Charité-Professor Drosten bei Expertengespräch: Gesundheitsminister „weiß genau so wenig wie ich“

„Klar ist: Es gibt keinen Schuldigen. Es handelt es sich um ein Naturphänomen – und niemand kann mit einem Naturphänomen von Beginn an perfekt umgehen", sagte Professor Christian Drosten auf einer Veranstaltung, in der über das Coronavirus diskutiert wurde.
Titelbild
Die Charité in Berlin.Foto: Jörg Carstensen/dpa
Von 15. Februar 2020

Die neuartige Lungenkrankheit Covid-19 breitet sich weltweit aus. Professor Christian Drosten von der Berliner Charité ist wesentlich an der Forschung um das neue Coronavirus beteiligt. In neun europäischen Ländern wurde es bereits nachgewiesen. Darauf wies Professor Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), hin. Er war neben Drosten einer der Teilnehmer des Expertengespräches der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

„Wir sind momentan nicht in der Lage, die Dynamik des Ausbruches zu prognostizieren“, sagte Wieler. Alle Prognosen würden auf den Zahlen aus China berufen. Doch diese seien mit „Unschärfe“ verbunden und nur „mit Vorsicht zu genießen“.  Den Grund dafür sieht der RKI-Präsident darin, dass China derzeit eine Epidemie zu bewältigen habe. Die Chinesen seien daher nicht in der Lage, alle möglichen Zahlen zu liefern.

Professor Christian Drosten, Direktor des Virologie-Instituts an der Berliner Charité, führte an, dass die Zahlen außerhalb von China eher im Bereich einer normalen Grippeepidemie lägen. Er gab zu bedenken: „Es ist so, dass wir vieles nicht wissen und wir vieles wissen müssen.“ Beispielsweise sei nicht bekannt, wie viele von den Menschen, die hätten infiziert werden könnten, wirklich infiziert wurden. Wenn diese Dateien vorlägen, könnte man besser die Entwicklung der Erkrankungen abschätzen.

Gleichzeitig wies Drosten darauf hin, dass man von der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten noch weit entfernt sei. „Wir verstehen gerade erst die Eigenschaften der Krankheit im Menschen“. Über wissenschaftliche Publikationen und eigene Untersuchungen würde man lernen, was man vor ein oder zwei Wochen noch nicht wusste. Die wichtigsten Informationen kämen dabei aus eigenen Beobachtungen und denen seiner Kollegen.

Drosten sagte: „Klar ist: Es gibt keinen Schuldigen. Es handelt es sich um ein Naturphänomen – und niemand kann mit einem Naturphänomen von Beginn an perfekt umgehen.“

Drosten über die Lage in Deutschland

Die Frage, wie gut Deutschland klinisch auf eine Epidemie vorbereitet sei, beantwortete Professor Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzender des Charité: Das Ausmaß des Virus sei relativ schlecht abzuschätzen. Daher könne man auch schlecht Präventionen bestimmen, beispielsweise für das Pflegepersonal und die Ärzte. Gerade in Winterzeiten sei das Krankenhaussystem in Deutschland zu 85 Prozent belegt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betone immer, Deutschland sei gut gerüstet. Doch wie beurteilt das Drosten als Experte? Das sei keine einfache Frage, antwortete Drosten. Diese Frage würde in sich schon eine Generalisierung tragen.  Aus diesem Grunde könnte man nur ein paar Anhaltspunkte nennen. Und die könne Drosten auch als Wissenschaftler nennen, für einen Gesundheitsminister sei dies viel schwieriger, „der weiß es genauso wenig wie ich.“ Drosten sei da vielleicht in einer „etwas freisprechenderen Rolle“.

Falls es zu einer Pandemie komme, wäre es schwierig, die Normalversorgung aufrechtzuerhalten. In diesem Fall müsse mit vollen Wartebereichen gerechnet werden. Eventuell könnten bei Operationen Verzögerungen auftreten, weil die Intensivbetten belegt seien. Auch Gesundheitsämter wären personalmäßig „relativ dünn“ besetzt und vollkommen überlastet und die Arztpraxen überfüllt. Aus diesem Grund müsse jeder in Deutschland mitdenken und sich mit dieser Erkrankung befassen.

Jeder einzelne müsse überlegen, was er in seiner einzelnen Situation tun könne, sagte Drosten. Hat man beispielsweise Menschen im Verwandten- und Bekanntenkreis mit einer Grunderkrankung, die geschützt werden müssen? Sich selber damit beschäftigen, sich selber aufklären, das stünde auf der „To-do-Liste“ jedes Einzelnen, empfiehlt Drosten.

Erste Patienten-Entlassung in München Klinik Schwabing

Professor Clemens Wendtner behandelt in der München Klinik Schwabing seit dem 27. Januar Patienten, die mit dem Coronavirus infiziert sind. Aktuell sind es neun Patienten. Die Verläufe seien bis auf einen Patienten sehr mild abgelaufen. Sie hätten Husten und leichtes Fieber gehabt – also eher Grippesymptome.

Ein Patient zeigte Zeichen einer Lungenentzündung. Er wurde speziell behandelt und befindet sich auf dem Weg der Besserung. Ein Patient wurde gestern entlassen, und zwar völlig symptomfrei. Das Ergebnis der Untersuchungen seines Nasenrachenabstrichs und Sputum sei negativ getestet worden und er hatte bereits Antikörper gebildet.

Drosten ergänzte: Sobald das Virus auch bei empfindlichsten Test nicht mehr nachweisbar sei, könne man den Patienten entlassen. Insoweit würden Infektionstests in Zellkultur durchgeführt. Anhand der Münchner Patienten habe sich gezeigt, dass der Patient schon nach einer Woche in der Zellkultur als nicht mehr infektiös galt.

Empfehlung zum Mund-Nasen-Schutz

Die Frage, wie sinnvoll ein Mund-Nasen-Schutz sei, beantwortete Wendtner wie folgt:  „Aus Münchner Sicht würde ich herzlich darum bitten, dass wir genügend Masken im ärztlichen pflegerischen Bereich behalten. Das heißt, das Maskentragen ist für diesen Bereich reserviert. Wir sollten uns schützen, wenn wir in den Raum reingehen.“

Die Empfehlung des Hygiene-Experten Klaus-Dieter Zastrow, mit dem wir am 7. Februar ein Interview geführt hatten, lautet hingegen:

„Also in erster Linie nochmal daran denken: Übertragung geschieht durch Tröpfchen, die bekomme ich entweder direkt ins Gesicht, dagegen hilft dann der Mund-Nasen-Schutz, oder durch Schmierinfektion, wenn man hier einmal kräftig auf die Tischplatte niest und der nächste fasst hier drauf und hat dann mit der Hand Kontakt zu seinem Mund, und das geschieht bei uns allen häufig, dann sollte man eine Händedesinfektion durchführen. Händewaschen reicht in diesem Fall nicht. Richtig beseitigen kann man das Virus von den Händen ausschließlich mit sachgerechter Desinfektion.“

Heilungen außerhalb Chinas

Bislang wurden Heilungen der Lungenseuche Covid-19 außerhalb Chinas gemeldet wie folgt:

Australien 8, Macao 3, Malaysia 3, Frankreich 2, Russland 2, Taiwan 2, Amerika 2, Kambodscha 1, Kanada 1, Finnland 1, Deutschland 1, Hongkong 1, Tibet 1, Nepal 1, Philippinen 1, Sri Lanka 1, Großbritannien 1, Arabische Emirate 1, USA 1.

 



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion