteuerreiche Alternative: Laut „camping.info“ entscheiden sich auch immer mehr Urlauber für die ursprüngliche Variante des Campens – mit Zelt, Schlafsack und Gaskocher.
Das Portal wirbt für das neue „Green Normal“: Einfachheit, Flexibilität, Naturnähe und Abenteuerlust, aber auch ein geringerer Ressourcenverbrauch und die Kostenersparnis seien die Beweggründe dafür. Viele Campingplätze böten meist etwas abseits der Wohnmobil- und Wohnwagenstellplätze extra Zeltwiesen, die besonders idyllisch gelegen sind.
Insgesamt gibt es in Deutschland rund 3.100 Campingplätze mit rund 230.000 sogenannten touristischen Stellplätzen für Wohnmobile, Caravan und Wohnwagen. In Schleswig-Holstein allein gibt es 257 Campingplätze – damit fast jeden zehnten.
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