„Furchtbare Schreiben“: Quarantäne-Eltern wird mit Kindesentzug gedroht

In Behördenschreiben an Familien, die Corona-bedingt in Quarantäne müssen, wird gewohnheitsmäßig mit Kindesentzug gedroht, kritisieren Heinz Hilgers und Ekin Deligöz vom Kinderschutzbund. Minister Spahn will nun auf einen angemesseneren Ton drängen.
Von 19. November 2020

Die Bundestagsabgeordnete der Grünen Ekin Deligöz und der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, haben Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dazu aufgefordert, die Gesundheitsämter zu einer sensibleren Wortwahl gegenüber Familien zu bewegen, die sich infolge einer Corona-Infektion in Quarantäne befinden. Zusätzlich zu der Belastung durch das Virus würde diesen durch Drohungen mit Kindesentzug in behördlichen Anschreiben das Leben schwer gemacht.

Briefe betreffen auch Kinder zwischen drei und fünf Jahren

Wie die „Augsburger Allgemeine“ berichtet, heißt es in den Schreiben, Kinder von Betroffenen könnten „zwangsweise in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung abgesondert werden“, sollten diese nicht den Vorgaben des jeweiligen Gesundheitsamtes entsprechen. Zu diesen gehört neben dem zweimaligen täglichen Fiebermessen auch das Verbot, ohne amtliche Genehmigung das Haus zu verlassen.

„Diese Schreiben sind furchtbar“, erklärte Deligöz gegenüber der Zeitung. Eltern würden im Grunde „dazu aufgefordert, das Kindeswohl massiv zu verletzen“. Immerhin bezögen sich die „Drohbriefe“ auch auf Kindergartenkinder zwischen drei und fünf Jahren, die zwangsweise von ihren Eltern getrennt werden könnten.

Über Quarantäne „im Kasernenhofton“ informiert

Die „Augsburger Allgemeine“ hat Behörden-Anschreiben an Betroffene im gesamten Bundesgebiet ausgewertet und ist zu der Einschätzung gekommen, dass diese in jedem untersuchten Bundesland „im Kasernenhofton“ gehalten wären. Schon bei bloßem Verdacht auf Übertretung der Anordnungen für die Zeit der Absonderung werde damit gedroht, beim Amtsgericht die Verbringung von Kindern in „geeignete abgeschlossene Einrichtungen“ zu beantragen.

Deligöz ist neben ihrer politischen Funktion auch Vizepräsidentin des Deutschen Kinderschutzbundes. Dessen Chef Heinz Hilgers hat sich ebenfalls in die Debatte eingeschaltet. Wie die „Bild der Frau“ berichtet, hat er sich per Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gewandt und erklärt, es sei „unverhältnismäßig“, Kinder gerade in einer solchen Situation von ihren Eltern und Geschwistern zu isolieren.

Spahn sagte Gespräch mit Länderkollegen zu

In seinem Schreiben forderte der frühere Bürgermeister der Stadt Dormagen den Minister dazu auf, zu gewährleisten, dass „in allen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie dem Kindeswohl und den Kinderrechten Vorrang eingeräumt wird“.

Spahn habe mittlerweile zugesagt, gegenüber den Verantwortlichen in den Regierungen der Länder dieses Thema anzusprechen, äußerte Deligöz gegenüber der Augsburger Allgemeinen weiter. Er wolle sich dafür einsetzen, dass Schreiben dieser Art künftig „angemessen in Ton und Forderung“ formuliert würden. Die Politikerin hoffe nun, dass die bislang verwendeten Musteranschreiben „umgehend aus dem Verkehr gezogen“ würden. Man solle „Menschen in einer so verunsicherten Zeit nicht noch stärker verunsichern“.



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