Die „Brandmauer“ bröckelt: Thüringer CDU-Präsidiumsmitglied will mit AfD zusammenarbeiten

Das Thüringer Landespräsidiumsmitglied Michael Brychcy (CDU) plädiert für mehr Differenzierung bei der Zusammenarbeit mit der AfD. Er selbst binde schon AfD-Abgeordnete bei Sachfragen im Stadtrat mit ein.
«Es hilft uns nicht weiter, wenn wir immer nur davon reden, dass wir mit der AfD nicht reden»: Michael Brychcy.
„Es hilft uns nicht weiter, wenn wir immer nur davon reden, dass wir mit der AfD nicht reden“, sagt Michael Brychcy.Foto: Martin Schutt/dpa
Von 11. Juni 2023

Der langjährige Präsident des Thüringer Gemeinde- und Städtebunds, Michael Brychcy (CDU), möchte Gespräche mit der AfD nicht kategorisch ausschließen. Er stellt sich damit gegen den CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz und seinen Landeschef Mario Voigt.

Er selbst binde schon längst AfD-Abgeordnete bei Sachfragen im Stadtrat mit ein. Ansonsten komme die Politik auf Kommunal- und Länderebene überhaupt nicht mehr voran, mahnte der 62-jährige. „In solchen Fällen lehne ich parteipolitische Spielchen ab.“ Dieses Rezept könne auch im Erfurter Landtag funktionieren. Man könne nicht alle, die in der AfD seien, über einen Kamm scheren, sagte Brychcy, der Bürgermeister in Waltershausen (Landkreis Gotha) ist.

Brychcy sagte, man müsse stärker differenzieren, mit wem man spreche. „Es hilft uns nicht weiter, wenn wir immer nur davon reden, dass wir mit der AfD nicht reden“, sagte er.

Es gibt in meiner Stadt kein rotes, kein grünes, kein schwarzes und kein gelbes Schlagloch. Sondern es gibt ein Schlagloch und die Leute erwarten, dass wir es wegkriegen.“

Brychcy will ins Landesparlament

Mit denen, die extremistisch sind, könne man aber nicht reden, sagte er zur „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa). So lehnt er beispielsweise eine Zusammenarbeit mit Björn Höcke (AfD) ab.

Einige Beobachter sehen in den Äußerungen Brychcys eine Positionierung für die anstehenden Thüringer Landeswahlen 2024. Brychcy sitzt im Landespräsidium der Thüringer CDU und kündigte an, kommendes Jahr für die CDU ins Landesparlament einzuziehen. Dabei gilt er als sehr aussichtsreich. Höcke hatte erst kürzlich davon gesprochen, einen CDU-Ministerpräsidenten tolerieren zu wollen.

Die Thüringer AfD mit ihrem Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke wird vom Landesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Die AfD sieht hingegen einen Missbrauch des Verfassungsschutzes in Deutschland als politisches Instrument. Sie beklagt, dass er genutzt würde, um sie als Opposition zu bekämpfen. Dazu gewann sie mehrere Prozesse vor Gericht.

Eine kürzlich durchgeführte Forsa-Umfrage ergab, dass die AfD in Ostdeutschland – Berlin nicht mitgerechnet – ein Rekordergebnis von 32 Prozent erreichen könnte.

BUNDESTAGSWAHL | Sonntagsfrage Forsa/RTL/n-tv – Ostdeutschland (ohne Berlin)

AfD: 32 Prozent (+10,5)
CDU: 23 Prozent (+5,6)
SPD: 16 Prozent (-8,3)
LINKE: 8 Prozent (-1,8)
FDP: 6 Prozent (-3,7)
GRÜNE: 6 Prozent (-1,9)
Sonstige: 9 Prozent (-0,3)

Änderungen zum Wahlergebnis von 2021 #btw #btw25 pic.twitter.com/iyKMyRBonY – Deutschland Wählt (@Wahlen_DE) June 8, 2023

Uneinigkeit innerhalb der CDU

Innerhalb der Thüringer CDU gab es in der Vergangenheit immer wieder Stimmen, die sich für eine zumindest partielle Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen hatten – auch nach der Landtagswahl 2019, deren Ergebnisse eine äußerst schwierige Regierungsbildung zur Folge hatte.

Ein CDU-Bundesparteitagsbeschluss verbietet jegliche Zusammenarbeit der Christdemokraten mit AfD und Linken. In Thüringen unterstützt die CDU-Fraktion im Landtag keine Anträge der AfD. Umgekehrt fanden aber schon CDU-Anträge mithilfe von AfD-Stimmen eine Mehrheit.

Kürzlich sprach sich der Thüringer CDU-Politiker André Neumann auch für eine Zusammenarbeit zwischen seiner Partei und der Linkspartei aus. Der Oberbürgermeister von Altenburg äußerte: „Wenn wir in neuen Situationen nicht neu nachdenken und Dinge anders angehen, laufen wir an der politischen Realität und dem Wählerwillen vorbei.“ Die Linkspartei habe die vergangenen Jahre in Thüringen regiert und sei nicht antidemokratisch, äußerte er gegenüber dem MDR.

(Mit Material von dpa)



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