„Einwanderungsland Deutschland“: Fachkommission will „ein neues Wir schaffen“

Der jüngst präsentierte Bericht der Fachkommission der Bundesregierung über die Integrationsfähigkeit der deutschen Einwanderungsgesellschaft ist umfangreich. Einige Mitglieder meinen jedoch, es sei zu wenig von Problemen wie Terrorismus und Clan-Kriminalität die Rede.
Von 1. Februar 2021

Am 20. Januar hat die „Unabhängige Fachkommission der Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit“, die aus 24 Mitgliedern aus Wissenschaft und Praxis besteht, ihren Bericht an Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat übergeben.

Mittlerweile ist das mehr als 200 Textseiten umfassende Papier online abrufbar. Der Bericht enthält mittel- bis langfristige integrationspolitische Empfehlungen, die unter dem Motto „Gemeinsam die Einwanderungsgesellschaft gestalten“ zusammengefasst sind.

Deutschland bei Einwanderung weltweit auf Platz 2

Die Kommission will mit ihren Empfehlungen dem Umstand Rechnung tragen, dass sich Deutschland „in Europa zum mit Abstand wichtigsten Zielland für Migration“ entwickelt habe und weltweit in diesem Bereich nach den USA auf Platz 2 liege. Damit sei Deutschland „de facto ein Einwanderungsland“.

Zwar sei dies nicht in dem Sinne der Fall wie in den USA, Kanada oder den USA, wo die Zusammensetzung der Bevölkerung als solche bereits überwiegend auf Einwanderung zurückgehe, und im 19. Jahrhundert war Deutschland sogar ein Auswanderungsland. Nach 1945 sei Deutschland jedoch zur „Drehscheibe gewaltiger transnationaler und interner Migration“ geworden, die mit Flucht und Vertreibung begann, sich später mit Arbeitsmigration und Familiennachzug fortsetzte und heute in Form einer Zuwanderung stattfinde, die teilweise sogar höher liege als in klassischen Einwanderungsländern. Dafür sei nicht allein die in der öffentlichen Debatte dominierende Asylmigration entscheidend.

Keine ganz neutrale Formulierung“

Das Bekenntnis zum „Einwanderungsland Deutschland“, das die Autoren der Fachkommission ihrem Bericht voranstellen, beinhalte nicht die Aussage, dass „alle kommen sollten oder bleiben dürften“.

Neben Einreisekontrollen und legalen Zugangswegen für Fachkräfte, Familienmitglieder und Schutzsuchende zählten auch Abschiebungen zu den Realitäten einer Einwanderungsgesellschaft. So standen, wie der Bericht erwähnt, in den USA unter Barack Obama vier Millionen erteilten Erlaubnissen zum Daueraufenthalt auch 1,5 Millionen Abschiebungen gegenüber.

Deutschland entgegen der politischen Rhetorik früherer Jahre als „Einwanderungsland“ zu beschreiben, sei keine „ganz neutrale“ Formulierung, heißt es vonseiten der Kommission weiter. Man werde sie „durchaus so verstehen müssen, dass Einwanderung prinzipiell erwünscht ist und ermöglicht wird“. Es gehe dabei „nicht um offene oder geschlossene Grenzen, sondern darum, das Migrationsgeschehen politisch zu gestalten und hierfür in der Gesamtgesellschaft Akzeptanz zu gewinnen“.

Dauerhafter, ergebnisoffener Prozess

Von Einwanderern sollte gesprochen werden, sobald eine rechtliche Bleibeperspektive bestehe, also dass „die betreffende Person eine realistische Perspektive hat, dass sich ihr Aufenthalt früher oder später verfestigt, bis hin zur Einbürgerung“.

Migration sei ein integraler Bestandteil der deutschen Gesellschaft, heißt es in dem Bericht weiter, und sie werde auch die Zukunft prägen. Aus Sicht der Berichterstatter sei es deshalb erforderlich, ein „offenes Selbstverständnis von ‚Deutschsein‘ mit Zugehörigkeitskriterien zu entwickeln, die der Diversität des Einwanderungslandes Deutschland Rechnung tragen“. Auf diese Weise schaffe man „ein neues ‚Wir‘ und damit die Grundlage für ein gutes Miteinander“.

In diesem Sinne wolle man auch den Begriff der Integration „schärfen und seine Zielrichtung neu […] bestimmen“. Dieser solle „als möglichst chancengerechte Teilhabe und Teilnahme an den zentralen gesellschaftlichen Bereichen“ verstanden und von Migration und der Fokussierung auf Eingewanderte „entkoppelt“ werden. In diesem Kontext wird auch die Frage aufgeworfen, ob das Konzept des „Migrationshintergrundes“ in dem Sinne, wie es bis heute verstanden wurde, noch zeitgemäß sei.

Integration solle, so die Autoren, als ein „dauerhafter, ergebnisoffener und konflikthafter Prozess“ aufgefasst werden, der „in verschiedenen gesellschaftlichen Subsystemen und auf allen politischen Ebenen stattfindet und alle Mitglieder der Gesellschaft betrifft“. Am Ende sollten migrationsspezifische Fördermaßnahmen „so weit wie möglich durch solche ersetzt werden, die allen Menschen mit eingeschränkten Partizipationschancen zugutekommen“.

Bezirke mit hohem Migrationsanteil als Brückenköpfe für Einwanderer

Was Konzentrationen bestimmter Einwanderergruppen in bestimmten Stadtteilen anbelangt, zeichnet der Bericht ein differenziertes Bild. Zwar schadeten diese dem Spracherwerb und Anschlussmöglichkeiten an andere Gruppen, die einen sozialen Aufstieg begünstigen könnten.

Andererseits garantiere eine soziale Mischung in einem Quartier nicht, dass einkommensarme Haushalte bessere Aufstiegsmöglichkeiten hätten. Zum anderen stellten auch sozial eher homogene Netzwerke einkommensarmen Haushalten Ressourcen zur Verfügung. Quartiere, in denen viele Zugewanderte leben, könnten als Ankunftsorte und als „Brückenköpfe“ für Neuankömmlinge fungieren und Netzwerke sowie soziale Kontakte ermöglichen, die dem Fortkommen dienlich sein könnten.

Allerdings seien die Kommunen gefragt, durch „gezielte integrations- und stadtentwicklungspolitische Strategien“ die Entwicklung positiv zu beeinflussen.

Was ebenfalls als positive Entwicklung Erwähnung findet, ist die gestiegene selbstständige Erwerbsquote unter Einwanderern in Deutschland. Mittlerweile habe jeder fünfte Unternehmer im Land einen Migrationshintergrund, die Tendenz sei weiter steigend:

„Viele abhängig Beschäftigte arbeiten in einem Unternehmen, dessen Leitung selbst eingewandert ist oder von Eingewanderten abstammt, und die Tendenz ist steigend. Migrantische Ökonomie – hier definiert als Selbstständige und Unternehmer und Unternehmerinnen mit Migrationshintergrund – stellt in Deutschland heute schon, vorsichtig geschätzt, 3,4 Millionen Arbeitsplätze und damit einen beträchtlichen Teil der Arbeitsplätze in inhabergeführten Unternehmen.“

Corona-Lockdown trifft vor allem Unternehmer aus Migranten-Communitys

Allerdings räumt der Bericht ein, dass die Lockdown-Maßnahmen im Zeichen der Corona-Krise in überdurchschnittlichem Maße gerade diese unternehmerischen Strukturen treffen, die sich innerhalb der Einwanderercommunitys gebildet haben. Exakte Zahlen lägen noch nicht vor. Allerdings ließen offizielle Arbeitsmarktdaten erkennen, dass „bei den ausländischen Staatsangehörigen und insbesondere jenen der Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden die Arbeitslosenzahlen weit überdurchschnittlich gestiegen sind“.

Daten zur Kurzarbeit lägen in aufgeschlüsselter Form noch nicht vor. Allerdings sei davon auszugehen, dass die Corona-Maßnahmen vor allem ausländische Unternehmer in Deutschland oder solche aus Einwanderercommunitys träfen: „Sie sind weit überdurchschnittlich in Wirtschaftszweigen und Tätigkeiten beschäftigt, die physische Präsenz erfordern und nicht ins Homeoffice verlagert werden können, z.B. im Hotel- und Gastgewerbe, im Einzelhandel und in wirtschaftsnahen Dienstleistungen wie dem Reinigungsgewerbe und den Sicherheitsdiensten.“

Wohlwollender Säkularismus

Mit Blick auf religiöse Überzeugungen, die vor allem auf dem Wege der Einwanderung in Deutschland an Bedeutung erlangt haben, favorisiert die Fachkommission einen Ansatz, der vom europäischen Modell weg und hin zu einem wohlwollenden Verständnis von Säkularität geht, wie man es aus den USA kennt.

Die Kommunen, denen generell die wichtigste Rolle in der Integrationspolitik zugeschrieben wird, sollen demnach die Akzeptanz der religiösen Pluralität fördern. Dies solle unter anderem dadurch geschehen, dass „Sakralbauten wie Moscheen (mit stillen Minaretten) auch an repräsentativen Orten gebaut werden können, und damit verbunden Dialogprozesse angestoßen werden, die zur allgemeinen Akzeptanz beitragen“.

Bezüglich des Umgangs mit nicht-christlichen Feiertagen an Arbeitsplatz, an Schulen oder an Universitäten solle ein „bundesweiter Leitfaden mit pragmatischen Lösungen erarbeitet werden, der verschiedenen religiösen Bedürfnissen Rechnung trägt und zugleich institutionelle Abläufe nicht behindert“.

Die Fachkommission spricht sich für einen „offenen und bejahenden Umgang mit religiösen Festen“ und deren gemeinsame Feier insbesondere im Kindergarten- und Schulbereich aus. Unterschiedliche Religionen und ihre Traditionen und Inhalte seien „in einer toleranzfördernden Weise zu vermitteln“.

Nicht kirchlich verfasste Religionsgemeinschaften sollten in die Strukturen des Staatskirchenrechts einbezogen und als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden. Im Gegenzug sollen die Religionsgemeinschaften proaktiv an der Stärkung des sozialen Zusammenhalts mitwirken.

Abweichende Stellungnahme: „Fachkommission weigerte sich, Obergrenzen zu thematisieren“

Obwohl unter den Autoren des Berichts über die grundlegenden Aussagen und Stoßrichtungen Konsens bestand, äußerten drei von ihnen – nämlich Landrat Stefan Löwl, Jurist Daniel Thym und Ex-Integrationsbeauftragte Barbara John – abweichende Stellungnahmen.

Löwl kritisierte, dass die Fachkommission gleich zu Beginn beschlossen habe, sich mit Themen wie einer konkreten, zahlenmäßig bestimmten Obergrenze und Zuwanderungssteuerung nicht zu beschäftigen.

John würdigte zwar, dass die Kommission einen „längst fälligen Paradigmenwechsel vollzogen“ habe, indem sie sich dazu entschieden habe, „Integration nicht länger als eine Bringschuld von Eingewanderten zu postulieren und zu fordern“. Allerdings sollten, um eine Verbesserung der Verhältnisse für alle Beteiligten zu erreichen, Phänomene wie jenes, dass bei einer „hohen Zahl von jungen männlichen Asylbewerbern eine höhere Kriminalitätsbelastung festzustellen ist“, nicht „mit Erklärungen beiseite gewischt und bagatellisiert werden“.

Löwl, Thym und John schreiben zudem in einer gemeinsamen abweichenden Stellungnahme, sie befürchteten, dass die inhaltliche Ausgeglichenheit zwischen fördernden und fordernden Aspekten im Bereich der Integration „in der Rezeption zu kurz kommt, weil rein quantitativ bestimmte Fragen deutlich mehr Raum einnehmen als andere Themenfelder und Empfehlungen und damit der Eindruck eines vermeintlichen Ungleichgewichts entstehen kann“.

Mehrheit will „nicht gegeneinander aufrechnen“

So umfassten die Ausführungen über „Rassismus, Antiziganismus, Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus, Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus und Hasskriminalität“ beinahe 7.000 Wörter mit 26 Empfehlungen, während zum islamistischen Terrorismus und zur Clan-Kriminalität zusammen gerade einmal 1.000 Wörter und 4 Empfehlungen formuliert worden wären.

Zudem seien gerade die besonders aufwändigen und kostenintensiven Themenbereiche sehr kursorisch abgehandelt worden.

In einer Erwiderung, die ebenfalls dokumentiert wurde, erklärte die Mehrheit dazu, ein „Gegeneinander-Aufrechnen dieser Phänomene“ für „unangemessen“ zu erachten. Sie sei außerdem der Auffassung, dass man „Wortumfang nicht mit Gewichtung eines Themas gleichsetzen kann und dass Empfehlungen nicht nur mit Blick auf die zu erwartenden Kosten bewertet werden sollten, sondern in erster Linie im Hinblick auf die Sache und die Erfordernisse“.

 

 



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