Eklat zum 70. Jahrestag: Berliner Bezirksbürgermeisterin lädt 17.-Juni-Vereinigung aus
Am 17. Juni jährt sich zum 70. Mal der durch die sowjetische Armee und die DDR-Polizei blutig niedergeschlagene Volksaufstand in der sowjetischen Besatzungszone Berlins.
Auch im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf wird dazu eine Feierlichkeit stattfinden. Denn hier befindet sich der einzige von Teilnehmern des Aufstandes errichtete Gedenkort in Deutschland. Teilnehmer des Volksaufstandes stellten hier 1953 ein Holzkreuz auf. Die Bürgermeisterin des Bezirkes, Maren Schellenberg (Grüne), lud zu den Feierlichkeiten verschiedene Gäste und auch die Vereinigung 17. Juni 1953 ein. Doch dann gab es kurzfristig einen Rückzieher und sie lud den Verein wieder aus.
Für den Vorsitzenden der Vereinigung, Carl Holzapfel (78), kam dieser Rückzieher „völlig überraschend“. Denn zuvor wurde die Vereinigung, die 1957 von Teilnehmern des Volksaufstandes gegründet wurde, durch den Bezirk extra zu einer gemeinsamen Kranzniederlegung am „einzigen originären Denkmal“ zum 17. Juni in Deutschlands in Berlin-Zehlendorf eingeladen. Dort steht ein Holzkreuz und ein Gedenkstein ist dort aufgestellt.
Zudem sollte Holzapfel auf der Feier am 17. Juni eine Rede halten, wofür man extra die Feierlichkeit verlegte, da Holzapfel zuvor noch auf einer anderen Veranstaltung ist. Wenige Tage später dann der Rückzieher vom grün-regierten Bezirksamt.
Bezirksbürgermeisterin: „Wir haben nach Hinweisen recherchiert“
In der E-Mail vom 8. Juni an den Vorsitzenden der Vereinigung 17. Juni 1953, die Epoch Times vorliegt, schrieb Schellenberg: „Zu Ihrer Bereitschaft[,] anlässlich der Gedenkfeier am Holzkreuz zum Gedenken an den Aufstand des 17. Juni 1953 zu sprechen, haben wir nach Hinweisen recherchiert, und dabei erfahren, dass die Vereinigung 17. Juni 1953 e. V.[,] aber auch Ihre Person politisch nicht unumstritten sind.“
Man habe sich daher „nach gründlicher Abwägung“ entschlossen, auf der Veranstaltung nur offizielle Vertreter des Bezirks und der Gemeinde Kleinmachnow sowie eine kirchliche Vertretung sprechen zu lassen und damit auch auf seine Gedenkworte zu verzichten.
Man möchte damit sicherstellen, dass die Gedenkveranstaltung in einem würdigen, politisch neutralen Rahmen stattfinde, ohne Gefahr zu laufen, dass am Rande politische Auseinandersetzungen stattfänden, heißt es in der E-Mail weiter.
Vorsitzender der Vereinigung: „Ungerechtfertigter politischer Salto“
Für Holzapfel ist dieser „ungerechtfertigt politische Salto“ mehr als unsäglich. Was ihm neben der Tatsache, dass man die Vorwürfe nicht konkretisierte, besonders stört, ist, dass man, bevor ein Ausschluss stattfand, nicht das Gespräch suchte und die Vereinigung mit den „Hinweisen“ konfrontierte, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich dazu zu äußern.
Solch ein Verhalten eines Bezirkes gegenüber der Vereinigung habe es in den fast 70 Jahren des Bestehens der Vereinigung niemals zuvor gegeben, erklärt Holzapfel gegenüber Epoch Times.
Die Vereinigung reagierte prompt und wandte sich ebenfalls per E-Mail an die Bürgermeisterin: Hierin bedauere man die durch die Bürgermeisterin übermittelte Begründung, „die mit Verlaub eine ungeheure Argumentation durch eine gewählte Mandatsträgerin in einem Rechtsstaat“ sei.
Die Bürgermeisterin stelle Vermutungen in den Raum, ohne diese auch nur annähernd zu begründen. „Sie geraten damit in den Verleumdungsbereich gegen eine historische Vereinigung, die in den vergangenen sieben Jahrzehnten eine unermüdliche Arbeit für das Gedächtnis an ein großes historisches Ereignis für Deutschland und Europa geleistet hat, und ihren Vorsitzenden Herrn Carl Holzapfel, der für den Kampf für die Freilassung politischer Gefangener in der DDR zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.“
Keine konkreten Vorwürfe
Die Vereinigung bitte daher Maren Schellenberg „höflich, Ihre angedeuteten Vorwürfe zu konkretisieren, damit diese ggf. auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten können oder diese in aller Form zu korrigieren“.
Es sei überdies bedauerlich, dass „Sie mit Ihrer schrillen argumentativen Behauptung die über Jahrzehnte über Parteigrenzen hinweg gute Zusammenarbeit mit Ihren Vorgängern desavouiert haben.“
Der Vorstand kündigte an, dass die Vereinigung ungeachtet des Schreibens ein Gedenken „an der einzigen originären Gedenkstätte Deutschlands“ an den Volksaufstand in Zehlendorf durchführen wird.
Holzapfel war bereits Mitglied verschiedener Parteien. Im Jahr 2022 ließ er sich von der AfD für die Wahl zum Bundespräsidenten zur Bundesversammlung entsenden. Holzapfel trat als Redner auf der AfD-Konferenz zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes im Abgeordnetenhaus von Berlin am 9. Juni auf. Ob die Ankündigung seines Auftritts dort im Zusammenhang mit der Ausladung (E-Mail vom 8. Juni) steht, kann Holzapfel nicht ausschließen.
Der Bezirk war bis zum Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Aufstellung des Holzkreuzes
Nur eine Woche nach der Niederschlagung des Aufstandes am 17. Juni 1953 durch den Einsatz sowjetischer Panzer trugen einstige Aufstandsteilnehmer, die in den Westen geflüchtet waren, und Berliner Jugendliche ein großes Holzkreuz durch die West-Berliner Bezirke. Vom Potsdamer Platz kommend marschierte der Zug durch Friedenau über Steglitz nach Zehlendorf.
Dort wurde es gegenüber einem sowjetischen Panzer aufgestellt, der auf einem Sockel als „Ehrenmahl“ stand. Die „Vereinigung 17. Juni“ übernahm die Patenschaft für diesen neuen Gedenkort an der Potsdamer Chaussee in Zehlendorf, der so zu einem Denkmal wurde, das in Deutschland an den 17. Juni 1953 mahnt und erinnert.
Gewaltloser Widerstand nach Mahatma Gandhi
Carl-Wolfgang Holzapfel (Jahrgang 1944) wuchs in Berlin-Zehlendorf auf. Er wurde durch den Aufstand in Ungarn politisiert. Nach dem Mauerbau schloss er sich dem Gedanken des gewaltlosen Widerstandes nach Mahatma Gandhi an. Er führte mehrere Hungerstreiks an Mahnmalen von Maueropfern durch. Er wurde 1965 am Checkpoint Charlie nach einer Demonstration verhaftet und 1966 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seinem Freikauf Ende 1966 durch die BRD führte er seinen Widerstand gegen die Mauer bis zu ihrem Ende fort.
Nach jahrelangen Kämpfen erreichte er die Errichtung eines „Platz des Volksaufstandes von 1953“ in Berlin. Er ist seit 2002 Vorsitzender der „Vereinigung 17. Juni“, die von ehemaligen Aufständischen und Mitgliedern des „Komitee 17. Juni“ 1957 gegründet wurde. Er war 1965 erstmalig dort Mitglied.
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