Faeser: „Habe Schönbohm nicht wegen Böhmermann entlassen“ – Bescheid weckt Zweifel
Als Opfer der Union, die gegen sie aufgrund des Hessen-Wahlkampfs „mit Dreck werfen“ wolle, sieht sich zurzeit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Dies erklärte sie jüngst im Rahmen einer Bundestagsdebatte – und nun auch in einem Interview mit „Bild“. Hintergrund ist die Versetzung des früheren Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm.
Die Opposition wirft Faeser vor, den Beamten ohne weitere Prüfung aufgrund von Behauptungen eines TV-Satirikers aus seinem Amt entfernt zu haben. Später soll Faeser sogar den Verfassungsschutz dazu aufgefordert haben, Schönbohms Umfeld auszuleuchten. Ziel des Vorgehens soll gewesen sein, nachträglich Gründe für die sachlich offenbar substanzlose Maßnahme zu finden.
In dem Interview mit „Bild“ hat Faeser nun erklärt, nicht aufgrund der TV-Sendung gegen Schönbohm vorgegangen zu sein. Stattdessen sei es um „Vertrauen in die Amtsführung“ und eine Neuaufstellung der Behörde für Cybersicherheit gegangen. Diese sei „aufgrund der Bedrohungslage“ notwendig geworden. Der „Focus“ hingegen bezweifelt diese Version – und präsentiert interne Vermerke. Gegenüber dem Innenausschuss des Bundestages hatte Faeser sich wiederholt nicht äußern wollen.
Schönbohm beantragte Disziplinarverfahren gegen sich selbst
In der Sendung „ZDF Magazin Royale“ vom 7. Oktober 2022 hatte Moderator Jan Böhmermann suggeriert, Schönbohm habe Kontakte zum russischen Geheimdienst. Grundlage für die Behauptung war eine über mehrere Ecken konstruierte Kontaktschuld.
Grundlage dafür war der Umstand, dass ein Tochterunternehmen eines von einem früheren FSB-Mitarbeiter gegründeten IT-Unternehmens dem „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e. V.“ angehörte. Diesem stand Schönbohm bis 2016 vor.
Am 12. Oktober untersagte das Bundesinnenministerium dem Beamten, sich öffentlich zu den Vorwürfen zu äußern. Dieser beantragte am 17. Oktober gegen sich selbst ein Disziplinarverfahren, um sich öffentlich rehabilitieren zu können. Am 18. Oktober verbot Faeser Schönbohm die „Führung der Dienstgeschäfte“ als BSI-Chef.
Interner Bescheid an Schönbohm sagt etwas anderes als Faeser
Im Gespräch mit „Bild“ erklärte Faeser, Schönbohm nicht „aufgrund von Vorwürfen eines TV-Satirikers entlassen“ zu haben. Es sei um „Vertrauen“ gegangen – und die Cybersicherheit sei so wichtig, dass „hier keine Zweifel bestehen dürfen“. Zudem habe man Schönbohm auch nicht entlassen, sondern „in eine gleichwertige Position“ versetzt.
Schönbohm ist seit Ende April 2023 Präsident der Bundesakademie für die öffentliche Verwaltung. Bereits im Mai hatte sich Faeser in Sachen „Vertrauen“ nur noch auf Punkte wie eine „ausufernde Pressearbeit“ des BSI unter dessen Führung bezogen.
Auszüge aus dem Bescheid zum Verbot der Dienstgeschäfte
Demgegenüber präsentierte „FOCUS online“ nun Auszüge aus dem Bescheid zum Verbot der Dienstgeschäfte, der an Schönbohm ergangen war. Von einem generellen Vertrauen in die Arbeit des BSI war davon nicht die Rede. Vielmehr fand in diesem Dokument vom 18. Oktober 2022 die Böhmermann-Sendung sehr wohl Erwähnung.
Es hieß, mit Blick auf Schönbohm sei „in der Öffentlichkeit das Vertrauen in Amtsführung nachhaltig beschädigt“. Begründet hat man dies explizit mit den in der Böhmermann-Sendung erhobenen Vorwürfen.
Dieser behauptete Vertrauensverlust, so hieß es weiter, sei „unabhängig davon, wie stichhaltig diese sind und ob dieses sich im Ergebnis als zutreffend erweisen“, eingetreten. Dies mache „eine weitere Amtsführung und die Aufgabenerfüllung im BSI“ unmöglich.
Im Besonderen gelte dies „in der aktuellen Sicherheitslage einer hybriden Kriegsführung Russlands“. Hier müssten das BSI und dessen Amtsleitung „über jeden Zweifel hinsichtlich kompromittierender Beziehungen zu Russland und nahestehender Kreise erhaben“ sein.
Faeser erklärte in der „Bild“ zudem, das Ministerium habe die Angelegenheit „sehr gründlich“ geprüft. Dennoch erfolgte die Untersagung der Dienstgeschäfte bereits etwas mehr als eine Woche nach der Sendung.
Anfangsverdacht der „Verfolgung Unschuldiger“ erfüllt?
Dass sie Schönbohm und dessen Umfeld nachrichtendienstlich habe ausspähen lassen, stellt Faeser ebenfalls in Abrede. Man habe „zu keinem Zeitpunkt nachrichtendienstliche Mittel gegen Herrn Schönbohm eingesetzt“. Es habe lediglich im Rahmen der Vorprüfung eine Anfrage hinsichtlich vorhandener Erkenntnisse gegeben.
Vermerke wie „Brauche mehr Infos“ oder die Anforderung von Unterlagen „außerhalb des Dienstwegs“ seien unproblematisch, äußerte Faeser weiter. Nach „mehr Infos“ frage sie häufig, wenn sie diese zu einer Sache brauche. Außerdem sei es im anderen Zusammenhang nur um die unmittelbare Zuleitung einer Langfassung eines Vermerks gegangen. Sie habe die fortlaufende Unterrichtung des zuständigen Staatssekretärs gewährleistet.
Während jedoch bereits im Januar 2023 die Haltlosigkeit der Anschuldigungen gegen Schönbohm festgestanden habe, habe Faeser den Verfassungsschutz noch ein zweites Mal bemüht.
Der Anwalt des Beamten sieht im Gebaren der Ministerin hingegen den Anfangsverdacht einer „Verfolgung Unschuldiger“ nach Paragraf 344 Absatz 2 StGB erfüllt. Schönbohm selbst will nun sowohl gegen das ZDF als auch gegen Faeser juristisch vorgehen. Bislang war mit Blick auf das Ministerium von „Mobbing“ die Rede.
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