Corona-Streit: Berliner Gericht erklärt Kündigung von Berliner Lehrer für unwirksam

Nach einem langjährigen Streit war vor Gericht ein Vergleich getroffen worden, den das Land Berlin zu Beginn der Woche zurückzog. Heute verkündete das Landesarbeitsgericht Berlin das Urteil.
Titelbild
Rüdiger Borrmann (L) und sein Rechtsanwalt Tobias Gall.Foto: Screenshoot/Epoch Times
Von 15. Juni 2023

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die mehr als drei Kündigungen, die der Lehrer Rüdiger Borrmann (62) vom Land Berlin für seine „Kritik an den Corona-Maßnahmen“ ausgesprochen bekommen hat, für unwirksam erklärt. Zudem muss das Land die Abmahnung vom 13. Januar 2021, samt den Vorwürfen gegen Borrmann, ersatzlos aus der Personalakte Borrmanns entfernen.

Das Gericht löste das Arbeitsverhältnis jedoch zum 31. März 2022 auf. Offenbar sah der Richter keine Basis mehr für eine gute Zusammenarbeit. Für Borrmann steht als Lehrer in drei Jahren der reguläre Ruhestand an. Gleichzeitig erhöhte das Gericht die Abfindung, die Borrmann vom Land für seine Kündigung erhalten muss, von 50.000 Euro (aus dem abgelehnten Vergleich) auf 72.000 Euro. Das Land muss somit zwölf Monatsverdienste – an den seit 2008 beschäftigten Lehrer –  zahlen. Zudem muss das Land die gesamten Prozesskosten tragen.

Die Deutung des Lehrers, mit seinem Beitrag eine scharfe Kritik an der Coronapolitik äußern zu wollen, habe nicht zwingend ausgeschlossen werden können, hieß es zur Begründung. Eine Überschreitung des Grundrechts auf Meinungsäußerung konnte das Gericht nicht eindeutig feststellen.

Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen, gegen die Entscheidung können jedoch beide Parteien Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht erheben.

„Ich halte dieses Urteil für einen großen Sieg für die Meinungs- und Kunstfreiheit“, erklärte Borrmann gegenüber Epoch Times nach dem Urteilsspruch.

Gall: „Eigentor zulasten des Steuerzahlers“

Der Anwalt von Borrmann, der Berliner Rechtsanwalt Tobias Gall, erklärte nach dem Urteil auf seiner Website: „Während der zuständige Richter am Arbeitsgericht Dr. Schmidt meinem Mandanten, in einer rechtlich untragbaren Weise, unterstellte, dass er die Grenzen der Meinungsfreiheit durch angebliche Vergleiche mit den Verbrechen des Nationalsozialismus überschritten habe, gab es jetzt im Berufungsverfahren einen vollumfänglichen Sieg für Borrmann. Das Landesarbeitsgericht BerlinBrandenburg hat sämtliche Kündigungen des Arbeitsverhältnisses für unwirksam erachtet und das erstinstanzliche Urteil aufgehoben.“

Dies sei ein Eigentor zulasten des Steuerzahlers insofern, als die für den Kläger günstige Entscheidung bereits in der Berufungsverhandlung erkennbar geworden wäre, so Gall weiter.

„Für die Prüfung, ob auch scharf formulierte kritische Äußerungen noch von der Meinungsfreiheit getragen sind, so das Landesarbeitsgericht BerlinBrandenburg, müsse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gemäß im Zweifel die Interpretation der Meinungsäußerung zugrunde gelegt werden, die mit anderen Rechtsgütern nicht in Konflikt steht. Auch zugespitzt formulierte Kritik von CoronaMaßnahmen erfährt dabei den vollen Schutz der grundrechtlichen Meinungsfreiheit.“

Anwalt: „Befremdliche Vorstellungen der Senatsverwaltung“

Da Borrmann auch mithilfe einer Filmcollage eine Kritik an Markus Söder („Impfen ist der Weg zur Freiheit“) veröffentlicht habe, so Gall, stellte die Kündigung auch eine eindeutige Verletzung der Kunstfreiheit dar.

„Die eher befremdlich zu nennenden Vorstellungen der Senatsverwaltung über die Reichweite einer vermeintlichen politischen Loyalitätspflicht haben sich als völlige rechtliche Fehleinschätzungen erwiesen“, erklärt der Berliner Rechtsanwalt weiter.

Und er ergänzt: Angestellte des öffentlichen Dienstes und Beamte wären im demokratischen Rechtsstaat in erster Linie auch Bürger, die das politische Fehlverhalten ihres Arbeitgebers auch mit deutlichen Worten scharf kritisieren dürften. „Die rechtliche Gegenwehr Rüdiger Borrmanns gegen die kündigungsrechtliche Sanktionierung seiner Rechtsausübung hat sich am 15.06.2023 mit diesem prozessualen Triumph durchsetzen können.“

Auf die Gründe zur Ablehnung des Vergleiches hat der Berliner Senat gegenüber Epoch Times nicht geantwortert.

Vergleich widerrufen

Am 15. Mai hatten sich beide Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg auf einen Vergleich geeinigt. Er sah eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 31.3.2022 und eine Abfindungszahlung von 50.000 Euro vor. Gleichzeitig sollten die Vorwürfe gegen Borrmann auf Verunglimpfung der Dienstherrin, Verstoß gegen die politische Loyalitätspflicht und Holocaustverharmlosung nicht mehr aufrechterhalten werden.

Auch wollte die Senatsverwaltung dafür sorgen, dass der anhängige Strafbefehl gegen Borrmann wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung und eine damit verbundene Strafzahlung von 9.000 Euro aufgehoben werden. Und schließlich sollte der Medienpädagoge auch ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis erhalten, hieß es in dem Vergleich. Die jeweiligen Prozesskosten trägt bei einem Vergleich jeder selbst.

Der Vergleich war für das Land Berlin innerhalb der nächsten vier Wochen widerruflich. Unter der neuen Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) machte sie Anfang der Woche davon Gebrauch und widerrief den Vergleich in dem langjährigen Rechtsstreit.

„Ich hoffe, dass das Gericht meinen Erwartungen folgt und die von der Berliner Schulbehörde geäußerten Vorwürfe zu meinen Aussagen als von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt sieht“, so Borrmann danach gegenüber Epoch Times. Sowohl das Arbeitsgericht als auch die Berliner Schulverwaltung waren Anfang der Woche für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

„Impfung macht frei“?

Was war geschehen? Im Juli 2021 äußerte sich der an einer landeseigenen Berufsschule langjährig tätige Medienlehrer Borrmann über privat veröffentlichte Videos kritisch zur Corona-Politik. Er kritisierte im August 2021 den geplanten Einsatz von mobilen Corona-Impfteams des Senats an den Schulen der Hauptstadt. Er sah darin Psychoterror und perfiden Zwang gegenüber Kindern und Schülern.

In einem anderen Video, das aus vier Teilen besteht, kritisiert er im Juli 2021 eine Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zur Wiedererlangung geschützter Grundfreiheiten nach einer Corona-Impfung und setzte sie in Bezug zu Äußerungen deutscher Nationalsozialisten.

Konkret wurde zunächst ein Standbild eingeblendet. Es zeigt eine Fotomontage eines KZ-Eingangstores, wo es statt „Arbeit macht frei“ – „Impfung macht frei“ heißt und zudem ein Fragezeichen darübergeblendet ist. Danach wird ein Tweet von Söder vom 13. Juli 2021 eingeblendet, mit der Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“.

Anschließend wird ein Ausschnitt aus dem Film „Network“ (1976) gezeigt. Als Letztes kommt der österreichische Rechtsanwalt Michael Brunner mit einer verfassungsrechtlichen Einschätzung zu den Grundrechtseingriffen durch die staatlichen Corona-Maßnahmen zu Wort.

In dem Video, wo sich Borrmann kritisch zum Impfmobil äußert, sah die Senatsverwaltung eine Verunglimpfung der Dienstherrin (der damaligen Bildungssenatorin Sandra Scheeres, SPD) und einen Verstoß gegen die politische Loyalitätspflicht. In dem Video mit dem KZ-Tor sah die Senatsverwaltung eine Holocaust-Verharmlosung und Nazireichsbefürwortung.

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Fristlose Entlassung

Daraufhin wurde Borrmann zum 19. August 2021 fristlos entlassen. Dagegen ging er mit einer Klage am Berliner Arbeitsgericht vor. In erster Instanz verlor Borrmann. Er legte Berufung ein. Am 15. Mai kam dann unter Vermittlung des Vorsitzenden Richters Martin Wenning-Morgenthaler am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg der Vergleich zustande.

„Ich hätte niemals etwas gesagt, was mich den Job gekostet hätte. Also alles das, was ich gesagt habe, da war ich mir sicher, ist von der Meinungsfreiheit als auch von der Kunstfreiheit gedeckt.“ Dabei sei es ihm immer um die Warnung vor dem, was da kommt, und die Gefahren der Corona-Impfung gegangen, die ungenügend durch den Berliner Senat berücksichtigt worden seien, erklärt Borrmann damals im Gespräch mit der Epoch Times.

Seine Schüler sah er als seine Schutzbefohlenen. Für Borrmann ist das Video mit dem KZ-Tor eine künstlerische Collage, mit der er den ebenfalls im Video genannten Tweet des bayerischen Ministerpräsidenten Söder kritisieren wollte.

„Das war sicher der krasseste Fall von allen“

„Ich vertrete eine ganze Reihe von Corona-Arbeitsrechtsfällen. Das war sicher der krasseste von allen“, äußerte Rechtsanwalt Tobias Gall, Verteidiger von Borrmann, nach der Verhandlung am 15. Mai gegenüber Epoch Times. In seinen Augen war es ein eindeutiger Fall von „politischer Verfolgung eines Oppositionellen“, genauer gesagt von einem „Corona-Maßnahmengegner“, der auf das härteste verfolgt und auch in der Öffentlichkeit nachhaltig diskreditiert worden sei, so das Mitglied von Anwälte für Aufklärung (einer Vereinigung unabhängiger Anwälte zum Zwecke der Förderung des demokratischen Staatswesens).

Für Gall war eindeutig, dass die Berliner Senatsverwaltung mit der Kündigung seines Mandanten wegen einer zugespitzten politischen Äußerung jenen bestrafen wollte. „Wir hatten in der Tat fast nicht mehr damit gerechnet, dass die Senatsverwaltung zu einem Vergleich in der Lage wäre.“ Aber durch die vorbildliche und auch sehr beeindruckende Verhandlungsführung des vorsitzenden Richters des Landesarbeitsgerichts sei hier eine ganz andere Atmosphäre entstanden, so der auf Arbeitsrecht spezialisierte Jurist damals.



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