Chinas Premierminister Wen Jiabao trifft Bundeskanzlerin Merkel in Berlin

Meinungs- und Pressefreiheit live für den Regierenden eines kommunistischen Regimes
Titelbild
Zu Besuch im Bundeskanzleramt: Chinas Premierminister Wen Jiabao mußte gute Miene machen zu den Fragen nach Presse- und Meinungsfreiheit in seinem Land (AP Photo/Franka Bruns)
Von 14. September 2006

Mit militärischen Ehren empfing heute Bundeskanzlerin Angela Merkel den chinesischen Premierminister Wen Jiabao, der seit nunmehr zwei Jahren im Amt ist. Im Amt allerdings von Gnaden der Kommunistischen Partei Chinas und nicht etwa des chinesischen Wählers.  Vorausgegangen war ein kurzer Empfang bei Bundespräsident Horst Köhler im Schloss Bellevue.

Im Vorfeld gab es auf deutscher Seite von Parteien und NGOs die Forderung an die Kanzlerin, angesichts der sich in den letzten Wochen häufenden Verhaftungen von Rechtsanwälten, Juristen und Menschenrechtsaktivisten in China die Lage der Pressefreiheit und der Menschenrechte gegenüber dem Premier der Volksrepublik China anzusprechen. In der Pressekonferenz, die auf das Treffen von Wen und Merkel folgte, war von der Kanzlerin zu hören, diese Frage habe sie gegenüber ihrem Gast offen angesprochen, Merkel wörtlich: „Ich habe deutlich gemacht, dass diese Rechte unveräußerlich sind, dass sie überall gelten.“ Sie sei besorgt über die Menschenrechtslage in China, insbesondere auch besorgt wegen der Pressefreiheit bei den Olympischen Spielen, die im Sommer 2008 in Peking stattfinden sollen. Sie habe gegenüber ihrem Gast betont, „dass natürlich hier auch die freie Presse ein ganz wichtiger Punkt sein wird.“ Gerade am vergangenen Wochenende waren die Bestimmungen für die Arbeit internationaler Nachrichtenmedien in China weiter verschärft worden.

Premier Wen ging auf diese Frage ein mit dem Hinweis, dass die chinesische Regierung die Menschenrechte respektiere und auf die chinesische Verfassung, in der ganz deutlich stehe, dass die Grundrechte und die Freiheit der Bürger zu schützen seien. Zwar gab Wen diese Erklärung ab, sprach aber nicht an, wie er konkret für eine Verbesserung der inzwischen auch im Westen bewusst gewordenen Situation der Menschenrechte sorgen wolle. Ein Blick auf die von ihm nicht erwähnte Präambel zur chinesischen Verfassung, in der bedingungslos die Führung der Kommunistischen Partei in allen Bereichen betont wird, lässt Zweifel an der Realisierbarkeit dieser Verfassung aufkommen.

Raub geistigen Eigentums beklagt

Die Kanzlerin zeigte sich erfreut darüber, mit dem Gast auch über Probleme offen sprechen zu können und wies auf die langjährigen deutsch-chinesischen Beziehungen hin, deren 35-jähriges Bestehen im nächsten Jahr begangen werde. Die sehr schnelle wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit habe 2005 zu einem Handelsvolumen von knapp 70 Milliarden US-Dollar zwischen beiden Staaten geführt. Allerdings verlaufe nicht alles reibungslos. Deutsche Unternehmen beklagten immer mehr den Raub geistigen Eigentums, insbesondere auf dem Gebiet der Technologie. In Anwesenheit der beiden Regierungschefs sei ein Abkommen unterzeichnet worden zwischen dem chinesischen Amt für Geistiges Eigentum und dem Deutschen Patentamt, um  hier Abhilfe zu schaffen.

Internationale Fragen

Auch internationale Fragen wurden berührt. Im Vordergrund standen dabei einerseits der Sudan und die Flüchtlingsfrage in Dafur, andererseits das Für und Wider von Sanktionen gegen den Iran zur Lösung des Atomwaffenkonflikts. Wen zeigte sich nicht als Befürworter von Sanktionen, obwohl China nicht gerne sehe, dass der Iran möglicherweise Atomwaffen entwickle und der Frieden im Nahen Osten dadurch gestört werde. Er bleibe aber dabei, dass die chinesische Regierung Zwangsmaßnahmen nicht befürworte und konstruktive Vorschläge der iranischen Regierung erwarte.

Für Dafur befürworte China den Einsatz von UNO-Blauhelmsoldaten nur, wenn dies auch in Übereinstimmung mit der Afrikanischen Union und dem Sudan stehe. Dies ist kaum zu erwarten, da der sudanesische Präsident erst kürzlich feststellte, er werde jeden Einsatz von Blauhelmen als Besatzung betrachten.

Wen Jiabao erlebte Meinungsfreiheit vor dem Kanzleramt

Neben der Einfahrt zum Kanzleramt und in Sichtweite für den einfahrenden Gast demonstrierte Falun Gong mit einer Mahnwache und weithin sichtbaren Transparenten für eine Beendung der Verfolgung der religiösen Gruppierung in China. Damit setzte die jetzige Regierung ein deutlich sichtbares Zeichen für die Respektierung von Meinungsfreiheit in einem demokratischen Land. Die überraschend anmarschierten „Jubelchinesen“ mit heimatlichen Fahnen hatten daneben auch einen Platz erhalten. 



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