„Erneuerbare“ verteuern zunehmend die Stabilisierung der Stromnetze

Deutschland hat immer stärkere Engpässe im Stromnetz. Gleichzeitig müssen die Netzbetreiber Strom aus Sonne und Wind abregeln – die Netze sind zu schwach dafür. Das führt zu hohen Kosten. Was hat die Regierung für Lösungen?
„Erneuerbare“ verteuern zunehmend die Stabilisierung der Stromnetze
2022 war das Energiemanagement in Deutschland sehr kostenintensiv.Foto: iStock
Von 17. Juli 2023

Die Netzbetreiber müssen die deutschen Stromnetze immer häufiger stabilisieren. Das kostete 2022 so viel wie noch nie, wie die Bundesnetzagentur in ihrem neuesten Bericht zum Netzengpassmanagement mitteilt.

4,2 Milliarden Euro musste im Jahr 2022 die Energiewirtschaft für entsprechende Maßnahmen aufwenden. Das ist weit über dem Vorjahresniveau, welches im Gesamtjahr 2021 noch bei 2,3 Milliarden Euro lag. Davon entfielen rund 0,9 Milliarden Euro auf Strom aus „erneuerbaren“ Energien, den die Versorgungsunternehmen aufgrund unzureichend ausgebauter Netzinfrastruktur nicht einspeisen konnten.

Die Kosten dafür legen die Stromanbieter über das Netzentgelt auf den Strompreis um. Somit tragen letztendlich die Stromkunden diese entstandenen Kosten.

Rekordmenge an Wind- und PV-Strom abgeregelt

Im Sektor der „Erneuerbaren“ musste eine Rekordmenge von gut 8 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom wegen Netzengpässen abgeregelt werden. Sprich: Sie wurden ausgestellt. Im Jahr 2021 waren es 5,8 Milliarden kWh. Das betraf überwiegend die Windkraft auf See (51 Prozent) und die Windkraft an Land (39 Prozent), wie die taz berichtet.

Ebenso ist beim Solarstrom wegen fehlenden Netzkapazitäten ein deutlich steigender Verlust zu beobachten. 2021 waren es 237 Millionen kWh, im Folgejahr bereits 620 Millionen kWh.

Noch bleibt die Photovoltaik mit knapp acht Prozent Anteil an den abgeregelten Mengen im Rahmen. Allerdings erwarten Fachleute für die nächsten Jahre einen starken Ausbau an PV-Anlagen, da die Bundesregierung gerade in diesem Bereich Tempo machen will. Daher dürfte auch hier die nicht genutzte Strommenge weiter steigen.

Der Begriff „erneuerbare Energien“ hat sich zwar gesellschaftlich etabliert, nach dem Energieerhaltungssatz ist Energie aber grundsätzlich nicht erneuerbar. Sie kann nur umgewandelt werden.

Redispatch deutlich höher

Unter Redispatch wird das Eingreifen von Übertragungsnetzbetreibern bei Netzengpässen verstanden, um bestimmte Bereiche vor einer Überlastung zu schützen.

Das gesamte Maßnahmenvolumen lag im Gesamtjahr 2022 bei rund 32.772 GWh. Es umfasst eben solche Anpassungen durch Redispatch, aber auch Countertrading und den Einsatz der Netzreserve. Im Vergleich zu 2021 (27.523 GWh) ist das Maßnahmenvolumen damit um rund 19 Prozent angestiegen.

Redispatch-Maßnahmen von 2017 bis 2022. Foto: mf/Epoch Times, Daten: BNetzA

Die Kosten für die Redispatch-Maßnahmen stiegen weitaus stärker an als das Maßnahmenvolumen. Die Bundesnetzagentur gibt für 2022 einen Betrag von rund 1,9 Milliarden Euro an. Ein Jahr zuvor waren es lediglich 594,5 Millionen Euro.

Das entspricht einem Kostenanstieg von gut 221 Prozent. Die Gründe hierfür liegen in der höheren Anzahl der Eingriffe sowie hauptsächlich im starken Preisanstieg für Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl.

Zu viel Wind und zu wenig Wasser

Die Zunahme der Eingriffe hatte laut „Blackout News“ verschiedene Gründe. So mussten die Netzbetreiber 2022 zeitweise überschüssigen Strom der Windkraftanlagen aufgrund starker Winde ausgleichen. Darüber hinaus führten niedrige Wasserstände des Rheins während zweier Niedrigwasserperioden dazu, dass Kohletransportschiffe nur teilweise beladen werden konnten. Dies führte wiederum dazu, dass mehrere Kraftwerke in Süddeutschland nur eingeschränkt betriebsbereit waren.

Zudem führte der massive Ausfall französischer Atomkraftwerke zu einem erhöhten Stromexport nach Frankreich und einer Verschärfung der Ost-West-Stromflüsse. Schließlich führte auch die Abschaltung des Atomkraftwerks Gundremmingen C Ende 2021 zu einer erhöhten Notwendigkeit des Redispatch.

Im Detail ist die Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG 2.0) zu berücksichtigen. Diese hat die Regeln für Redispatch und Einspeisemanagement geändert. Die Regelungen zum Einspeisemanagement von Erneuerbare-Energien-Anlagen und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wurden aufgehoben und in den Redispatch einbezogen. Somit hat sich das Meldeverfahren und demzufolge die Auswertesystematik geändert.

Im Bericht für 2022 sind erstmalig die Anpassungen der Einspeisung von „erneuerbaren“ Energien und die damit verbundenen Kosten der Redispatch-Mengen und -Kosten enthalten.

Masterplan der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat den sogenannten Masterplan 2.0 entworfen, um die deutschen Stromnetze zu stabilisieren. Der Masterplan 2.0 berücksichtigt die zunehmende Einspeisung von Wind- und PV-Strom in das Netz. Das Konzept sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, womit sich auch die Versorgungssicherheit erhöhen soll, berichtet die „Pressebox“. Zu diesen Maßnahmen gehören:

  • Der Ausbau der Stromnetze. Diese müssen ausgebaut werden, um die zunehmende Einspeisung von „erneuerbaren“ Energien zu bewältigen. Dies kann durch den Bau neuer Leitungen und Umspannwerke erreicht werden.
  • Die Entwicklung neuer Speichertechnologien. Speichertechnologien können dazu beitragen, die Schwankungen in der Stromeinspeisung von Strom aus Wind und Sonne zu glätten. Dafür plant die Bundesregierung den verstärkten Einsatz von Batteriespeichern, Pumpspeicherkraftwerken oder thermischen Speichern.
  • Die intelligente Steuerung der Stromnetze. Die Stromnetze könnten intelligenter gesteuert werden, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Hierfür sollen intelligente Messsysteme und Netzleittechnik zum Einsatz kommen.
  • Der Ausbau der Elektromobilität: Das Konzept sieht vor, mit Elektrofahrzeugen die Stromnetze zu stabilisieren. Dies liegt daran, dass Elektrofahrzeuge Energie aus dem Stromnetz beziehen und diese auch wieder in das Netz zurückspeisen könnten.

Mit E-Autos die Netze stabilisieren?

Mit der Mobilitätswende, also dem Umstieg vom Verbrennermotor auf ein Elektrofahrzeug, werden Autofahrer künftig womöglich stärker ans Stromnetz angebunden. Dies jedoch in zwei Richtungen. Neben dem Aufladen des E-Autos könnte es zu bestimmten Zeiten – bei Strommangel im Netz – auch bald ein Entladen des E-Autos geben.

Reine Stromer haben je nach Modell eine Kapazität von rund 15 bis 111 kWh. Rund 40 kWh verbraucht ein Einfamilienhaus pro Woche. So könnte während einer Dunkelflaute das E-Auto seinen gespeicherten Strom dem Netz zur Verfügung stellen. Das funktioniert allerdings nur, wenn es kurz zuvor ein ausreichend großes Zeitfenster mit Überschuss an „erneuerbarem“ Strom gab.

Die kombinierte Speicherkapazität der deutschen Elektroautos liegt laut „Tagesspiegel“ bereits jetzt über der aller deutschen Pumpspeicherkraftwerke. Je mehr Batterien im Netz, desto größer die Effekte. Vor allem bei Peak-Energienachfrage oder kurzzeitig schwankender Erzeugung von Erneuerbaren können die Batterien das Netz stabilisieren oder die Häuser versorgen.

Neu an dem Konzept ist die Skalierung der Lösung. Dank des neuen Standards ISO 15118-20 und der Anwendungsrichtlinie für bidirektionalen Leistungsfluss gibt es nun eine Schnittstelle zwischen Fahrzeug und Ladeinfrastruktur. Obwohl dies technisch bereits möglich ist, ist es wegen der deutschen und europäischen Regulierung noch nicht umgesetzt.

Wenn die entsprechenden Regulierungen stehen, kann dieses Verfahren relativ schnell umgesetzt werden. Dann müssten Autofahrer womöglich überlegen, wann sie mit dem Auto fahren müssen und wann sie zu Hause wie viel Strom benötigen – und wie das Wetter ist.



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