Das Kuckucks-Ei im Schulfilm-Nest: Fauler Zauber um „Feine Sahne Fischfilet“ – Was können betroffene Eltern tun?

Einseitig, "politisch-radikal", "gewaltbetont" und "linke Heldenverehrung" gibt die FBW-Jury zu bedenken und vergibt das Prädikat "besonders wertvoll". AfD-Bildungssprecher gibt betroffenen Eltern Tipps.
Titelbild
Feine Sahnetorte mit Fischfilet (Symbolbild).Foto: istockphoto/Milkos/PicLeidenschaft/CompET
Von 16. November 2018

Nach einer Droh-Mail an die GGS-Strand Europaschule in Timmendorfer Strand wurde eine im Rahmen der bundesweiten SchulKinoWoche für Ende November im Bad Schwartauer „Movie Star Kino“ geplante Vorführung abgesagt. Es ging um den Film „Wildes Herz“, eine Homage an die linksradikale Punk-Band „Feine Sahne Fischfilet“.

Die Polizei dazu: „Es besteht der Verdacht einer politisch motivierten Tat“, so Polizeisprecher Dierk Dürbrook. Der Staatsschutz ermittelt. Die „Lübecker Nachrichten“ beziehen sich auf einen Artikel der „TAZ“ und schreibt, dass die Drohungen von den selbsterklärten „Enkeln von Adolf Hitler“ ausgegangen seien. Diese hätten der Schule gedroht, dass Kino in die Luft zu jagen und die Lehrer als „Volksverräter“ zu erschießen.

Die Polizei hatte diese Informationen nicht bestätigt. Genau so wenig dürfte klar sein, ob es sich um eine ernsthafte Drohung handelte oder aus welcher Richtung sie tatsächlich kam. Hier muss man die Ermittlungen abwarten.

Natürlich ist jede Art von Gewaltandrohung nicht akzeptabel und muss polizeilich behandelt werden.

Allerdings ist dies die Antwort auf eine Straftat und nicht auf die Frage, wieso ein Film wie „Wildes Herz“ in der SchulKinoWoche auftaucht.

Kultusministerium kündigt Nachholung an

Inzwischen kündigte das Kultusministerium an, die Vorführung nachzuholen. Die für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein verantwortliche Ministerin Karin Prien (CDU) sagte angesichts der Drohung gegen die Filmvorführung:

Die Freiheit der Kunst ist Gradmesser einer demokratischen Gesellschaft.“

(Karin Prien, CDU, Kultusministerin in Schleswig-Holstein)

Dazu erklärt das Ministerium, dass der Film „Wildes Herz“ von Regisseur Charly Hübner und Produzent Lars Jessen ein Porträt der mecklenburg-vorpommerschen Band „Feine Sahne Fischfilet“ und deren Sängers „Monchi“ sei.

 

 

„Besonders wertvoll“ – besonders linksradikal?

Zudem wurde darauf verwiesen, dass die Dokumentation von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein gefördert worden sei und das Prädikat „besonders wertvoll“ trage, verliehen von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

In der Jurybegründung der FBW hieß es u. a.: „Für die Einen sind ‚Feine Sahne Fischfilet‘ linksradikale Musiker und Chaoten, für die Anderen politisch engagierte Künstler. (…) Der Film ist eine Reise in die Heimat Gorkows, ein Ausflug in das Spannungsfeld von Politik, rechter Gewalt und linker Gegengewalt im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.“

Zwar wird in der Verfahrensordnung der FBW (§7, 4) geregelt, dass Filme, die „gegen die Verfassung oder die Gesetze verstoßen, oder Persönlichkeitsrechte oder das sittliche oder religiöse Gefühl verletzen“ oder aber „der Wahlpropaganda oder in herabwürdigender Weise der politischen Propaganda dienen“, von der Bewertung ausgeschlossen sind, zwar wird in der Jurybegründung der Dokumentation bescheinigt, „dass einige Texte der Band ‚Feine Sahne Fischfilet‘ zumindest politisch-radikal, wenn nicht gar gewaltbetont“ seien, doch der Film „bietet auch Erklärungen an“ [Anm. d. für Linksradikalismus und Gewalt ?].

Die Jury vergab zwar das Prädikat „besonders wertvoll“, scheint aber nicht so 100-prozentig dahinter stehen zu können, deshalb möglicherweise die Anmerkung:

Hier und da neigt die Dokumentation allerdings dazu, in Richtung linker Heldenverehrung abzudriften. Die Jury hätte sich manchmal ein wenig mehr Distanz und vermehrt Stimmen der politisch jeweils anderen Seite gewünscht.“

(Deutschen Film- und Medienbewertung, Jury)

Die „richtige“ Kunstfreiheit

Und schließlich sagt auch die Kultusministerin Karin Prien, warum es eigentlich geht: „Es geht um die Kunstfreiheit, und dafür muss man den Film nicht lieben.“

Wir brauchen eine reflektierte Debatte zu den Themen Extremismus und Freiheit der Kunst, wir brauchen keine plumpen Reflexe auf ein Kulturschaffen, das Einzelnen gegen den Strich geht.“

(Karin Prien, CDU, Kultusministerin in Schleswig-Holstein)

Hier könnte man natürlich einwenden, dass der Kunstfreiheit genüge getan wäre, wenn der Film regulär im öffentlichen Kino zu sehen wäre und sich dort mit all den anderen Filmen nach marktüblichen Bedingungen messen müsste.

Doch genau hier wird von Regierungsseiten eingegriffen: „Die Finanzierung der SchulKinoWoche Schleswig-Holstein setzt sich aus Zuwendungen des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (42.000 Euro) sowie aus Landesmitteln (35.000 Euro) zusammen.“  Natürlich ist auch die „Bundeszentrale für politische Bildung“ veranstaltend mit an Bord, wie der ministeriellen Erklärung zu entnehmen ist.

Kuckuck: Wo ist der positive Beitrag für die Schulkinder?

Und warum das Ganze? Dazu erklärt das Kultusministerium in Kiel: „Wichtiges Ziel des Projekts ist der Ausbau von Kooperationen zwischen Kinos und Schulen und die Einbindung des Gesehenen in die pädagogische Arbeit der Schulen.“

Welchen positiven Beitrag soll dann aber „Wildes Herz“ für die Entwicklung der Schulkinder mit sich bringen? Hier kann vielleicht auch wieder die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) in Wiesbaden aufklären, die laut „Wikipedia“ eine Einrichtung mit Behördenstatus ist:

Auch wenn ihr Engagement der Gruppe ‚Feine Sahne Fischfilet‘ einen ziemlich dauerhaften Platz im Bericht des Verfassungsschutzes eingebracht hat, wollen die Mitglieder der Band das nicht hinnehmen. Spontan und radikal wie sie sind, arbeiteten sie zur Landtagswahl 2016 ein Festivalprogramm aus und gingen ausgerechnet in den rechten Hochburgen Mecklenburg-Vorpommerns damit auf Tour.“

(Deutschen Film- und Medienbewertung, Jury)

Was könnte also die positive Message an die Schulkinder ab 12 Jahren sein: „politisch-radikal“, „gewaltbetont“,  „linke Heldenverehrung“, das Positive an einem „dauerhaften Platz im Bericht des Verfassungsschutzes“, „spontan und radikal“ oder die politische Einseitigkeit im Film? Oder war es gar ein besonders wertvoller Beitrag zum friedlichen Miteinander in der Gesellschaft? Wohl kaum, wenn man darüber nachdenkt, dass eine linksradikale Band genau zur Wahlkampfzeit mutmaßlich provokativ in „rechten Hochburgen Mecklenburg-Vorpommerns“ mit einem „Festivalprogramm“ auf Tour geht.

Genossen: Brüder im Geiste?

Sollten hier eine rechtsradikale Szene zu möglicherweise medial auswertbaren Reaktionen provoziert werden, um reguläre „politische Gegner“ zu diskreditieren und gleichzeitig eine „Einheitsfront“ der „Guten“ zu schaffen? Wenn dem so wäre, müsste die Band wohl aber von Hintermännern instruiert worden sein.

Ein Beispiel dafür zeigt das Konzert in Anklam, nur wenige Tage vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September 2016. Die „Bild“ berichtete: „Die Punker von ‚Feine Sahne Fischfilet‘ organisierten das Konzert“ und der Auftritt sollte „Stimmung machen gegen Rechts“. Laut Bild waren 2.000 Fans auf dem Bahnhofsvorplatz. Die „Ostsee-Zeitung“ berichtete auch vom politischen Engagement der Band: „Sie organisiert seit einigen Wochen landesweit Veranstaltungen, um junge Leute gegen Rechtsextremismus zu sensibilisieren.“

Selbst die „Tagesschau“ berichtete von dem Konzert mit 2.000 Besuchern auf dem Bahnhofsvorplatz in Anklam, wie auch jüngst die „Tagesthemen“ vom abgesagten Konzert der Band im Bauhaus und dem anschließenden Konzert im Brauhaus von Chemnitz.

In beiden Fällen verwunderlich: Im Mordfall Maria in Freiburg verweigerten „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ zunächst eine Berichterstattung , da man nur über „gesellschaftlich, national und international relevante Ereignisse“ berichte, rechtfertigte Politikwissenschaftler und Journalist Kai Gniffke, Chefredakteur beider ARD-Formate das mediale Schweigen. Umso verwunderlicher, dass gerade über ein so unbedeutendes kleines Konzert wie in Anklam berichtet wurde. Doch vielleicht gab es andere wichtige Gründe …

Am Vormittag des 24. August postete Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ein „Tolles Zeichen gegen Fremdenhass und Rassismus. Danke #Anklam. Danke Feine Sahne Fischfilet, Andreas Frege, Marteria und allen anderen!“ nach dem „Tagesschau“-Artikel vom Vortag über das Konzert. Schon in der Nacht zuvor war dem Minister das einen entsprechenden Tweet wert: „Tolles Zeichen gg Fremdenhass u Rassismus. Danke #Anklam #Campino @marteria @feinesahne! #nochnichtkomplettimarsch“.

Doch der Effekt war nicht so gut: Unter dem FB-Post von Heiko Maas schrieb ein User: „Sie beklatschen Linksextreme und bedanken sich also allen Ernstes für Zeilen wie: ‚Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck! Gib mir ein like gegen Deutschland – Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck!‘ Merken Sie eigentlich noch irgendwas? Treten Sie zurück Herr Maas!“

Ein anderer Kommentator schrieb: „Ich bin nicht nur Russe, ich bin halb Deutscher. Habe einen Pass bekommen, weil meine Vorfahren deutsch waren. Es ist ein Privileg Deutsch zu sein. Ich bin hergekommen, als ich 11 war. Habe Sprache und Kultur verinnerlicht und jetzt kommen Sie und unterstützen ‚Deutschland verrecke‘? – Ich möchte stolzer Deutscher sein und mich nicht schämen dafür, Deutscher zu sein, Wegen Menschen wie Sie es einer sind, schwindet der Stolz. Sie sollten doch Vorbild sein. Ein Justizminister der Deutschland hasst. Ich komme aus Sibirien und würde sie gerne dahin verbannen.“

Reaktionen in diese Richtung gab es zahlreiche.

Auch aus der Politik war Unverständnis zu hören: Der Generalsekretär der CDU im Saarland beispielsweise hatte für Minister Maas gleich eine passende Antwort, wie die „Welt“ berichtete:

Maas‘ Lob für solche Spinner ist inakzeptabel. Gerade ein Bundesjustizminister darf unter keinen Umständen den Eindruck erwecken, eine solche Haltung zu unterstützen.“

(Roland Theis, CDU-Generalsekretär im Saarland)

Theis forderte Maas auf, sich öffentlich von der Musikgruppe zu distanzieren

Merkwürdigerweise funktionieren die von Heiko Maas veröffentlichten Twitter-  und Facebook-Verlinkungen zum „Tagesschau“-Artikel inzwischen nicht mehr. Sie enden auf der Frontpage des öffentlich-rechtlichen Formats. Auch die entsprechenden Artikel scheinen nicht mehr vorrätig …

Wo ist der Artikel? Foto: Screenshot „Tagesschau“

AfD-Bildungssprecher bietet Eltern Hilfe an

Doch was können betroffene Eltern tun, angesichts der künstlich erzeugten gesellschaftlichen Sogwirkung? Der bildungspolitische Sprecher der AfD in Schleswig-Holstein, Dr. Frank Brodehl, ein Sonderschulpädagoge, ist sich hinsichtlich des Films sicher: „Nichts davon ist in irgendeiner Art vorbildlich für unsere Kinder.“

Wir sind damit überhaupt nicht einverstanden, dass Schüler verpflichtet werden, in solche Filme zu gehen.“

(Dr. Frank Brodehl, AfD, Bildungssprecher)

Brodehl fordert, dass Schule neutral bleiben müsse und gibt Eltern, die nicht damit einverstanden sind, dass ihre Kinder diesen Film ansehen müssen den Rat: „Beschweren Sie sich. Gehen Sie zum Klassenlehrer, gehen Sie zur Schulleitung. Oder melden Sie Ihr Anliegen direkt beim Bildungsministerium.“ Brodehl bietet den Eltern zudem seine Hilfe an, falls diese sich nicht zutrauen, diesen Weg alleine zu gehen.

Linke Helden, die keine sind

Auf so manchen Beobachter mag der Beitrag „Wildes Herz“ eher wie ein rotes Kuckucks-Ei im einem Nest wirken, dass für die kleinen und größeren Schul-Spatzen zum Gedeihen vorbereitet wurde.

Doch auch im Kleinen scheuen sich sogenannte Pädagogen nicht, die ihnen anvertrauten Kinder zu indoktrinieren: In Hamburg bot sogar eine 2. Klasse auf der Bühne und – den DDR-Thälmann-Pionieren ähnlichen – rote Halstücher tragend einen Song der Band dar:

Reiß ihre Mauern ein. Reiß alle Mauern ein. (…) Reiß ihre Zäune ein. Reiß alle Zäune ein. (…) Du riskierst jetzt alles für das Glück.“

(Feine Sahne Fischfilet, „Zuhause“)

Befindet sich Deutschland näher an einer DDR 2.0 als viele ahnen?

Allgemein wird behauptet, die Band habe sich von ihren gewaltbereiten Texten losgesagt und sie wird auch nicht mehr im Verfassungsschutzbericht erwähnt. Haben sich „Feine Sahne Fischfilet“ etwa tatsächlich von ihrer radikalen Vergangenheit gelöst? Sind sie brav geworden?

Die Erklärung ist einfach, wie die „Welt“ auf Nachfrage beim Verfassungsschutz erfuhr. Es war nur so, dass „keine Erkenntnisse angefallen sind, die eine Unterrichtung der Öffentlichkeit über die bekannten Sachverhalte hinaus erfordert hätten“, so Marion Schlender, Sprecherin des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern.

Doch das spielt im politischen Kampf wohl eher keine Rolle, sonst hätte die Linken-Fraktion im Schweriner Landtag die „Feine Sahne Fischfilet“ nicht für den Courage-Preis 2013 nominiert und: „Zudem wurde ein Dokumentarfilm über Feine Sahne Fischfilet von der Filmförderung Mecklenburg-Vorpommern mit 30.000 Euro unterstützt“, so die „Welt“.

Doch schließlich gehe es ja um die Freiheit der Kunst, verteidigte die Kultusministerin Prien von der CDU in Schleswig-Holstein den Beitrag bei den SchulKinoWochen, in die es „Feine Sahne Fischfilet“, die aus dem Nichts emporgehobene und zum Shootingstar linker Ideologen avancierte Punk-Band dank mancher Medien und politisch linker Kreise geschafft hat.

Ob Jan „Monchi“ Gorkow, der unangepasste Musiker mit dem wilden, sich nach Freiheit sehnenden Herz und der Vorliebe für feine Sahne und Fischfilet wohl mit dem strengen Gleichschritt und der Gedankenkontrolle einer sozialistischen Diktatur klarkommen würde? Am Ende heißt es vielleicht: „Doch sie wurden alle betrogen!“



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