Di Fabio: Grenzkontrollen „sind keine Re-Nationalisierung“ – „Es geht um die Verantwortung für die eigene Bevölkerung“
Der Staatsrechtler und ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio hat sich für eine umfassende Reform des europäischen Grenzschutz- und Einwanderungssystems ausgesprochen, um für eine neue Krisenlage gerüstet zu sein.
„Wir müssen die Verantwortungsstrukturen für Einwanderung und Grenzkontrollen entflechten. Viele Mitgliedstaaten wollen selbst darüber entscheiden, wen sie aufnehmen. Ich halte das auch im Kern für richtig, weil es dabei um zentrale Fragen politischer Selbstbestimmung geht“, sagte Di Fabio der „Welt“.
Die EU-Mitgliedstaaten hätten sich zwar ein gemeinsames Asylsystem eingelassen, „aber nur unter Bedingungen schönen Wetters. Für schlechtes Wetter muss das neu verhandelt werden“. Es gehe darum, dass die Staaten genau wissen müssten, was sie dürfen: „Sonst werden sie sich ihre Handlungsfähigkeit auch gegen das Recht nehmen. Darüber müssen wir in Europa nach den Wahlen dieses Jahres dringend reden“, so der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn.
Nationale Grenzkontrollen und Einwanderungsregeln würden „keine flächendeckende Re-Nationalisierung bedeuten. Es geht um die richtige Balance zwischen gemeinsamen Regeln und der nationalstaatlichen Verantwortung für die eigene Bevölkerung“, sagte Di Fabio. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, „Italiener, Franzosen oder Deutsche hätten als Staaten keine Möglichkeit mehr, die Grenzen zu schützen. Die haben wir. Was es gegeben hat, war ein partieller Kontrollverlust und ein fortgesetzter Streit über die richtige Politik innerhalb der EU.“
Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 hatte Di Fabio in einem Rechtsgutachten für die bayerische Landesregierung Zweifel angemeldet, dass die Bundesregierung bei der unbegrenzten Aufnahme von Flüchtlingen noch im gesetzlichen Rahmen handelte.
Kritik an dieser Einschätzung aus Reihen der Bundesregierung wies der Staatsrechtler zurück. „Diese Republik zeichnet sich ja dadurch aus, dass sie jede große politische Streitfrage auch als Thema des Verfassungsrechts formuliert hat. Ich finde es deshalb seltsam, dass man ein die Gesellschaft so bewegendes und auch spaltendes Ereignis wie die Migrationskrise nun verfassungsrechtlich nicht thematisieren will, zumal es im Gutachten ja eigentlich nur um die Frage ging, ob der Bund eine wirksame Grenzkontrolle schuldet“, sagte Di Fabio. „Dass Juristen schweigen sollen, weil die Lage zu dramatisch geworden ist – solches Denken im Ausnahmezustand, davon sind wir doch gottlob noch weit entfernt.“ (dts)
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