CSU: Unternehmer verzichtet nach Anfeindungen wegen türkisch-muslimischer Wurzeln auf Kandidatur

Der CSU-Vorstand im bayerischen Wallerstein hatte den 44-jährigen Unternehmer Sener Sahin zur Kandidatur für das Bürgermeisteramt überredet. Daraufhin drohten 15 Listenkandidaten mit Rückzug. AfD-Chef Meuthen spottet, die CSU sei auf dem Weg zu einer „neuen NPD“.
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CSU-Logo.Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images
Von 6. Januar 2020

Gegenüber der Konkurrenz von rechts hatte CSU-Chef Markus Söder sich zuletzt um markige Worte nicht verlegen gezeigt: Die AfD, so meinte er auf dem CDU-Parteitag im November in Leipzig, sei nicht nur ein Gegner, sondern ein „Feind“. Sie wolle „zurück in die 30er Jahre“, sei gar „die wahre, die neue NPD“. Und überhaupt, so deutete er an, könne er „keinen richtigen Unterschied zwischen Höcke und Hitler“ erkennen.

Nun hat die CSU selbst ein Problem mit dem, was manche möglicherweise als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ oder gar als „Rassismus“ bezeichnen würden. Wie das „Deutsch-Türkische Journal“ berichtete, wird die Partei in der Gemeinde Wallerstein im Regierungsbezirk Schwaben ohne eigenen Bürgermeisterkandidaten in die Kommunalwahlen gehen, die am 15. März im Freistaat stattfinden werden.

Unternehmer, Fußballtrainer, mit Katholikin verheiratet

Dabei hatte der Ortsvorstand der CSU bereits einen 44-jährigen technischen Betriebswirt und Maschinenbautechniker nominiert, der im nahe gelegenen Nördlingen das Licht der Welt erblickte und als Unternehmer im Ort seit Jahr und Tag einen Handel mit gebrauchten Werkzeugmaschinen betreibt.

Der designierte Kandidat ist verheiratet, hat zwei Kinder, war im Ort zehn Jahre lang Fußballtrainer – insgesamt also auf den ersten Blick ein Profil, wie es gerade im ländlichen und kleinstädtischen Raum Bayerns nicht untypisch für einen aussichtsreichen Bürgermeisterkandidaten ist.

Bei der Landtagswahl 2018 kam die CSU im Ort auf 47,4 Prozent der Gesamtstimmen und wurde damit stärkste Partei vor den Freien Wählern mit 12,1 Prozent. Auf kommunaler Ebene ist die CSU ebenfalls stärkste Kraft – allerdings nur mit 22,1 Prozent. Neben ihr sind seit 2014 die SPD und vier lokale Wählergemeinschaften im Gemeinderat vertreten, die auf Ergebnisse zwischen 12,4 und 18,8 Prozent kamen.

Das Problem mit dem Kandidaten: Einige Mitglieder des eigenen CSU-Verbandes erachteten ihn nicht für präsentabel. Sein Name, Sener Sahin, würde nicht zum Chefposten der 3300-Seelen-Gemeinde passen, und da er als Bayer mit türkischen Wurzeln auch mit mehr als 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit Muslim sei, drohten gleich 15 Kommunalwahl-Kandidaten der Wallersteiner CSU ihren Rückzug an für den Fall, dass Sahin zum Bürgermeister-Kandidaten gewählt würde.

Wie die „Augsburger Allgemeine“ berichtete, hat Sahin unter dem Eindruck des Gegenwindes selbst das Handtuch geworfen. Da sich außer ihm kein CSU-Mitglied bereiterklärt hatte, für das Amt zu kandidieren, steht Bayerns führende Partei in Wallerstein nun ohne Kandidaten da.

„Es haben sogar Leute bei unserem Bundestagsabgeordneten angerufen“

„Wir sind auf dem Dorf und wir sind noch nicht so weit“, erklärte der Ortsvorsitzende Georg Kling enttäuscht. In der „Süddeutschen“ erklärte Sahin selbst, er habe im Vorfeld vor möglichen Unwägbarkeiten ob seines Hintergrundes gewarnt. Der Ortsvorstand habe jedoch abgewiegelt. Da er sehr stolz darauf gewesen wäre, von der CSU gefragt zu werden, ob er kandidieren wolle, habe er dann seine Bereitschaft signalisiert. Aus heutiger Sicht bedauert er dies, weil sowohl ein Verbleib als auch ein Rückzug Unruhe in die Partei bringen mussten und nun die Medien auf den Fall aufmerksam geworden wären.

Die Gegner Sahins, von denen sich offenbar keiner selbst zutraute, das Amt wahrzunehmen, scheinen keine Mühen gescheut zu haben, um den „Türken“, dessen Frau Katholikin ist, zu verhindern:

„Es ging nie um meine Person, sondern immer nur um meinen Glauben. Das C in CSU und ich als Moslem, das passe absolut nicht zusammen, hieß es zum Beispiel. Ich dachte mir: Na gut, es gibt immer drei, vier Leute, die gegen etwas sind. Aber dann muss das alles einen unglaublichen Lauf genommen haben. Bis nach Berlin. Ich weiß nicht, wer das alles war, aber es haben sogar Leute bei unserem Bundestagsabgeordneten angerufen und sich beschwert. Nach dem Motto: Wie kann man einen Türken als Bürgermeisterkandidaten aufstellen? Das war für mich ein Schock.“

Meuthen: „Mehr Integration geht kaum“

Sahin sieht sich unterdessen nicht als Opfer und hegt keinen Groll:

„Ich bin einer, der jede Meinung akzeptiert“, erklärte der Unternehmer. „Wenn Leute sagen, sie sind noch nicht so weit, dass sie einen Moslem als Bürgermeister haben wollen, ist das für mich okay. […] Ich sehe: Der mag mich als Person, aber findet es nun mal nicht gut, dass ein Moslem als Bürgermeister kandidiert. Du kannst die Menschen nicht von heute auf morgen ändern. Die müssen ihre Berührungsängste verlieren. Vielleicht kommt das irgendwann mal. Aber das dauert noch.“

AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen griff den Fall jedoch in einem Beitrag für Facebook auf. Er erinnerte an die Söders scharfe Worte in Richtung seiner Partei und konstatiert: „[…] was sich nun im bayerischen Ortsverband Wallerstein der Söder-Partei abspielte, erinnert tatsächlich an die NPD.“

Basierend auf den ihm zugänglichen Informationen halte er Sahin „für einen sympathischen und zugleich vollständig integrierten Bürger“, dieser sei Deutscher und längst Bayer, aber er habe nach eigener Auffassung offenbar den „falschen Namen“ und den „falschen Glauben“, um von vielen örtlichen CSUlern voll akzeptiert zu sein.



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