Cum-Ex-Deals: Acht Jahre Haft für „Spindoctor“ Berger – Scholz behält weiße Weste

Das Bonner Landgericht hat den mutmaßlichen Cum-Ex-Architekten Berger wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Der Fall hat auch Kanzler Scholz verfolgt.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sitzt auf seinem Platz auf der Senatsbank vor Beginn einer Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses «Cum-Ex».
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sitzt auf seinem Platz auf der Senatsbank vor Beginn einer Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Cum-Ex“.Foto: Christian Charisius/dpa
Von 14. Dezember 2022

In drei Fällen hat das Bonner Landgericht am Dienstag (13. 12.) den Steuerberater Hanno Berger der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. In dem noch nicht rechtskräftigen Urteil verhängte das Gericht über den Protagonisten des sogenannten Cum-Ex-Steuermodells eine Freiheitsstrafe von acht Jahren. Dem deutschen Staat soll durch das Modell ein zweistelliger Milliardenbetrag entgangen sein. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz musste im Zusammenhang mit den Deals bislang zweimal vor einem Untersuchungsausschuss aussagen.

Cum-Ex-Modell als Form des Dividendenstrippings

Die Anklage hatte neun Jahre Haft gefordert, die Höchststrafe hätte bei 15 Jahren gelegen. Der Angeklagte zeigte sich zum Teil geständig, stellte die Anklagevorwürfe jedoch dem Umfang nach in Abrede. Die Tathandlungen sollen sich über den Zeitraum von 2007 bis 2011 erstreckt haben.

Berger war lange Zeit Beamter in der hessischen Steuerverwaltung. Später nutzte er seine dort erworbenen Kenntnisse, um Banken, Fonds und Investoren sein Modell vorzustellen. Für Beratungsdienstleistungen soll er im Gegenzug Millionen an Euro kassiert haben.

Der Kern des Cum-Ex-Modells ist eine Form des sogenannten Dividendenstrippings. Im Umfeld des jeweiligen Stichtags verschoben Beteiligte Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenausschüttungsanspruch. Die Aktie wurde demnach kurz vor dem Ausschüttungstermin verkauft und kurz danach wieder zurückgekauft.

Am Ende sollte ein Anspruch auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuern gegen den Staat entstehen – und dieser wurde in der Praxis selbst auf nicht entrichtete Steuern beantragt. Bei diesen Geschäften wurde die Steuer mehrfach zurückerstattet, teilweise sogar an Beteiligte, die gar keine Steuern gezahlt hatten.

Was wusste Kanzler Scholz über Cum-Ex?

Im Jahr 2021 hatte der Bundesgerichtshof das Modell als strafbare Form der Steuerhinterziehung eingestuft. Berger hatte sich Ende 2012 in die Schweiz abgesetzt. Diese lieferte ihn jedoch im Februar 2022 an die deutsche Justiz aus. In Wiesbaden muss er sich noch wegen weiterer Tatvorwürfe in Sachen Cum-Ex verantworten.

Die Affäre gilt als größter Steuerskandal in der Geschichte der Bundesrepublik und dürfte noch über Jahre Folgeprozesse nach sich ziehen. Um die Flut an absehbaren Prozessen bewältigen zu können, wird in Bonns Nachbarstadt Siegburg sogar ein neues Gebäude nur für künftige Cum-Ex-Prozesse gebaut. Das Gebäude soll 2024 fertig sein.

Bundeskanzler Olaf Scholz war im Kontext mit den Cum-Ex-Geschäften ebenfalls unter Beschuss geraten. Es ging dabei um seine Rolle im Zusammenhang mit dem im November 2016 gewährten Erlass einer Steuerschuld von 47 Millionen Euro gegenüber der Warburg-Bank. Diese soll in das Cum-Ex-System involviert gewesen sein. Scholz war zu diesem Zeitpunkt Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.

Im März 2022 erließ das Amtsgericht sogar einen Durchsuchungsbeschluss für das Dienstpostfach, das Scholz damals benutzt hatte. Der Beschluss stand im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den langjährigen SPD-Bundespolitiker Johannes Kahrs. Dieser habe sich für Warburg starkgemacht, und bei Durchsuchungen sollen etwa 200.000 Euro in bar in einem Bankschließfach aufgetaucht sein.

Bis dato keine Vorwürfe gegen Scholz erhärtet

Scholz soll sich unter anderen mit dem damaligen Warburg-Chef Christian Olearius getroffen haben. Insgesamt soll er in den Jahren 2016 und 2017 dreimal mit Vertretern des Geldinstituts zusammengetroffen sein. Allerdings habe er sich vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss an keine Details mehr erinnern können.

Der Bundeskanzler weist kategorisch alle Behauptungen von sich, auf das Warburg-Steuerverfahren in irgendeiner Weise Einfluss genommen zu haben. Zudem sei der Stadt Hamburg kein finanzieller Schaden in dieser Sache entstanden, so Scholz. Warburg habe die zurückgeforderten Beträge später beglichen.

Transparency International zweifelt die Aussagen des Kanzlers an. Deren Finanzexperte Stephan Ohme wies darauf hin, dass Scholz „ein ausgewiesener Fachmann“ in diesen Themen sei. Er „wusste um die Bedeutung der Frage, der Warburg-Bank eine Steuerschuld aus ‚Cum-Ex‘-Geschäften in Millionenhöhe zu erlassen“.

Der Finanzexperte und frühere Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi gab im August seiner Hoffnung Ausdruck, dass Cum-Ex-Beschuldigte gegen Hafterleichterungen Scholz belasten könnten. Dazu kam es zumindest im Berger-Prozess bis dato nicht.

(Mit Material von dpa und AFP)



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