Corona-Untersuchungsausschuss abgelehnt: Wie stehen die Parteien zur Aufarbeitung?

Ein Corona-Untersuchungsausschuss wurde gestern Abend im Bundestag abgelehnt. Trotzdem, so versicherten alle Parteien, wolle man die Pandemie aufarbeiten. Die Vorstellungen darüber gehen allerdings auseinander.
Morgen fallen die Testpflichten für den Zutritt zu Gesundheitseinrichtungen. Auch die Maskenpflicht für Beschäftigte in Praxen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen wird aufgehoben.
Die Schutzmaßnahmen sind seit diesem Monat Geschichte. Über die Aufarbeitung der Pandemie herrscht aber Uneinigkeit.Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Von 20. April 2023

Für die AfD-Bundestagsfraktion ist klar, dass die Corona-Pandemie ein Nachspiel haben muss. Sie forderte deshalb in einem Antrag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Mit diesem sollte das Verhalten der Bundesregierung während der Corona-Pandemie untersucht werden. Die AfD-Fraktion wollte weiter prüfen lassen, ob die Grundrechtseinschränkungen und der Lockdown angemessen waren. Ein 16-köpfiges Gremium sollte darüber hinaus die Frage klären, ob die Regierung ausreichend auf die Pandemie vorbereitet war.

Im Hinblick auf die sich in Deutschland auf dem Markt befindlichen und hier zugelassenen Impfstoffe interessierte die AfD-Fraktion, ob diese das Zulassungsverfahren ordnungsgemäß durchlaufen haben. Zu prüfen sei nach Ansicht der AfD, ob es zu Unregelmäßigkeiten oder Fehleinschätzungen bei der Impfstoffbestellung gekommen ist und ob die Bundesregierung rechtzeitig die Erforschung von Medikamenten gegen das Coronavirus angemessen gefördert und rechtzeitig deren Kauf veranlasst habe.

Es sollte untersucht werden, ob die einrichtungsbezogene Impfpflicht der Bundesregierung die medizinische Versorgung und Betreuung von Bürgern gefährdet hat und ob eine entsprechende Gefährdung als leichtfertig oder vorsätzlich betrachtet werden kann.

Untersuchungsausschuss in namentlicher Abstimmung abgelehnt

Gestern am frühen Abend wurde der AfD-Antrag von den anderen Parteien mit großer Mehrheit abgelehnt. In einer namentlichen Abstimmung  stimmten insgesamt 71 Abgeordnete für die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses und 577 Abgeordnete dagegen.

Dass es Fehler in der Pandemie gegeben hat, das ist inzwischen parteiübergreifend Konsens. So hatte schon im September selbst der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Fehler und Probleme zugegeben. Was haben diese Eingeständnisse nun aber für Konsequenzen? Muss es eine ernsthafte Aufarbeitung der Coronajahre geben oder ist das möglicherweise gar nicht mehr nötig? Hier positionieren sich die Bundestagsfraktionen sehr unterschiedlich.

SPD-Fraktion: Aufarbeitung im vollen Gange

Die SPD ist der Meinung, dass die Aufarbeitung der Pandemie bereits stattfindet. Es gibt bereits einen Abschlussbericht zu den Auswirkungen von Corona auf Kinder und Jugendliche, der diese Woche im Bundestag besprochen wird. Das Bundesministerium für Gesundheit arbeitet an Reformen, um das Gesundheitssystem robuster und nachhaltig zu machen, und es gibt ein Gesetz zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung. Der Nationale Pandemieplan wird auch evaluiert, getestet und angepasst.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Heike Engelhardt empfindet viele Fragen, die die AfD in ihrem Antrag aufwirft als „einfach frech“, wie sie gestern Abend in ihrem Redebeitrag im Bundestag betonte.

Insbesondere stößt sich die Abgeordnete an dem von der AfD geforderten Prüfauftrag, ob das deutsche Gesundheitssystem wirklich überlastet war oder ob wirklich die Gefahr eines Mangels an intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten bestand. „Das ist frech und respektlos – respektlos gegenüber den vielen Ärztinnen und Ärzten, gegenüber den Pflegekräften, die Überstunden in Krankenhäusern gemacht und sich um die Patientinnen und Patienten gekümmert haben.“, so die SPD-Politikerin.

CDU-Fraktion: Aufarbeitung ohne Untersuchungsausschuss

Laut Thorsten Frei, dem Parlamentsgeschäftsführer der CDU, gab es während der Pandemie eine extreme Dynamik, bei der Fehler gemacht wurden und Defizite im Staat aufgedeckt wurden. Das sagte der Politiker gegenüber der „Rheinischen Post“.

Mit der Globalisierung habe man in der Vergangenheit so übertrieben, „sodass wir noch nicht einmal schnöde Masken bewerkstelligen konnten“, so Frei. Es könnte über die Einrichtung einer Kommission zur Aufarbeitung diskutiert werden, aber ein Untersuchungsausschuss ergebe derzeit keinen Sinn und sei eher eine Vorgehensweise der AfD. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Tino Sorge, hatte zuvor die Einrichtung einer Bund-Länder-Kommission oder eines Gremiums im Bundestag vorgeschlagen.

In der Plenardebatte gestern Abend bezog Erich Irlstorfer (CSU) Stellung zum Untersuchungsausschuss: „Es muss nicht unbedingt ein Untersuchungsausschuss sein; aber ich denke schon, dass es einer Aufarbeitung bedarf.“

AfD-Fraktion: Untersuchungsausschuss muss die Pandemie aufarbeiten

Für die AfD steht fest, dass die Fehler in der Pandemie in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden müssen. Deshalb brachte die Fraktion auch einen entsprechenden Antrag ein. Sie möchte geklärt wissen, ob die „massiven Eingriffe in die Grundrechte der Bürger und in das deutsche Wirtschaftsleben und der Lockdown tatsächlich geeignet, erforderlich und angemessen“ waren.

Thomas Seitz (AfD) betonte gestern, dass es beim Untersuchungsausschuss um Aufklärung und Zuweisung von Verantwortung geht. „Unsere Fragen sind ergebnisoffen, sodass ein Untersuchungsausschuss zu ganz anderen Ergebnissen kommen könnte als von uns erwartet.“, so der Bundestagsabgeordnete.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Das Meiste in der Pandemie war notwendig

Der Gesundheitsexperte der Grünen-Fraktion, Janosch Dahmen, hat gegenüber der „Rheinischen Post“ betont, dass die Pandemie die Schwächen des Gesundheitswesens deutlich aufgezeigt hat. „Diese gilt es nach Jahren des Reformstaus nun abzustellen.“ Es komme daher nicht darauf an, „mit viel Aufwand in einer Enquete-Kommission oder einem Untersuchungsausschuss“ theoretische Erörterungen anzustellen. Stattdessen müsse das Gesundheitswesen krisenfester und besser auf Pandemien vorbereitet werden.

Irene Mihalic (Grüne) sprach gestern im Bundestag von einem „Showuntersuchungsausschuss der AfD“, den keiner brauche. „Es war eine harte Zeit mit teilweise wirklich einschneidenden Maßnahmen. Die meisten davon waren meiner Ansicht nach notwendig, einige wenige vielleicht nicht“, so die Grünen-Abgeordnete.

FDP-Fraktion: Enquete-Kommission statt Untersuchungsausschuss

Die FDP hat sich in einem Positionspapier dafür ausgesprochen, eine Enquete-Kommission zum Thema „Pandemie“ einzurichten. Die Partei sieht Grundrechtseingriffe, die in der Bundesrepublik noch nie da gewesen sind, darunter Besuchsverbote, Einsamkeit in Pflegeeinrichtungen, Schließungen von Kitas und (Hoch-)Schulen sowie weitreichende Einschränkungen des kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens – einschließlich Ausgangssperren. Die FDP fordert daher eine Bewertung der Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen.

Die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus machte gestern Abend diese Position noch einmal deutlich. „Man muss die Wissenschaft, die Wirtschaft, sämtliche Lebensbereiche, die die Pandemie betreffen, miteinbeziehen, zum Beispiel – unsere Idee – im Rahmen einer Enquete-Kommission.“

Einem Untersuchungsausschuss erteilte die Abgeordnete eine Absage. „Ein Untersuchungsausschuss aus rein politischen Gründen, der uns für die Zukunft überhaupt nicht weiterbringt, ist hier ein völlig ungeeignetes Mittel. Deswegen lehnen wir ihn auch ab.“

Linksfraktion: Ablehnen, um zu verhindern, dass „Feinde der Demokratie“ das Mittel nutzen

Laut Jan Korte, dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Linken im Bundestag, führt „oberflächliches Kratzen an der Oberfläche in einem Untersuchungsausschuss zu keinen Veränderungen“. Stattdessen sollte die aktuelle Bundesregierung dazu verpflichtet werden, das Land krisenfest zu machen, indem sie in Bereichen wie der Pflege, dem Krankenhaussektor und der Kinder- und Jugendpolitik aktiv wird. Korte betonte gegenüber der „Rheinischen Post“ weiter, dass Gelder von Konzernen und Milliardären genutzt werden könnten, falls diese Ressourcen fehlen.

Der Abgeordnete Ates Gürpinar (Linke) hatte gestern Abend das Problem bei den Antragsstellern – der AfD – ausgemacht. „Gute Mittel [ein Untersuchungsausschuss, Anm. d. Red.] können auch von Feinden der Demokratie genutzt werden. Um dem zu begegnen, müssen wir ablehnen und müssen die Aufgabe wahrnehmen, die Instrumente der Rechten aufzudecken, um die wirklich demokratischen Instrumente zu schützen.“, so die Begründung der Ablehnung des Antrags von Gürpinar.



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