CDU: Chancen für Merz steigen – Laschet will „einvernehmliche Lösung“ für Parteivorsitz anstreben
Bereits im Vorfeld des Bundesparteitags 2018 hatten die Befürworter einer Kandidatur von Friedrich Merz für den CDU-Vorsitz damit argumentiert, dass dieser in der Bevölkerung vergleichsweise populär sei und verlorene Wähler zurückholen könne. Im November jenes Jahres, einen Monat vor dem Parteitag, hatte unter anderem eine YouGov-Umfrage für das „Handelsblatt“ diese Einschätzung bestätigt.
Damals sprachen sich 23 Prozent der Befragten für Merz als künftigen CDU-Chef aus. Auf die später gewählte Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) entfielen nur 17 und auf Jens Spahn 7 Prozent. Keiner der Kandidaten sagte 36 Prozent zu.
Heute, nach AKKs Rücktrittsankündigung, sehen die Zahlen ähnlich aus. Forsa sieht Merz mit 27 Prozent deutlich vor NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der für ein ähnliches inhaltliches Profil wie Kramp-Karrenbauer steht und auf 18 Prozent komme. Jens Spahn hielten demnach acht Prozent für den bestgeeigneten künftigen CDU-Vorsitzenden.
„Bild“: Merz wird „so oder so“ kandidieren
Gegenüber der „Bild“-Zeitung erklärt Hermann Binkert vom Meinungsforschungsinstitut INSA:
Wenn die CDU-Anhänger den Vorsitzenden wählen könnten, würden sie sich mehrheitlich für Merz entscheiden. Er findet aber auch weit über die aktuelle CDU-Wählerschaft großen Zuspruch.“
Merz scheint, glaubt man den Aussagen aus seinem Umfeld, entschlossener denn je, sich dem Abwärtstrend der Union, der sich in den 14 Monaten der Führung unter Annegret Kramp-Karrenbauer fortgesetzt hatte, entgegenzustemmen.
Gegenüber „Bild“ hieß es aus Kreisen der Merz-Anhänger, diese wolle nun „so oder so“ für den Vorsitz kandidieren. Immerhin ist davon auszugehen, dass es nach der Entscheidung über den künftigen CDU-Vorsitz nicht auch noch eine gesonderte Debatte über den Kanzlerkandidaten geben werde. Merz habe Sympathien für eine Mitgliederbefragung geäußert, schreibt die „Bild“ weiter.
Eine endgültige Entscheidung kann aber nur ein außerordentlicher Bundesparteitag treffen. Einen solchen muss nach geltenden CDU-Statuten der Bundesvorstand einberufen. Es ist noch ungewiss, ob dies noch vor dem Sommer geschehen wird. AKK will jedoch schon ab nächster Woche mit den wahrscheinlichen Kandidaten sprechen.
Wird Laschet Autoritätsverlust durch riskante Kampfkandidatur riskieren?
Neben Merz wird auch Jens Spahn mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder kandidieren. Am Mittwochnachmittag (12.2.) erklärte er, dass er – wie er „immer gesagt“ habe – neuerlich bereit sei „Verantwortung zu übernehmen“.
Offen bleibt weiter, ob auch der Chef des größten Landesverbandes und Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet, kandidieren wird. Er hat in dieser Funktion einen Schlüsselposten in der Partei. Die derzeit damit verbundene Autorität in der Partei wäre jedoch gefährdet, sollte es ihm anders als AKK nicht mehr gelingen, die erforderliche Delegiertenmehrheit hinter sich zu vereinen.
Bereits AKK hatte im zweiten Wahlgang 2018 nur knapp gewonnen, nachdem es ihr gelungen war, die erforderliche Anzahl an Stimmen aus dem Lager Spahns auf ihre Seite zu ziehen. Unter dem Eindruck der enttäuschenden Bilanz der Saarländerin wäre es hingegen nicht mehr gewiss, dass sich der ebenfalls als Merkel-nahe geltende Laschet in einer Stichwahl gegen Merz diese Mehrheit noch sichern könnte. Insofern würde er seinen Einfluss in der Partei eher dadurch sichern, dass er sich als Architekt einer einvernehmlichen Lösung für die künftige Führung der CDU in Szene setzt – und eine solche, so heißt es aus dem Landesverband, strebe er an.
Merz hat Rechnungen mit Merkel offen
Sollte es Laschet gelingen, ein Gesamtpaket zu schnüren, das den Weg frei macht, um Merz zum künftigen Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten der CDU zu wählen, wird sich die Frage stellen, inwieweit Merkels Erbe dann in der Partei weiterwirken würde.
Immerhin hätte Merz mit der Kanzlerin noch alte Rechnungen offen. Im Jahr 1994 war der aus Brilon im Hochsauerland stammende Sohn aus einer Juristenfamilie erstmals in den Bundestag eingezogen. Im Jahr 2000 übernahm er den Fraktionsvorsitz, nachdem er mit einem Ergebnis von 96 Prozent zum Nachfolger von Wolfgang Schäuble gewählt worden war.
Angela Merkel selbst drängte ihn 2002 aus diesem Amt. Der Personalrochade soll ein Deal zwischen ihr und CSU-Chef Stoiber vorangegangen sein. Zwei Jahre zuvor war Merkel in der Zeit des Spendenskandals zur CDU-Vorsitzenden gewählt worden – Stoiber rang ihr jedoch beim „Frühstück von Wolfratshausen“ das Zugeständnis ab, ihm bei der Kanzlerkandidatur den Vortritt zu lassen. Im Gegenzug ließ sich Merkel zusichern, unabhängig vom Wahlergebnis in der darauf folgenden Legislaturperiode den Fraktionsvorsitz zu übernehmen.
Stoiber verlor die Wahl gegen Schröder, Merkels Siegeszug in der Union begann. Merz zog sich 2009 aus der Politik zurück und ging in die Wirtschaft. Daneben blieb er noch bis 2019 Vorsitzender der „Atlantik-Brücke“.
Keine „Wundertüte“ mehr
In seiner Zeit als Mitglied der Bundestagsfraktion hatte Merz Debatten wie jene um die „deutsche Leitkultur“ geprägt und trat für eine restriktive Linie in der Einwanderungspolitik ein. Zudem plädierte er für eine umfassende Steuerreform, die er mit dem Bild eines Bierdeckels illustrierte, auf dem man künftig seine Steuererklärung anfertigen können sollte.
Im Vorfeld des Bundesparteitags von 2018 hatte Merz noch das Handicap, nach seiner langen Abwesenheit von der Politik einen „Wundertüten“-Faktor darzustellen. Im Laufe des vergangenen Jahres zog er sich jedoch nicht zurück, sondern meldete sich regelmäßig mit Aussagen zu diversen Sachthemen zu Wort. Er kritisierte öffentlich das Erscheinungsbild der Bundesregierung, mahnte aber gleichzeitig zu Loyalität gegenüber Parteiführung und Koalitionsregierung. Auf diese Weise gelang es Merz, der nicht als Protagonist politischer Seilschaften gilt, an Profil zu gewinnen.
Öffentliche Veranstaltungen mit Friedrich Merz sind auch außerhalb von Wahlkampfzeiten gut besucht. Die Entwicklungen der vergangenen Monate, die Umfragewerte und das sichtbare Publikumsinteresse könnten Merz den entscheidenden Schub verleihen, um nach dem Scheitern seiner Kandidatur 2018 diesmal sein Ziel zu erreichen.
Spekulationen über Paketlösung
Ob Merz am Ende als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat aus dem Rennen gehen wird, ist ungewiss. Einerseits hat sich die Trennung von Kanzlerposten und Parteivorsitz für die CDU in den vergangenen 14 Monaten nicht als Erfolgsmodell empfohlen. Andererseits wird im CDU-nahen Kreisen über eine mögliche große Paketlösung gesprochen, bei der am Ende Merz Kanzlerkandidat, Laschet Parteichef und Spahn Fraktionsvorsitzender werden könnte. Die CDU könnte sich damit – auf Kosten des amtierenden Fraktionschefs Ralph Brinkhaus – vorerst einen Burgfrieden erkaufen.
Es ist jedoch ungewiss, ob eine solche Lösung die Partei tatsächlich wieder auf die Erfolgsspur bringen könnte.
(Mit Material der dpa)
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