„Es ist eine ganz große Lüge, dass die Chinesen eine Diktatur brauchen“

Johannes Hano leitet das Büro des ZDF in Peking. Er glaubt nicht an wirkliche Veränderung im kommunistischen System, aber aus dem System: „Offene Diskurse – nichts fürchtet diese Partei mehr“
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(ZDF)
Von 16. Oktober 2009

Johannes Hano hat eine persönliche Verbindung mit China, die über seinen Beruf als Leiter des ZDF-Büros für Ostasien hinausgeht: Er ist mit einer Chinesin verheiratet, die beiden leben mit ihren zwei Kindern in Peking. Dass er dennoch zu jenen regimekritischen Journalisten in China gehört, die keinerlei Hoffnung auf wirkliche Verbesserungen in China sehen, solange die Kommunistische Partei an der Macht ist, wird am Donnerstagnachmittag bei einer Podiumsdiskussion im Konferenzraum des Pressezentrums der Frankfurter Buchmesse schnell klar.

„Ich bin persönlich relativ wenig optimistisch, dass seitens der Kommunistischen Partei irgendetwas in die Wege geleitet wird, das dabei helfen könnte, dass es wirklich zu einer freien Presse, Meinungs- und Versammlungsfreiheit kommt. Denn damit würde sich die Kommunistische Partei selbst zerstören. Es würde dann offene Diskurse geben – und nichts fürchtet diese Partei mehr“, schreibt Hano all jenen ins Stammbuch, die auf den Dialog, den diplomatischen Weg mit Chinas kommunistischem Regime setzen.

Entwicklung wie in Taiwan? Nicht mit der Kommunistischen Partei

Auf die Frage, ob es am Festland China auch eine Entwicklung wie ehemals in Taiwan hin zu Demokratie und Meinungsfreiheit geben könne, sagt Hano: „Ich bin kein Hellseher, ich glaube nur, aus systemimmanenten Gründen haben wir dann ein anderes politisches System. Die Kommunistische Partei – so, wie das System gebaut ist -, kann es niemals zulassen.“ Sie stehe über dem Gesetz, bestimme die Diskurse, sie hat den Führungsanspruch in allen Diskursen. Wenn sie auf einmal bereit wäre, öffentlich zu diskutieren über den Fortschritt, darüber, wie es weitergehen soll, dann wäre ihre alleinige Deutungshoheit vorbei. „Dann wäre auch das politische System, so wie wir es kennen, in China vorbei“, ist Hano überzeugt. Das bedeute jedoch nicht, dass sich nicht aus dem System heraus etwas entwickeln könnte. Hano: „Nur: Dann ist es nicht mehr das System.“

Und dann betätigt sich Hano doch als Hellseher: Es werde eine große Auseinandersetzung innerhalb der Kommunistischen Partei geben über den Weg für die Zukunft. Die gäbe es heute schon. „Ich kenne viele Kader, hohe Kader, die sehr offen, sehr liberal denken. Die sagen aber auch: „Wir müssen einen Weg finden, wie wir das in die Gesellschaft hineinbringen, ohne das System zu zerstören“, sagt der ZDF-Journalist. Und weiter: „Den haben sie nicht gefunden, und den werden sie auch nicht finden. Das System lebt davon, dass die Partei über allem steht. Wenn man das in Frage stellt, hat man das System nicht mehr.“

Westen sollte zu seinem Wertesystem stehen

Der Westen lasse sich „im Moment vorführen“, da er keine Bedingungen an das Geld knüpfe, das nach China fließt. Der ZDF-Korrespondent legt nach: „Ich würde mir wünschen, dass wir zu unserem Wertesystem, in dem wir groß geworden sind, genau so fest stehen wie die Kommunistische Partei zu ihrem.“ Er findet, dass sich Deutschland und der Westen nicht zum Spielball machen lassen sollten. „Das sind wir den vielen vielen Millionen Chinesen schuldig, die auch in Freiheit leben wollen“, so Hano. Und räumt am Podium auch mit einer hierzulande weit verbreiteten Ansicht auf – jener, dass China angesichts der Größe des Landes nur unter einer strengen diktatorischen Herrschaft existenzfähig sei: „Es ist eine ganz große Mär, eine Lüge, die verbreitet wird, dass die Chinesen eine Diktatur bräuchten, sonst könnten sie nicht leben.“

Deutsche Medien und ZDF in China unter Beschuss

Im Lügen-Verbreiten hat die chinesische Propaganda Übung. Auch über deutsche Medien. Im Moment schieße sich die chinesische Propaganda besonders auf ihn und das ZDF ein, sagt Hano. So berichte etwa die „Global Times“ regelmäßig über ihn und den Sender Unwahrheiten. „Eine besonders perfide Methode“, so der ZDF-Journalist. Dies führe wegen der weiten Verbreitung der Zeitung dazu, dass das ZDF bei seinen Recherchen in China Probleme bekommt. „Wenn die Leute hören, das  ZDF ruft an und möchte ein Interview machen, dann sagen sie: Oh Gott oh Gott, das sind doch die, die immer lügen.“

Derzeit gäbe es eine starke Trennung zwischen chinesischen Journalisten und Auslandsjournalisten, nach dem Motto: Okay, wir haben hier Pressefreiheit, ihr könnt das machen. Aber was wir mit unseren Leuten machen, das ist unsere Sache. Hano: „In der Praxis bedeutet das, dass Interviewpartner wie der Schriftsteller Liao Yiwu eingeschüchtert werden und ihm von der Geheimpolizei gesagt wird: „Du sprichst nicht mit den Ausländern, hast Du verstanden?“ Liao Yiwu hat gesagt, das ist ihm egal, da er ein mutiger Mensch ist. Aber ganz viele kommen in Zweifel, ob sie mit uns sprechen.“ Gleichzeitig wird dadurch den ausländischen Korrespondenten eine „ungeheure Verantwortung“ aufgeladen. Sie müssen sich, so Hano, im Vorfeld jedes Gesprächs überlegen: Bringen sie ihre chinesischen Informanten in Gefahr, wenn sie mit ihnen reden? Liao Yiwu durfte nicht zur Frankfurter Buchmesse anreisen. Er bekam keine Ausreisegenehmigung.

(ZDF)
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