In der Fraktion der Bundeskanzlerin rumort es gewaltig über Griechenland-Hilfen
Berlin – Eine Frage der Höhe. Wie hoch wird die Zahl der Nein-Sager unter den 311 CDU- und CSU-Abgeordneten sein, wenn der Bundestag an diesem Freitag in einer Sondersitzung über die Brüsseler Empfehlungen für ein drittes Griechenland-Hilfspaket abstimmt?
In der Fraktion der Bundeskanzlerin rumort es gewaltig. An dem Abstimmungsverhalten der Union wird Angela Merkels Rückhalt in den eigenen Reihen abgelesen werden. Sind es deutlich mehr als bisher, könnte das ein Warnsignal für die CDU-Chefin sein – auch wenn es insgesamt ein klares Ja des Parlaments für den in einem 17-stündigen Euro-Gipfel erkämpften Kurs geben wird.
Denn die große Koalition verfügt über eine Mehrheit von gut 80 Prozent, und die SPD gilt als recht geschlossen, was die erneuten Milliarden-Spritzen zur Rettung Griechenlands vor der Pleite angeht. Und auch viele Grüne werden vermutlich mit Ja stimmen, obwohl sie starke Kritik an der harten deutschen Verhandlungsführung haben, die ihrer Ansicht nach beinahe zu einer Spaltung in Europa geführt hätte.
Die „Bild“-Zeitung hatte berichtet, bis zu 50 Unionsabgeordnete wollten gegen die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket stimmen. Zu den Abweichlern zählen bekannte Kritiker: Der Abgeordnete Klaus-Peter Willsch, der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung MIT, Carsten Linnemann (alle CDU), der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestags, Peter Ramsauer (CSU). Und auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach werde diesmal Nein sagen: „Die Kanzlerin hat zwar stringent verhandelt. Aber ich kann nicht glauben, dass Griechenland die vereinbarten Reformen jetzt umsetzen wird“, sagte sie der Zeitung.
Schon deutliche Warnung Ende Februar
Bei der Bundestagsabstimmung Ende Februar über die damalige Verlängerung von Griechenlandhilfen für vier Monate hatten bereits deutlich mehr Unionsabgeordnete mit Nein votiert als erwartet: 29. Drei Unionsparlamentarier enthielten sich, 17 gaben ihre Stimme nicht ab. Seit Monaten hören die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen die Wut von Bürgern, die Griechenland für ein Fass ohne Boden halten. Vor allem der Wirtschaftsflügel der Union reagiert darauf empfindlich. Hier plädiert man eher für ein Ende mit Schrecken.
Das Szenario von Finanzminister Wolfgang Schäuble – ein Grexit auf Zeit als Plan B – kommt dort gut an, kann aber bei vielen Abweichlern auch kein Ja mehr bewirken. Für den haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Kahrs, ist der Schäuble-Vorschlag dagegen ein „sehr unanständiges Spiel“ – und für die Grünen-Vorsitzende Simone Peter „ein Spiel mit dem Feuer“, auch weil dadurch private Investitionen fast vollständig zum Erliegen kämen.
Für Linke-Chef Bernd Riexinger sind die Spar- und Reformauflagen für Griechenland hingegen reines Gift. Das vom Parlament in Athen bereits angenommene Gesetzespaket beinhaltet Maßnahmen hauptsächlich zur Anhebung von Mehrwertsteuern und zur Abschaffung von Frührenten. Auf der anderen Seite bekommt Griechenland in den nächsten drei Jahren bis zu 86 Milliarden Euro. Riexinger findet, dass der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras „mit der Pistole an der Schläfe“ in Brüssel habe verhandeln müssen. Die Ansage der Gläubiger habe gelautet: „Austerität oder Grexit“.
Ein schwieriger Geburtstag der Kanzlerin
Niemand könne ganz ohne jeglichen Zweifel am Freitag der Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Paket zustimmen, verlautet aus der Unionsfraktion. Es gebe viele Punkte, die kritisch seien. Kann sich Griechenland wirklich stabilisieren? Gibt es nicht eine Sogwirkung in der Eurozone? Wird nicht massiv gegen die Regeln verstoßen, dass die Eurostaaten nicht für die Schulden eines Mitgliedlandes haften dürfen? Aber ein Austritt Griechenlands aus dem Euro wäre eben noch problematischer, heißt es.
Angela Merkel wird am Freitag 61 Jahre alt. Man kann sich schönere Geburtstage vorstellen als eine so schwierige Abstimmung im Bundestag. Schwer vorstellbar, dass überzeugte Nein-Sager Merkel ein Ja schenken.
(rls/dpa)
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