„Energiewende“ wird zum Schreckgespenst – Vertrauen der Unternehmen auf dem Tiefpunkt

Die Energie wird weniger und deutlich teurer: Das ist der Eindruck, den die Energiewende bei immer mehr deutschen Unternehmen hinterlässt. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Studie des DIHK zu dem Thema.
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Immer weniger Hoffnung setzen deutsche Unternehmen der jüngsten DIHK-Untersuchung zufolge in die Energiewende.Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Von 4. September 2023


Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat in der Vorwoche sein diesjähriges „Energiewende-Barometer“ vorgestellt. Dazu hat der Verband 3.572 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen des Landes befragt. Das Ergebnis liegt nun auf knapp 20 Seiten vor – und ist für die Politik wenig schmeichelhaft. Die Energiewende wird nämlich zunehmend zum Schreckgespenst für Unternehmen in Deutschland.

DIHK spricht von einer „besorgniserregenden Entwicklung“

Hoffnung macht die Energiepolitik nur noch wenigen im Unternehmertum. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DIHK, Achim Dercks, machte anlässlich der Vorstellung deutlich:

Nie waren die Sorgen um die eigene Wettbewerbsfähigkeit größer.“

Hätten die Unternehmen früher eher die Chancen der Energiewende gesehen, überiege nun durchweg die Wahrnehmung der Risiken.

Weite Teile unserer Wirtschaft treiben die Sorge um eine auch mittel- und langfristig mangelhafte Energieversorgung stark um. Das ist eine insgesamt besorgniserregende Entwicklung, die wir alle sehr ernst nehmen sollten.“

Preisschock hat Energiewende ins Zwielicht gerückt

Auf einer Skala von minus 100 bis plus 100 stufen demnach nur noch 13 Prozent der Befragten die Energiewende als sehr positiv oder positiv ein. Eine negative Bewertung bezüglich des eigenen Geschäfts nehmen demgegenüber 52 Prozent vor. Der Gesamtwert ist von minus 7 in den beiden Vorjahren auf einen neuen Minusrekord von minus 27 gesunken.

In der energieintensiven Industrie bewerteten sogar drei Viertel die Energiewende als negativ. Selbst in Branchen wie Bauwirtschaft oder Dienstleistungen, die potenziell davon profitierten, trübe sich die Stimmung deutlich ein.

Vor allem der Energiepreisschock des Vorjahres und das Überstehen des vergangenen Winters lediglich aufgrund milder Witterung sorgten für Argwohn. Immer mehr Unternehmen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Immer mehr nicht umsetzbare Vorgaben zur Einsparung von Energie

In der Wirtschaft habe man nicht den Eindruck, dass die Politik ein schlüssiges Konzept zur Energiewende präsentiere. Vielmehr fehle es an Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik. Dies erklärten zumindest 60 Prozent der Befragten. Dercks dazu:

Die Unternehmen sehen sich zunehmend mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis kaum umsetzbar sind.“

Dazu kämen neue Einsparziele aus dem Energieeffizienzgesetz. Von diesen könne „niemand sagen […], wie sie ohne ein Herunterfahren der Produktion erreicht werden können“. Auch deshalb würden drei Viertel der befragten Unternehmen ihre Investitionstätigkeiten zurückfahren. Die Hälfte täte dies sogar in ihren Kernbereichen.

Dies sei definitiv kein Rezept für einen Aufschwung, den man brauche, um Krisen zu überwinden und die Transformation zur Klimaneutralität voranzubringen.

Wie lange hält die Verbundenheit mit dem Standort noch?

Fast ein Drittel der Industriebetriebe (32 Prozent) plane oder realisiere die Drosselung der Produktion im Inland – oder gleich eine Verlagerung ins Ausland, betont der DIHK. Dies sei eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.

Im Mittelstand gebe es zwar noch eine stark ausgeprägte Standorttreue. Dort sei auch die Bereitschaft höher, die Herausforderungen durch die Energiewende anzunehmen. Im Juli hatte eine Branchenumfrage des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft jedoch ergeben, dass auch dort die Stimmung kippe.

Demnach denken auch dort 26 Prozent über eine Aufgabe ihres Geschäfts nach. Außerdem erwägen 22 Prozent eine Abwanderung ins Ausland. Verbandschef Markus Jerger sieht „mehr als nur ein Warnsignal“ in den Ergebnissen.

Mehr als 80 Prozent der vom DIHK befragten Unternehmen forderten, im Bereich der Energieeffizienzmaßnahmen auf Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit zu setzen. Zudem müssten Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge besser werden, und Steuern und Abgaben auf den Strompreis müssten sinken.

Scholz sieht Ampel auf einem guten Weg – auch bei der Energiewende

In der Ampelregierung herrscht demgegenüber eine andere Sichtweise vor. Erst in der Vorwoche hatte Bundeskanzler Olaf Scholz eine Pressekonferenz anlässlich des Endes der Regierungsklausur in Meseberg gegeben. Darin hatte er erneut den „russischen Angriffskrieg“ in der Ukraine als wesentlichen Faktor für die hohen Energiepreise benannt.

Er sieht die Bundesregierung auf einem richtigen Kurs – und die Energiekosten sinken. Zudem würden die Milliardeninvestitionen in die wirtschaftliche Transformation „in den 2030er Jahren Wachstum generieren“. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeigte sich einige Wochen zuvor noch vorsichtiger. Er räumte ein, dass ein „Industriesterben“ in Deutschland drohe, würde es zu keinem subventionierten „Industriestrompreis“ kommen.

Ökonom Daniel Stelter hält diesen für den genau falschen Ansatz, da damit keine Ursache der hohen Energiepreise beseitigt werde. Auf Dauer lasse sich durch Subventionen nicht verbergen, dass man strukturell gegenüber Standorten wie den USA nicht mehr konkurrenzfähig sei. Nur noch Unternehmen, die auf die Subvention angewiesen wären, würden noch bleiben. Deutschland sei „auf dem Weg zum Armenhaus“.



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