Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann? SPD-Vorschlag für Windbürgergeld stößt auf Skepsis

Eine Art Prämie für den Verzicht auf Klagen gegen geplante Windkraftanlagen, umgedeutet als Belohnung für die Ermöglichung eines Ausbaus erneuerbarer Energien – das schwebt SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch vor, um Widerstände gegen Windparks zu brechen.
Titelbild
Windräder bei Lauterbach, Deutschland.Foto: iStock
Von 2. Januar 2020

Die „enorme Transformation“ der Energieversorgung unter dem Banner des „Klimaschutzes“, die zu den Leuchtturmprojekten der Großen Koalition zählen soll, droht allzu häufig an Details zu scheitern.

Oft regt sich Widerstand gegen das Umsatteln der Energieversorgung auf erneuerbare Träger erst in dem Moment, da ein Windpark in Sichtweite der eigenen Haustür errichtet werden soll. Dann jedoch kann er umso zäher ausfallen.

Aus Sicht von Union und SPD nimmt das mittlerweile Ausmaße an, die das ehrgeizige Projekt zu gefährden drohen. Wenn Deutschland das Weltklima retten soll, dürfen dem „langatmigen Planungsprozesse“ im Wege stehen. Bis 2030 soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung mindestens 65 Prozent betragen, derzeit liegt er jedoch erst bei 45.

Lärm, Stress und Vogelkadaver

Windräder sind nicht nur ihrer ungleichmäßigen Energieerzeugung wegen umstritten. Insekten und Vögel verenden massenhaft nach Kollisionen mit den Anlagen. Dazu kommt die mit ihnen verbundene Lärmbelästigung, Anwohner bestehender Windparks klagen über Stress, unruhigen Schlaf, Nervosität, Konzentrationsstörungen und mehr. Zudem schaffen brennende oder umstürzende Anlagen ein erhebliches Risiko für die Umgebung.

Deshalb wehren sich Bürger von Dörfern, Siedlungen und Ortschaften regelmäßig gegen geplante Windkraftanlagen in ihrer Nähe. Um die Situation zu deeskalieren, haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohngebieten und „dörflichen Strukturen mit signifikanter Wohnbebauung“ festzulegen.

Der Widerstand gegen geplante Windparks wollte indessen nicht abreißen. Deshalb klagte auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bereits im Rahmen des Windenergiegipfels im September über lange Genehmigungsverfahren und verzögerte Baugenehmigungen. Die Genehmigungsverfahren zögen sich immer mehr in die Länge, und es werde mehr geklagt. Die Situation sei so hoffnungsarm geworden, dass potenzielle Investoren immer öfter schon im Vorfeld eines möglichen Projekts das Handtuch warfen und der Bau von Anlagen „sehr stark eingebrochen“ sei.

Andernfalls will Miersch „über eine Reform des Planungsrechtes reden“

Die SPD wollte sich erst damit behelfen, dass die Kriterien für „signifikante“ Wohnbebauung enger gefasst werden, sodass Kleinstsiedlungen ab fünf Häusern, wie es Altmaier ursprünglich vorschwebte, nicht dazugehören. Mittlerweile will man in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe Möglichkeiten durchspielen wie eine Beteiligung von Kommunen am Umsatz der Parks.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch trat am Donnerstag (2.1.) gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ nun auch mit der Idee auf den Plan, betroffenen Anwohnern Direktzahlungen zu leisten – gegen deren Verzicht auf Klagen oder Einwände im Genehmigungsverfahren. Miersch gab der möglichen Leistung auch schon einen Namen – nämlich „Windbürgergeld“. Auf diese Weise würde die Zahlung als Belohnung für die Mitwirkung am Ausbau der erneuerbaren Energien geframet. Der Politiker fordert eine Einigung noch im Laufe des ersten Quartals.

Sollte auch das keinen Erfolg versprechen, will Miersch jedoch notfalls andere Saiten aufziehen.

So will er entsprechende Verfahren beschleunigen und „über eine Reform des Planungsrechtes reden, also über höhere Hürden, gegen die Windkraft vorzugehen“. Konkret will die SPD Möglichkeiten der Bürger einschränken, Windmühlen vor der Haustür auf dem Klageweg zu verhindern.

Dabei geht der Ausbau der Windkraft auch ohne Maßnahmen zur Ruhigstellung um ihre Energieversorgung und ihre Lebensqualität besorgter Bürger weiter. In der vergangenen Ausschreibungsrunde für Windenergie an Land zum Dezember 2019 erteilte die Bundesnetzagentur nach eigenen Angaben 56 Geboten mit einem Gesamtvolumen von gut 500 000 Kilowattstunden Windenergieleistung den Zuschlag – die Ausschreibung war demnach leicht überzeichnet. „Ob sich daraus eine Trendwende für die Windenergie an Land schlussfolgern lässt, muss sich jedoch noch zeigen“, erklärte die Behörde.

Grüne für „Vereinfachungen im Genehmigungsrecht“ für Windkraftanlagen

Zuspruch für Mierschs Vorstoß kommt erwartungsgemäß von den Grünen. Die Ökosozialisten, die im Fall anderer Infrastrukturmaßnahmen wie Autobahnen oder Flughäfen regelmäßig jedwede Einschränkung von Klagerechten von Anrainern und Verbänden zurückweisen, wollen, dass „die unsäglichen Pläne über bundesweit pauschale 1000-Meter-Abstandsregelungen vom Tisch kommen“. Dies äußerte Vizefraktionschef Oliver Krischer.

„Es ist gut, dass nun auch die SPD unser Modell einer Windprämie für Bürgerinnen und Bürger unterstützt“, zitiert ihn afp. „Wir sind gerne bereit, mit der Union und SPD über finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten zu sprechen und schnell zu Entscheidungen zu kommen.“ Es müsse auch „Vereinfachungen im Genehmigungsrecht“ für Windkraftanlagen geben.

Krisch kritisierte zudem, dass das Verkehrsministerium unter Andreas Scheuer (CSU) „weit über tausend Anlagen durch überflüssige und schikanöse Abstandsregeln zu Funkfeuern und Radaranlagen“ blockiere.

Die FDP wiederum kritisierte den Vorstoß Mierschs als „Versuch, den selbstverschuldeten Stillstand bei der Energiewende zu kaschieren“. Es sei zu befürchten, „dass diese Stillhalteprämie am Ende auf den ohnehin schon hohen Strompreis in Deutschland aufgeschlagen wird“, erklärte der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Martin Neumann. Er schlug stattdessen vor, den Dialog mit den Bürgern intensivieren.

„Bürger durch Bestechung zum Schweigen bringen“

Auch in sozialen Medien sind die Reaktionen auf das Vorhaben durchwachsen. So schrieb etwa Detlef Cordes:

Kohlestrom aus Polen und Atomstrom aus Frankreich importieren und #Windbürgergeld für die großflächige Minderung der Lebensqualität im Land zahlen – mit einem der höchsten Strompreise der Welt. Und wer anders zahlt das Windbürgergeld als die Stromkunden?“

Alex Blank meint:

Die SPD will neuerdings nicht nur durch Grundrente Wählerstimmen kaufen – Nein – sondern auch Bürger durch Bestechung zum Schweigen bringen.“

Aus Sicht von Karl Lauterbach ist ein solches „Windbürgergeld“ hingegen „die pragmatische Lösung für schnellere Energiewende. Wir können uns weder Stillstand noch lange ideologische Debatten leisten.“

(Mit Material von afp/dpa)



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