Die umfangreiche Einbeziehung des Bundesrates ist nicht vorgesehen: Merkels neues Gesetz
Sollte die Neuregelungen mit dem von Kanzlerin Merkel geplanten „Infektionsschutzgesetzänderungsgesetz“ umgesetzt werden, erhält der Bund mehr Befugnisse bei den Maßnahmen gegen COVID-19. Olaf Scholz (SPD) erklärte, die geplante Vereinheitlichung der Maßnahmen solle mehr Klarheit und Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger schaffen. Ziel sei dabei: „Alle müssen wissen, woran sie sind.“
Bereits am Dienstag soll das Bundeskabinett die Vorlage verabschieden, dazu wurde die Kabinettssitzung einen Tag vorgezogen. In der kommenden Woche soll sich der Bundestag damit befassen. Dabei bot die Bundesregierung allen Fraktionen Gespräche über ihre Gesetzespläne an.
Mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes, mit der Kanzlerin Merkel umfassende Kompetenzen auf den Bund übertragen möchte, könnten anschließend die Bundesländer per Anweisungen aus dem Kanzleramt unter anderen zu einem harten Lockdown gezwungen werden – obwohl es möglicherweise lokal nur geringe oder keine Corona-Fälle gibt.
Schäuble möchte den Bundesrat umgehen
Bundestagspräsident Schäuble erklärte, ein neues Gesetz zur Stärkung der Kompetenzen des Bundes sei schnell machbar „wenn die Beteiligten alle wollen“. Dafür könnten die nächsten beiden Sitzungswochen „oder zur Not auch eine Sitzungswoche“ ausreichen.
Schäuble wirbt für die Beschleunigung in dieser Form: Entweder könne der Bundestag ein derartiges Gesetz auf den Weg bringen, „das die Bundesregierung ermächtige, bundeseinheitliche Regelungen für Corona-Maßnahmen zu erlassen.“ Dies erfordere die Zustimmung des Bundesrates. Andererseits könne der Bundestag ein Gesetz erlassen, das „bestimmte Regeln für die Länder“ vorschreibt. Diese Form müsse nicht durch den Bundesrat. Schäuble plädiert für diese Variante. Er erklärt, dass Details der Maßnahmen in den einzelnen Städten „immer noch auf die Situation ein Stück weit angepasst werden“ sollen, jedoch grundlegendes wie „ab einer bestimmten Zahl von Infektionen gelten bestimmte Maßnahmen“ der Bund gesetzlich regeln solle.
Die Eingangsformel eines jeden Gesetzes zeigt, ob es sich um ein vom Bundesrat zustimmungsbedürftiges oder nicht zustimmungsbedürftiges Gesetz handelt. Sie lautet entweder „Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen“ oder „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen“.
In der aktuell vorliegenden „Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (Infektionsschutzgesetzänderungsgesetz)“ steht: „Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen“ (Stand 9.4., 16:30 Uhr).
Das Grundgesetz geht vom Grundfall des nicht zustimmungsbedürftigen Gesetzes aus, Gesetze, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, sind explizit im Grundgesetz aufgeführt. Alle Gesetze, die nicht einer der dort genannten Materien zugeordnet werden können, sind sogenannte Einspruchsgesetze. Dabei ist der Einfluss des Bundesrates geringer, dieser kann lediglich Einspruch gegen das Gesetz einlegen und anschließend vom Bundestag überstimmt werden.
Laut dem geplanten Entwurf könnte der Bundesrat lediglich nach der Verabschiedung Einspruch einlegen.
Wie könnte der Bundesrat abstimmen?
Der Bundesrat ist die Vertretung der Länder und damit das föderative Bundesorgan Deutschlands. Nur diejenigen, die in einer Landesregierung Sitz und Stimme haben, können Mitglied im Bundesrat sein – die Opposition hat keine Möglichkeit, sich unmittelbar im Bundesrat Gehör zu verschaffen. Jedes Bundesland hat mindestens drei Stimmen, Bundesländer mit mehr als zwei Millionen Einwohnern haben vier, Länder mit mehr als sechs Millionen Einwohnern fünf, Länder mit mehr als sieben Millionen Einwohnern sechs Stimmen.
Damit kommt der Bundesrat auf 69 Stimmen. Die erforderliche absolute Mehrheit liegt bei 35 Stimmen und die manchmal notwendige Zweidrittelmehrheit bei 46 Stimmen. Der Bundesrat wird nicht gewählt. Nach Wahlen in den einzelnen Bundesländern ernennt die neu vereidigte Regierung die in den Bundesrat zu entsendenden Politiker.
In den Bundesländern regieren aktuell vielfältige Koalitionen, was die Abstimmungen verkompliziert:
„Stimmt nur ein Mitglied einer Koalition dagegen, muss sich das jeweilige Bundesland bei einer Abstimmung enthalten bzw. Stimmen splitten. Das macht man in der Regel nicht so gern, weil es je nach Wichtigkeit des Themas zu Unfrieden in der Zusammenarbeit führen kann. Beim Thema Corona dürfte es daher manch einem Partner schwerfallen, dem Wunsch der Partei, die den Ministerpräsidenten stellt, zu widersprechen“, schreibt der Autor Michael van Laack.
Van Laack rechnet: 17 Stimmen hätte Merkel sicher durch die Grünen und die bayerischen Freien Wähler. Die FDP in NRW sorgt vermutlich für weitere sechs Stimmen. In Bundesländern mit Dreierkoalitionen unter Führung der CDU mit den Grünen müssten SPD oder FDP einen Bruch ihrer Koalitionen riskieren – was zu weiteren 12 Stimmen für die Kanzlerin führen würde.
„Diese 35 Stimmen aus sieben Bundesländern würden bereits ausreichen, um das Gesetz mit 35:34 zu verabschieden.“ In den weiteren Bundesländern käme es vor allem auf die SPD und die Linkspartei an – diese müssten gegen den Vorschlag stimmen.
(Mit Material von afp)
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