„CDU zu weit nach links gerückt“: Unternehmer Herrenknecht lässt nach 36 Jahren Mitgliedschaft ruhen

Die Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur CDU-Bundesvorsitzenden hat den Tunnelbau-Unternehmer Martin Herrenknecht dazu veranlasst, seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen. Er beklagt den Verlust wirtschaftlicher Dynamik in Deutschland.
Von 18. Dezember 2018

Die Anhänger des auf dem Bundesparteitag der CDU in der Stichwahl um den Vorsitz unterlegenen Ex-Fraktionschefs Friedrich Merz wollen nicht aufgeben. Für sie steht der 2009 aus dem Bundestag ausgeschiedene Rechtsanwalt für einen unverzichtbaren Erneuerungskurs der Partei, der mit der Mannschaft der letzten Jahre der Merkel-Ära nicht zu bewerkstelligen wäre.

Dass es für die als Merkel-Vertraute geltende gewählte Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Parteitag in Hamburg im ersten Wahlgang keine Mehrheit unter den Delegierten gab, werten die Merz-Anhänger als Signal dafür, dass sich eine strukturelle Mehrheit innerhalb der Partei einen Wandel in deren politischer Ausrichtung wünsche.

Ob Friedrich Merz auch nach seiner vergeblichen Kandidatur für den Parteivorsitz künftig in der Partei und der Politik wieder eine Rolle spielen wird, ist immer noch ungewiss. Die Gerüchteküche brodelt weiter, am Montag brachten erste Medien Merz als möglichen Verteidigungsminister ins Spiel, der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ eine „rasche Einbindung“ des Finanzexperten.

Merz wird für bloße Einbindung nicht zu haben sein

Einer der erklärten Merz-Anhänger im Bereich der Publizistik, der Medienmanager Gabor Steingart, diagnostiziert, dass der Machtkampf innerhalb der Union möglicherweise noch gar nicht entschieden sei. Vielmehr könnte er sich von der Bühne in die Kulisse verlagert haben. Es sei unklar, ob mit Annegret Kramp-Karrenbauer eine neue Ära oder nur eine Episode beginne. Für eine bloße „Einbindung“ werde Merz allerdings nicht zur Verfügung stehen:

„Er will führen, nicht folgen. Und schon gar nicht will er sie umrahmen. Einer wie Merz betrachtet sich als Aktie, nicht als Derivat des Zeitgeistes. Der Strategiewechsel, den er seiner Partei anbot, mag für die Mehrheit der Delegierten nicht zwingend sein. Für ihn ist er nicht verhandelbar.“

Für sein Morning Briefing vom Dienstag sprach Steingart mit dem Unternehmer Martin Herrenknecht, der aus Protest gegen die Wahl Kramp-Karrenbauers nach 36 Jahren in der Partei seine CDU-Mitgliedschaft ruhen ließ. Angela Merkel lud ihn für Januar ins Kanzleramt ein, wo Herrenknecht nun für eine sozial- und wirtschaftspolitische Wende werben will.

Deutschland als „lebendes Museum“

Im Interview mit Steingart klagte der Unternehmer, der auf Tunnelvortriebstechnik spezialisiert ist uns unter anderem den Gotthard-Tunnel gebaut hat, darüber, dass Deutschland jede Dynamik verloren habe. Peinlichkeiten wie die Misere um den Flughafen BER oder die kaputte Kanzlermaschine seien symptomatisch. Deutschland sei „links rangefahren“. Das Land sei ein „lebendes Museum“. Und er sei sich nicht sicher, ob eine Wende noch machbar wäre.

Herrenknecht habe das Gefühl, die CDU wolle „am liebsten eine Mauer um Deutschland bauen“. Demgegenüber sei die Volksrepublik China auf Grund ihre Dynamik weiterhin auf der Überholspur. Der IWF sieht das Land im Jahr 2050 bei einem Bruttoinlandsprodukt von 49,9 Billionen US-Dollar – gegenüber 14,1 Billionen heute. Selbst die USA würden nicht mehr so rasant wachsen, ihr BIP soll im gleichen Zeitraum nur noch von heute 20,4 auf dann 34,1 Billionen wachsen.

Einer der wesentlichen Faktoren werde dabei die Künstliche Intelligenz (KI) sein. Die Technologiekonzerne der Volksrepublik China hätten dabei weltweit die Führung übernommen. Start-Ups wachsen wie Pilze aus dem Boden, in Bereichen wie Drohnenherstellung oder Gesichtserkennung seien chinesische Konzerne längst das Maß aller Dinge.

Bei den Schlüsseltechnologien abgehängt

Dass diese Vormachtstellung in wesentlicher Weise der Rückendeckung und Instrumentalisierung durch ein totalitäres Regime und der Tatsache geschuldet ist, dass es in diesem Zusammenhang kaum ethische oder moralische Bedenken gebe, ändere nichts an den Tatsachen.

Was Herrenknecht und Steingart in diesem Zusammenhang andeuten, ist, dass gerade dies ein Grund wäre, die Entwicklung auf diesem Sektor nicht vorrangig Peking zu überlassen, sondern selbst einen Weg zu suchen, um Anschluss zu finden. Ob eine CDU unter Annegret Kramp-Karrenbauer oder die derzeitige Regierungskoalition dazu in der Lage sind, ist eine andere Frage.

Steingart warnt jedenfalls davor, die Bedenken des Wirtschaftsflügels beiseite zu wischen:

„Martin Herrenknecht spricht nicht für sich allein, sondern für große Teile der Familienunternehmer und des industriellen Mittelstandes in Deutschland. Dieser für die Union markenbildende Kern lässt sich mit Formelkompromissen im Parteiprogramm nicht beruhigen. Natürlich ist auch der Wirtschaftsflügel nur ein Flügel. Aber wenn die neue Vorsitzende ihn abschneidet oder auch nur stutzt, kann die Regierungspartei CDU nicht fliegen.“



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