Faeser will Fragen zu Schönbohm beantworten – Mehrheit der Bürger will ihren Rücktritt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will am Mittwoch erstmals im Innenausschuss des Bundestages Fragen zum Skandal um Ex-BSI-Präsident Arne Schönbohm beantworten. Ein Gesprächsprotokoll verleiht dem Fall zusätzliche Brisanz.
Nach Kritik verteidigt Bundesinnenministerin Nancy Faeser ihren Plan für eine leichtere Abschiebung von Clan-Mitgliedern.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will sich erstmals im Innenausschuss zur Causa Schönbohm äußern.Foto: Boris Roessler/dpa
Von 18. September 2023

Am Mittwoch, 20. September, will Bundesinnenministerin Nancy Faeser entgegen ihrer bisherigen Position doch noch Fragen zur Causa Schönbohm im Innenausschuss beantworten. Dies erklärte sie gegenüber der „wochentaz“ am Samstag. Zuvor hatte sie an zwei Sondersitzungen in dieser Sache nicht teilgenommen.

Bezüglich der anhaltenden Kritik spricht Faeser von einem Versuch, ihren – Umfragen zufolge bis dato wenig ergiebigen – Wahlkampf in Hessen zu torpedieren. Dort will die Ministerin im Fall eines Wahlsieges Ministerpräsidentin werden. Eigenen Angaben zufolge ist sie weder zuvor im Innenausschuss noch aktuell in Hessen von Bürgern auf Schönbohm angesprochen worden.

Kritiker hingegen sehen zumindest eine eklatante Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber dem früheren Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Faeser steht zudem im Verdacht, den Inlandsgeheimdienst auf Schönbohm und dessen Umfeld angesetzt zu haben, um nachträglich Gründe für eine ungerechtfertigte Versetzung zu liefern.

Hatte Faeser schon im Vorfeld belastendes Material gesammelt?

Faeser hatte Schönbohm im Oktober des Vorjahres von seinem Posten abberufen. Im Vorfeld hatte das „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann versucht, eine Verbindung des Beamten zum russischen Geheimdienst zu konstruieren.

Die Innenministerin stellt bis heute in Abrede, auf Zuruf Böhmermanns gegen ihren Behördenleiter vorgegangen zu sein. Sie spricht nach wie vor davon, dass es einen „Vertrauensverlust“ gegeben habe. Schönbohm selbst hat mittlerweile seinen Anwalt eingeschaltet. Er fordert sowohl vom ZDF als auch vom Bundesinnenministerium Schadensersatz.

In der „Welt am Sonntag“ erklärt Anwalt Christian Winterhof, Faeser habe bereits vier Monate vor der Böhmermann-Sendung eine Liste von Fällen angeblichen Fehlverhaltens Schönbohms zusammengestellt. Das Ministerium selbst spricht von bloßen „Darstellungen zu Herausforderungen bei der Fachaufsicht“.

Drohung unter Billigung der Ministerin

Aus einer Telefonnotiz gehe zudem hervor, dass Faeser eine Woche nach der Böhmermann-Sendung ihren Staatssekretär Markus Richter an Schönbohm herantreten ließ. Dabei habe er diesem „zwei Optionen“ eröffnet, über die lediglich die Ministerin und einer ihrer Büromitarbeiter in Kenntnis seien.

Schönbohm sollte demnach entweder seiner Versetzung zustimmen – oder er werde vom Dienst freigestellt und müsse mit umfangreichen Untersuchungen rechnen. Dabei soll der Staatssekretär versucht haben, den BSI-Leiter mit dem Hinweis auf eine mögliche lange Verfahrensdauer einzuschüchtern. Die Rede war von einer möglichen Dauer „bis über ein Jahr“.

Winterhoff wertet die Aussage als eindeutige Drohung unter Billigung der Ministerin. Immerhin seien sowohl Dienstrecht als auch Rechtsprechung darin einig, dass Disziplinarverfahren beschleunigt durchzuführen seien und es lange Verfahrensdauern zu vermeiden gelte.

Anstelle der demnach als Richtwert angemessen erscheinenden maximal drei Monate sollte die Untersuchung bei Schönbohm tatsächlich sechs Monate dauern. Das Ministerium betont hingegen, die bis zum Bundesverwaltungsgericht bestätigte Rechtsprechung sei im konkreten Fall nicht einschlägig. Zudem habe „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gegolten.

Ministerium besserte Stellenprofil nach, um Versetzung zu ermöglichen

Staatssekretär Richter soll Schönbohm bereits in dem Telefonat eine Versetzung an die Spitze der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV) vorgeschlagen haben. Gleichwertige Verwendungen, für die man Schönbohm hätte berücksichtigen können, hatte es zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben. Der BSI-Chef war aber auch kein politischer Beamter, den man leichter in einen einstweiligen Ruhestand hätte schicken können.

An der BAköV-Spitze hätte Schönbohm eine niedrigere Besoldung in Kauf nehmen sollen, die man durch einige Zulagen aufgebessert hätte. Als dieser ablehnte, untersagte Faeser ihm die Dienstgeschäfte. Als sich sein Anwalt mittels eines Eilantrags wehrte, soll das Ministerium verzögert haben, bis man eine neue Stellenbezeichnung für den BAköV-Chef inklusive angepasster Besoldung kreieren konnte.

Seit Januar ist Schönbohm BAköV-Präsident und „Sonderbeauftragter für die Modernisierung der Fortbildungslandschaft“. Der Reputationsverlust infolge der öffentlichen Kampagne, gegen die das Ministerium ihn nicht in Schutz genommen habe, bleibe jedoch, betont sein Anwalt.

Nur 21 Prozent für Faesers Verbleib im Amt

Unterdessen sprachen sich in einer repräsentativen INSA-Umfrage für „Bild am Sonntag“ 52 Prozent der Befragten dafür aus, dass Faeser ihr Amt als Ministerin zur Verfügung stellt. Nur 21 Prozent wollen demnach, dass sie bleibt. 27 Prozent der Befragten machten keine Angabe.

Neben der Affäre Schönbohm werde die Migrationspolitik als Grund für Unzufriedenheit mit Faesers Amtsführung genannt. Von allen Befragten äußerten 54 Prozent, dass Faeser als Ministerin einen schlechten Job mache. Zudem sagten 45 Prozent, dass die Politikerin der Hessen-SPD im Wahlkampf schade.

Am 8. Oktober wählen Bayern und Hessen neue Landtage. Umfragen zufolge können die unionsgeführten Landesregierungen in beiden Fällen mit Mehrheiten rechnen.

(Mit Material von AFP)



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