Exklusiv-Interview mit H.-G. Maaßen: „Sehr reizvoll für Medien und Politiker, mit Ängsten zu arbeiten“

Mit einem sehr sachlichen, aber kritischen Rundumschlag beantwortete Dr. Hans-Georg Maaßen die Fragen der Epoch Times in einem exklusiven Interview. Die Themen drehten sich um Deutschlands augenblickliche politisch geprägte Situation.
Von 21. Januar 2021

Hans-Georg Maaßens Antworten im Interview der Epoch Times betreffen nicht nur Politiker, sondern auch Medien, insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen, auch die Kirchen und superreiche Meinungsmacher. Ebenso sind sie an die Bürger gerichtet, sich zu informieren und sich an der politischen Meinungsbildung zu beteiligen. Das Interview fand am 8. Januar in Berlin statt.

Maaßen, der ehemalige Präsident des Amtes für Verfassungsschutz, wurde 2018 als politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand versetzt, nachdem er im Gegensatz zum Regierungssprecher bei seiner Aussage geblieben war, dass es bei Demonstrationen in Chemnitz nicht zu „Hetzjagden“ gegen Ausländer gekommen war. Er ist Mitglied der CDU und in der WerteUnion und arbeitet jetzt als Rechtsanwalt in einer Kölner Kanzlei.

Epoch Times: Herr Dr. Maaßen, Sie haben einen gut besuchten Twitter Account, sind Sie jetzt ein Influenzer auf Twitter? Sie haben immerhin 73.000 Follower?

Maaßen: Ich verwende den Ausdruck nicht. Wenn ich Leute damit beeinflusse, mag es sein. Ich möchte gerne Menschen meine Sicht auf manche Dinge sagen, weil ich den Eindruck habe, dass sehr, sehr viele Leute es ähnlich sehen. Durch die Zuschriften, die ich täglich bekomme, werde ich darin bestärkt. Dass die Leute mir sagen, endlich sagt jemand das, was ich auch mir denke, aber ich brauche die Bestätigung. Endlich hat mal jemand den Mut, der nicht ein ganz einfacher gewöhnlicher Bürger ist, das so auszusprechen, und deswegen tue ich das.

ET: Worauf reagieren die Leser mehr, auf ihre kurzen Kommentare oder auf die Inhalte der geposteten Artikel ?

Maaßen: Sowohl als auch. Ich nutze Twitter auch gern, um interessante Informationen aus verschiedenen Quellen weiterzugeben, die nicht überall zu lesen sind. Sie werden gelikt und weitergegeben. Ein Beispiel war im vergangenen Herbst der Aufruf der Europäischen Kommission, Stellungnahmen zum Migrationspakt einzureichen. Ich habe nirgendwo in Deutschland davon gelesen, ich habe das dann getwittert. Die Folge davon war, dass dies dann offen in Deutschland diskutiert wurde, dass es einen derartigen Aufruf gab und auch die Frage, was sagt die Politik dazu.

ET: Die Frage ist ja auch, wieviel sagen die Medien dazu, oder wieviel wird davon überhaupt aufgegriffen?

Maaßen: Ja, Frau Lilge-Stodieck, das ist auch ein Grund, weshalb ich twittere. Wir haben Medien, und zwar die Mainstream-Medien, die in ihrer Welt leben, die eine bestimmte Politk vertreten. Ich muss sagen, ich finde es nicht gut, dass dieser Kanal, in dem die Medien schwimmen, immer enger wird und all das, was ‚draußen‘ ist, nicht mehr berichtet wird. Das kritisiere ich, kritisere ich vor allem mit Blick auf die öffentlich rechtlichen Medien, die dazu verpflichtet sind, in aller Breite zu berichten, aber auch in aller Breite zu kommentieren und einzuordnen. Das nehme ich dort nicht mehr wahr.

ET: Es gibt eine Frage aus unserer Redaktion: Was müssen Politiker tun, um das Vertrauen des Volkes zurückzuerhalten, und umgekehrt, was muss das Volk tun, damit Politiker ihm wieder zuhören, oder haben sie das überhaupt nie gemacht?

Maaßen: Mein Eindruck ist, die Menschen vertrauen in Deutschland viel zu leicht. Mein Patenonkel, Jahrgang 1914, kurz nach der Jahrtausendwende gestorben, hatte früher einmal gesagt, die Deutschen hätten aus dem katastrophalen zwanzigsten Jahrhundert die Schlussfolgerung ziehen sollen: Wir sollen weniger unseren Politikern, unseren Journalisten und auch unseren Priestern vertrauen. Da muss ich immer wieder dran denken, wie leichtgläubig die Leute 1914 waren, wie leichtgläubig sie 1933 waren, wie viele Menschen noch 1945 an den Endsieg geglaubt hatten. Und das waren mit Sicherheit nicht wenige Gläubige gewesen. Und diese Gläubigen, die gibt es immer wieder, und sie glauben Journalisten, sie glauben Politikern.

Ich will nicht sagen, dass man grundsätzlich misstrauen sollte, aber man sollte zweifeln. Man sollte bei allem, was Politiker und Journalisten und andere einem sagen und versuchen beizubringen, immer wieder versuchen zu fragen und selbst zu denken. Das vermisse ich in Deutschland.  Diese Leichtgläubigkeit und Naivität ist, das muss ich sagen, manchmal schon köperlich unerträglich. Da denke ich an Schopenhauer, der einmal gesagt hatte, er wollte gerne, dass das auf seinem Grab steht, dass er die Deutschen verabscheut wegen ihrer unerträglichen Dummheit. Das ist ein – das muss ich sagen – sehr harter Spruch, er hat wohl gesagt überschwänglichen Dummheit. Das ist ein sehr, sehr harter Spruch, aber ich muss immer wieder daran denken, wenn ich an die Leichtgläubigkeit der Leute denke, auch jetzt in der Corona-Situation, dass sie all dem hinterherlaufen, was im öffentlich rechtlichen Rundfunk erzählt wird, und noch nicht einmal ansatzweise das hinterfragen oder anzweifeln.

ET: Mit Angst kann man dem Deutschen wohl leicht etliches einreden?

Maaßen: Ich bin immer sehr zurückhaltend zu sagen „die Deutschen“ und die Deutschen sind anders als andere Menschen. Das möchte ich nicht gerne so sagen. Ich glaube, dass es für Politiker und für Medien sehr reizvoll ist, mit Emotionen zu arbeiten, Menschen zu emotionalisieren, mit Neid zu arbeiten, mit Angst zu arbeiten, mit Hass zu arbeiten. Man braucht gar nicht mehr zu argumentieren, man braucht auch keine Sachdiskussion mehr zu führen, wenn man emotionalisiert.

Und was ich bei der Corona-Diskussion erlebe, ist, dass Politiker und Medien ein Biotop bilden und sich stückweise weigern, Fragen zu beantworten und eine Sachdiskussion zu führen, stattdessen emotionalisieren und Ängste schüren. Eine Frage, die, so glaube ich, viele Leute beschäftigt, ist, warum ist dieses Land nicht in der Lage, die Menschen, die Toten zu zählen, die an Corona gestorben sind und nicht mit Corona. Warum wird immer von Inzidenzen gesprochen, warum wird nicht gesagt, die Zahl der Menschen, die an Corona gestorben sind, beträgt … und ist gestiegen oder gefallen. Warum wird nicht die Übersterblichkeit mit 2018 verglichen und so weiter… Es drängen sich sehr, sehr viele Fragen auf, die man haben kann. Was ich derzeit wahrnehme, ist eine komplette Verweigerung, Fragen zu beantworten, sondern nur Angst zu schüren, Emotionen zu schüren, und das halte ich für verwerflich.

ET: Was kann man da tun? Was kann man als Bürger tun?

Maaßen: Ja, wie ich vorhin sagte, der Bürger muss seinen Verstand gebrauchen, er muss auch einmal sich selber sagen, ist das, was alles mir hier erzählt wird, vertrauenswürdig? Muss ich nicht zweifeln, muss ich mich nicht selbst informieren, muss ich nicht auch mal Gegenmedien lesen oder alternative Medien lesen. Und er muss auch mehr auf seinen Verstand hören als auf seine Emotionen, gerade bei einem Thema wie Corona.

ET: Und wenn er verstanden hat, dass er in die Irre geleitet wurde, was soll er dann tun? Wir haben ein Klima, das aus Hass, Hetze, Diffamierung und Denunziation, dazu wird sogar öffentlich aufgerufen, besteht. Dann zieht er sich zurück und schweigt, ist das nicht fast noch schlimmer?

Maaßen: Schauen Sie, was die Menschen machen müssen, ist, sich politisch betätigen. Auch der einfachste Mensch kann sich politisch betätigen, indem er in eine Partei eintritt. Viele haben – aus meiner Sicht  –  den Fehler gemacht, aus den Parteien auszutreten, weil sie mit der Politik nicht mehr zufrieden sind. Das hat diejenigen gestärkt, die diese Politik gemacht haben und dafür verantwortlich sind.  Stellen Sie sich mal vor, es würden sich jetzt 200.000 Menschen entscheiden, in die CDU einzutreten. Ich glaube, wir hätten eine andere CDU als die, die wir heute haben. Und nicht nur in die CDU eintreten, sondern auch in die WerteUnion.

ET: Könnten Sie bitte ein paar Worte der Erklärung zur WerteUnion sagen, sie ist noch nicht sehr weit bekannt.

Maaßen: Ja, die WerteUnion ist ein vor ein paar Jahren gegründeter Verein von Mitgliedern von CDU und CSU, die mit der jetzigen Politik der Parteiführung nicht einverstanden sind. Die eine Politik möchten, wie sie noch vor etwa zwanzig Jahren in der Politk angelegt war, eine christdemokratische Politik und keine sozialdemokratische Politik. Die WerteUnion bezeichnet sich als marktliberal und konservativ. Ich sehe sie weniger als konservativ, als jedenfalls eine Gruppierung von Mitgliedern der CDU und CSU, die im Grunde genommen eine realistische Politik wollen, eine rechtsstaatliche und demokratische Politik.

ET: Mit anderen Worten,  Sie halten den augenblicklichen Kurs für vollkommen aus der Balance geraten, verglichen mit dem, weswegen Sie einmal in die CDU eingetreten sind?

Maaßen: Das ist nicht mehr die CDU von Konrad Adenauer und von Helmut Kohl.

ET: Was passiert, wenn Bürger ihre Abgeordneten, ihre Bundestagsabgeordneten besuchen, hat das einen Einfluss?

Maaßen: Ich glaube, das hätte Einfluss, das würde deutlich machen, dass Bundestagsabgeordnete auch nur Angestellte ihrer Arbeitgeber, nämlich der Bürger sind.

ET: Wir bekommen auch Zuschriften, die Abgeordneten würden von den Parteien bezahlt, aber sie werden ja von den Bürgern bezahlt.

Maaßen: So ist es, der Bundestagsabgeordnete erhält seine Diäten, sein Salär schließlich vom Staat, vom Bund, das heißt letztendlich Steuermittel der Bürger.

ET: Kommen wir jetzt zum Thema Lockdown. Sie haben die Siegener Zeitung auf Twitter verlinkt. Diese Zeitung hat etwa 1000 Leser befragt, ob sie dafür sind, den Lockdown aufzuheben oder zu verschärfen. Also, über 81 Prozent haben sich gegen eine Verlängerung des Lockdowns ausgesprochen [Anm. der Red.: das war am 6. Januar, der Link existiert noch, die Seite ist aber nicht mehr aufrufbar]. Warum die Siegener Zeitung, ein relativ kleines Blatt?

Maaßen: Ich fand es gut, dass überhaupt eine derartige Umfrage gemacht wurde. Ich habe sie ansonsten nirgendwo so wiedergefunden. Ich muss sagen, ich fand die Zahlen beeindruckend, über 80 Prozent gegen einen Lockdown. Sie sagen selbst, das wäre nicht repräsentativ, das muss man natürlich im Hinterkopf haben, aber das ist natürlich eine deutliche Zahl. Und ich dachte, wenn es 51 oder 48 Prozent wären, würde es vielleicht darstellen, was ich gefühlt hätte, weil die Gesellschaft gespalten ist. aber das ist aus meiner Sicht eine eindeutige Aussage, über 80 Prozent. Und das macht auch deutlich, dass auch sehr, sehr viele Leute sehr kritisch sind gegenüber dem Lockdown. Und was ich in meinem privaten Umkreis wahrnehme, meinem beruflichen Umkreis wahrnehme, bestätigt das in gewisser Hinsicht.

ET: Könnten Sie dazu auch ein Beispiel erzählen?

Maaßen: Also, ob das nun Geschäftleute sind, oder ob das Freunde und Bekannte sind, die verstehen den Lockdown nicht. Es sind alles keine Corona-Leugner, das sind Menschen, die sagen, wir müssen uns vor Corona schützen, der eine sieht es skeptischer als der andere, weil er vielleicht etwas älter ist oder auch zur Risiko-Gruppe gehört. Sie alle haben Verständnis dafür, dass man eine sehr, sehr harte Corona Bekämpfungspolitik machen muss, aber die Frage ist die der Verhälnismäßigkeit.

Verhälnismäßigkeit bedeutet in der Hinsicht, ist das Mittel überhaupt geeignet, ein Lockdown? Ist das Mittel überhaupt erforderlich, oder gibt es andere Mittel? Und ist das angemessen, was wir hier machen? Und daran bestehen Zeifel. Und als Jurist habe ich die juristische Dreifaltigkeit bei der Verhälnismäßigkeitsprüfung so oft gelernt, und ich verstehe einfach nicht, warum bei der Bekämpfungspolitik von Corona und jetzt beim Lockdown dies hier nicht gemacht wird und warum das der Öffentlichkeit auch nicht im Einzelnen dargestellt wird. Warum es erforderlich ist, warum ein Lockdown geeignet ist, und warum es angemessen ist. Ich habe meine Zweifel, schon allein deshalb, weil die Politik sich dazu verschweigt.

ET: Damit kommen wir wieder zu dem Angst-Thema, und das scheint auch die Polizei in große Schwierigkeiten zu bringen. Das Verhalten der Polizei bei Festnahmen auf Demonstrationen habe ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen in Deutschland. Sind die jetzt speziell dafür geschult?

Maaßen: Nun ja, die Ausbildung der Polizei umfasst natürlich auch solche Festnahmen und Fixierung von Personen. Das lernt man natürlich in der Polizeiausbildung. Wie weit man deeskalierend tätig ist, wie weit man offensiv tätig ist, hängt natürlich von der jeweiligen Lage und der Polizeiführung ab. Und Polizeibeamte sind Exekutivbeamte, sie haben grundsätzlich Weisungen auszuführen. Und sie haben diese Weisungen grundsätzlich nicht infrage zu stellen, es sei denn, es ist rechtswidrig, und zwar offensichtlich rechtswidrig, und vorher haben sie auch zu remonstrieren, wenn sie diesen Eindruck haben. Aber grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass Polizeibeamte die Weisungen, die sie empfangen, letztendlich auch ausführen.

ET: Meine Frage geht eigentlich dahin, wer schult diese Polizisten so, dass sie wirklich brutal sind bei den Festnahmen von alten Leuten, von Menschen, die sich nicht wehren. Das wird wohl eines Tages diesen Beamten auch selber leid tun. Könnten Sie noch etwas über das Remonstrieren sagen?

Maaßen: Remonstrieren bedeutet, dass der Beamte gegenüber seinen Vorgesetzten eine Verpflichtung hat, ihn zu belehren und darauf hinzuweisen, wenn er den Eindruck hat, dass eine Weisung oder ein Befehl, den er erhalten hat, rechtswidrig ist. Und wenn er dies tut, hat er sich damit auch seiner eigenen Verantwortung ein stückweit entledigt. Er ist verpflichtet, das zu tun, und der Vorgesetzte muss es prüfen, ob die Remonstration auch begründet ist, und wenn er zu dem Ergebnis kommt, sie ist nicht begründet, dann hat der Beamte grundsätzlich zu gehorchen.

ET: Wirkt sich das auf seine Karriere aus?

Maaßen: Ich sage mal so, es gibt zwei Aspekte bei einer Karriere zu berücksichtigen, die einen Aspekte stehen im Gesetz, die Leistung, Eignung und Befähigung sind bei jeder Beförderung zu berücksichtigen. Das andere steht nicht so ohne weiteres im Gesetz drin, das ergibt sich aus dem zwischenmenschlichen Zusammenleben, wo dann der Vorgestzte den Eindruck hat, der eine ist vielleicht geeigneter für die Funktion als der andere.

ET: Jetzt machen wir einen weiteren Sprung und ich möchte Sie bitten, zu einem Thema Stellung zu nehmen, zu dem Sie sich schon an anderer Stelle geäußert haben, nämlich dem von Klaus Schwab propagierten großen „Reset“, der so verlockend klingt.

Maaßen: Ich verstehe unter dem, was Klaus Schwab und auch andere in Davos und auch anderswo diskutieren, eine Transformation und auch Umgestaltung unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Es wird auch von einer großen Transformation gesprochen, darunter ist zu verstehen, dass die Wirtschaft zum Beispiel klimaneutral werden sollte, dass die Gesellschaft auch klimaneutral werden sollte, dass es auch eine Veränderung geben sollte beim Umgang mit Ressourcen, auch beim Transfer von Finanzmitteln von der nördlichen Hemisphäre in die südliche Hemisphäre, wo es einen großen Ausgleich geben sollte.

Das sind so politische Fantasien, die zu Papier gebracht werden, und über die auch gesprochen wird, die ich teilweise in den  Bereich der politischen Romantik reinbringen würde. Weil das Leute sind, die aus meiner Sicht sehr, sehr weit vom normalen Leben der Menschen entfernt sind, die wahrscheinlich sehr begütert sind, die in ihrer Blase leben und meinen, an einem Tisch sitzen zu können und vorschreiben zu können, wie die Welt in zwanzig oder fünfzig Jahren aussehen sollte.

Derartige Gedankenspielereien machen mir Sorgen, weil sie mich an kommunistische Gedankenspielereien erinnern, wo kommunistische ‚Pseudowissenschaftler‘ am Tisch saßen und herumfantasierten, wie die Menschen zu leben haben. Wir hatten in der Vergangenheit leider so viele dieser Pseudowissenschaftler, die die Menschen ins Unglück gestürzt hatten, die für Millionen von Toten verantwortlich waren, indem es immer wieder Versuche gab zur Revolution zu kommen. Damals nannte man es Revolution und nicht große Transformation oder großen Reset, in dem man Menschen zwingen wollte so zu leben, nicht wie die Menschen leben, sondern wie sich das die Pseudowissenschaftler vorgestellt haben.

Was ich an all diesen Gedanken besonders furchtbar finde, ist diese Arroganz und Verachtung gegenüber den einfachen Menschen, dass sich Leute anmaßen, in einer Situation zu sein, in der sie sagen, ‚ich weiß viel mehr, ich weiß, wo die Schlüssel für die Lösung aller Probleme liegen‘, und diese einfachen Menschen mit ihren alltäglichen Problemen, mit ihrem Urlaub und mit ihrer Arbeit, ‚die sollen gehorchen‘. Das ist eine Denkweise, die totalitär ist, die ich zutiefst ablehne, und die ich auch für verfassungsfeindlich halte.

ET: Es wird berichtet, dass in Davos davon die Rede war, dass die Politiker gar nicht mehr wissen, was sie mit den Menschen anfangen sollten. Müssen Politiker mit uns etwas anfangen, sind sie nicht wirklich unsere Angestellten, denen wir zu sagen haben, wo es langgehen könnte?

Maaßen: Wissen Sie, wenn man in einer liberalen Demokratie aufwächst, ist es in der Tat so, dass der Bürger der Arbeitgeber ist und die Beamten und die Politiker sind deren Angestellte. Und wenn sie nicht spuren, werden sie gefeuert. So sieht eine liberale Demokratie aus und das ist auch richtig so. Politiker haben nichts anderes zu tun, als die Interessen des Volkes zu vertreten. Und wenn sie auf die Idee kommen, wirklich eigene Interessen zu vertreten, oder über großen Reset herumspinnen, dann muss man diese Leute feuern, das ist eine liberale Demokratie.

Ich spüre allerdings, dass es viele Politiker gibt, die eine andere Perspektive haben, und das merke ich, wenn sie über Menschen reden, und diese für sie eigentlich nur noch die Masse sind. Massen. Das ist, was ich vorhin ansprach, die große Verachtung gegenüber den Menschen. Das ist nicht mehr das Individuum, sondern das ist die Masse, die wir lenken und steuern können. Der Begriff Masse ist eigentlich ein schöner leninistischer Ausdruck. Jemand, der lange Lenin studiert hat, der kennt nicht mehr das Individuum, er kennt im Grunde genommen nur die Masse.

Da kann man auch erkennen, es kommen im Grunde genommen nun die Kapitalisten aus Davos mit den Leninisten wieder zusammen, nämlich in der gemeinsamen Verachtung des einfachen, des gewöhnlichen Menschen.

ET: Damit sind wir schon fast beim Thema China gelandet, die ja das schon exerzieren. Wobei ich sagen möchte, es handelt sich um Probleme, welche die Kommunistische Partei Chinas bereitet, nicht China. Auch dort wird über Medien manipuliert. Wenn dann auch bei uns Medien an einem Strang ziehen, ob sie erpresst werden, ob sie bezahlt werden oder sogar daran glauben, sei dahingestellt. Mit der schnellen Verbreitung im Internet entsteht ein weiteres großes Problem.

Maaßen: Es ist in der Tat so, die Medien sind im Grunde genommen die Gatekeeper, sie sind die Toröffner und die Torwächter zu den Menschen. Und in der Vergangenheit in totalitären Systemen waren es die Imame oder die Kirchen gewesen, die in ihren Predigten die Gatekeeper waren, den Menschen die Informationen übermittelten, dann ist es auf die Journalisten übergegangen und jetzt ist es von den Journalisten in Teilen auf das Internet übergegangen. Und die da Gatekeeper sind, sind Leute wie Zuckerberg oder die Eigentümer von Twitter, die endlich dann entscheiden können, oder von Youtube, die entscheiden können, was zulässig und was nicht zulässig ist. Was diese Einzelpersonen für richtig halten. Deswegen war es immer die Idee der kommunistischen Revolution gewesen, zunächst einmal die Gedanken der Menschen beeinflussen zu können, und zwar über die Medien.

Erst die Medien in die Hände zu bekommen. Und so sehe ich es auch bei uns in Deutschland, den langen Marsch durch die Institutionen hat man zunächst an den Universitäten entwickelt und dann über die Medien weiter verbreitet. Auch bei jedem Regimewechsel versucht man zunächst einmal, die Medien in die Hand zu bekommen und nach den Medien erst das Parlament zu stürmen. Was ich jedenfalls wahrnehme, ist, dass ein großer Teil der Medien wirklich mainstreamartig ist. Was die Hintergründe dafür sind, kann man lange diskutieren, dazu müsste man auch in Eigentümer- und Besitzerverhältnisse gehen, auch in Seilschaften, Redaktionen. Es wird genügend Gründe geben. Entscheidend ist, sie sind einfach so. Und deswegen ist es notwendig, dass man eine Gegenöffentlichkeit aufbaut.

ET: Was wir versuchen. Wir sind ja auch ein Medium auf der Suche nach der Wahrheit, die wir nach Kräften dann auch veröffentlichen. Womit wir schon wieder bei den Seilschaften sind. Sich zusammenzutun und Seilschaften zu bilden, ist etwas, was die Kommunistische Partei Chinas exzellent  beherrscht und worauf der Westen gern hereinfällt. Niemand merkt, was im Hintergrund noch alles läuft, wollen Sie etwas dazu sagen?

Maaßen: Jedenfalls weiß ich, dass ich noch zu wenig weiß. Es gibt auch bei anderen Staaten die Methode, ganze Länder in wirtschaftliche Abhängigkeit zu bringen und sie damit erpressbar zu machen. Das habe ich bei China schon sehr früh wahrgenommen.

Die 14 Dienstreisen der Bundeskanzlerin nach China haben auch dazu geführt, dass wir in eine wirtschaftliche Abhängigkeit zu China gekommen sind. Und dass Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutschland von China abhängig sind. Dass wir technologisch von China abhängig sind, obwohl wir vor zwanzig Jahren wesentlich weiter waren.

Das führt mich auch zu dem Punkt, dass es nicht nur eine Abhängigkeit ist, sondern dass jedenfalls diese enge wirtschaftliche Zusammenarbeit zu einem immensen Devisentransfer von hier in Richtung China geführt hat, mit der Folge, dass eben auch China in der Lage war, sich so aufzubauen, technologisch wie China jetzt aufgebaut ist, und dass es auch einen immensen technologischen Knowhow-Transfer von hier nach China gab. Und das mit einem erzkommunistischen Staat, mit dem totalitären Rotchina. Früher habe ich in der Schule noch von Rotchina gesprochen, heute tut man so, als ob es eine Demokratie wäre.

ET: Ich erlebe auch bei vielen, die mal als Touristen in China waren oder auch geschäftlich, die sagen, ja das funktioniert da alles so wunderbar, so schnell, und die würden niemals so lange brauchen, einen Flughafen zu bauen, aber niemand schaut dahinter, womit die Bevölkerung das bezahlen muss.

Maaßen: In der Tat, das haben auch Leute 1937 oder 1938 gesagt, oder als sie zu den Olympischen Spielen nach Berlin kamen, wie wunderbar alles unter Hitler funktionierte. Man hat damals im Westen, Großbritannien oder USA, nicht darüber nachgedacht, dass das ein totalitärer, ein faschistischer Staat war, besser ein nationalsozialistischer Staat war, während China ein internationalsozialistischer Staat ist.

ET: Auch da wieder die Frage, was tun?  Was tun, wenn wir durch diesen Lockdown in einen wirtschaftlichen Abgrund stürzen? Wenn der fortgeführt wird, nicht jetzt gleich. Wenn der fortgeführt wird!

Maaßen: Was tun, ist eine sehr verlockende Frage, die hat sich Lenin schon 1903 gestellt und hat ein 300-seitiges Buch darüber geschrieben. Was man tun kann. Manches kann man auch von Lenin in der Hinsicht lernen. Nämlich, dass es wichtig ist, die Bevölkerung – und er sprach von der Masse – zu informieren. Und er war in der Situation gewesen 1902, dass es bis auf einige Parteizeitungen im Grunde genommen keine Zugänge zur Bevölkerung gab.

Was wichtig ist, dass wir die Bevölkerung informieren. Wir müssen die Bevölkerung informieren über die Probleme, die es gibt, die Fragen, die nicht beantwortet werden von den Politikern und den politisch Verantwortlichen, über Zahlen, die es gibt; Informationen verbreiten, die Mainstreammedien nicht verbreiten wollen. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Schritt, dass man noch viel stärker alternative und Gegenmedien nutzt.

Und was die Frage Abgrund angeht, ich meine, wir sind schon ein Stück gefallen, irgendwann wird der Aufprall kommen. Es wird ein ökonomischer Aufprall werden, es wird vielleicht noch ein Jahr, zwei Jahre dauern, ich weiß nicht, wie lange man das noch hinauszögern kann. Was ich an den deutschen Börsen wahrnehme, aber auch bei den Sachwerten, das ist schon eine Inflation, ein DAX, der aus meiner Sicht keine 14.000 Punkte wert ist, ist in den letzten acht, neun Monaten dermaßen hoch gestiegen, dass man eigentlich sagen muss, das ist eine Flucht in Sachwerte. Das ist eine Inflation, und die werden wir wahrscheinlich irgendwann auch mal im Einkaufswagen erleben, dass eben das Bier, die Butter deutlich teurer werden. Das wird, so meine ich, auf uns zukommen, das wird dann möglicherweise ein böses Erwachen geben oder der Aufprall werden.

ET: Herr Dr. Maaßen, ich danke Ihnen für das Gespräch, das zwar keine rosigen Zukunftsaussichten ins Visier nehmen kann, aber doch die Aussicht, dass Menschen aufwachen und sich beteiligen an der Meinungsbildung und vernünftig werden und diese Vernunft auch von den Politikern verlangen. Herzlichen Dank.

Maaßen: Sehr gerne.

Das Gespräch führte Renate Lilge-Stodieck.



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