Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz: Eine besondere Geste der Versöhnung

Jerusalem erwartet in dieser Woche Staatsgäste aus fast 50 Ländern. Die Großveranstaltung mit dem Titel „An den Holocaust erinnern, Antisemitismus bekämpfen“ wird an die Verbrechen von damals erinnern. Noch nie waren so viele ausländische Staatschefs gleichzeitig in Israel.
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Stacheldraht am Holocaust-Museum in Auschwitz. Vor 75 Jahren wurde das Lager am 27. Januar durch die sowjetische Armee befreit.Foto: iStock
Von 22. Januar 2020

Die Welt gedenkt der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz vor 75 Jahren. Geplant sind Veranstaltungen in Jerusalem, Auschwitz, Berlin und Essen. Am Donnerstag werden Staatsgäste aus fast 50 Ländern in Jerusalem erwartet, unter ihnen die Präsidenten Frankreichs und Russlands, Emmanuel Macron und Wladimir Putin, US-Vizepräsident Mike Pence und der britische Thronfolger Prinz Charles. Noch nie waren so viele ausländische Staatschefs gleichzeitig in Israel.

Anlass ist der 75. Jahrestag der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee. Die Großveranstaltung mit dem Titel „An den Holocaust erinnern, Antisemitismus bekämpfen“ findet auch vor dem Hintergrund einer weltweiten Welle antisemitischer Vorfälle statt.

Eine besondere Geste der Versöhnung: Steinmeier spricht in Israel

Steinmeier darf als erster deutscher Bundespräsident eine Ansprache in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem halten. Dabei will er das Erinnern an die Verbrechen von damals verbinden mit einem Aufruf zum Kampf gegen den Antisemitismus von heute. Weitere Ansprachen sind unter anderem von den Präsidenten Israels, Russlands, Frankreichs und vom Vizepräsidenten der USA geplant.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu (R) trifft den französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Jerusalem bereits am 22. Januar. Foto: LUDOVIC MARIN/AFP via Getty Images

Polens Präsident sagte ab

Für einen Missklang im Vorfeld sorgte Polens Präsident Andrzej Duda: Er sagt seine Teilnahme schon vor zwei Wochen ab. Der polnische Präsident begründete dies damit, dass die Organisatoren nicht geplant hätten, ihn bei der Zeremonie eine Rede halten zu lassen. Ihm die Möglichkeit zu verweigern, die polnischen Holocaust-Opfer zu ehren, komme einer „Verzerrung der historischen Wahrheit“ gleich, sagte der Staatschef.

Duda kritisierte zudem, dass andere führende internationale Vertreter eine Rede halten dürften, darunter Russlands Präsident Wladimir Putin. Dieser hatte Polen zuvor vorgeworfen, vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs mit Hitler kooperiert zu haben und Mitschuld an dem Krieg zu tragen – was in Polen große Empörung auslöste. Duda sagte bei einer Pressekonferenz Anfang Januar, dass Putin der Rolle Polens im 2. Weltkrieg eine „der historischen Wahrheit komplett entgegengesetzte Richtung“ zuschreibt.

Noch nie waren so viele ausländische Staatschefs gleichzeitig in Israel

Für Israel ist das Forum die größte internationale Konferenz seiner Geschichte: „Nie zuvor waren so viele ausländische Staatschefs hier“, sagte der Generaldirektor des Präsidialamts, Harel Tubi, zu AFP.

EU-Parlamentspräsident David Sassoli sagte vor Beginn des Holocaust-Forums, die Europäische Union sei im Schatten von Auschwitz gegründet worden, um Europa wieder zu vereinen „und dafür zu sorgen, dass sich die Schrecken des Zweiten Weltkriegs niemals wiederholen“.

Es scheine so, als würden die Lehren aus der Geschichte in Vergessenheit geraten. „Wir beobachten ebenso ungläubig wie wütend, dass der Dämon des Antisemitismus in Europa und auf der ganzen Welt zurückkehrt.“

Die israelischen Sicherheitskräfte sind ab Mittwoch (22. Januar), vor der Ankunft der führenden Politiker der Welt, die an den Gedenkfeiern teilnehmen werden, in ganz Jerusalem und auf dem Flughafen Ben Gurion stark stationiert.

Ein israelischer Polizeisprecher sagte gegenüber Reuters TV, dass etwa 6.300 Polizeibeamte aus verschiedenen Einheiten an der Operation teilnehmen. Die israelische Polizei koordiniert die Sicherheitsvorkehrungen mit ausländischen Sicherheitsorganen, die mit 49 Delegationen aus der ganzen Welt eintreffen.

Einige der Führer werden voraussichtlich auch politische Treffen mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinem politischen Rivalen Benny Gantz abhalten. Weiterhin reisen einige in das Westjordanland, um sich mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zu treffen.

In Auschwitz wird eine Delegation von US-Veteranen erwartet

Das ehrende Gedenken an die Opfer des Holocaust steht im Mittelpunkt der zentralen Gedenkfeier am früheren deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau am kommenden Montag (27. Januar) – exakt 75 Jahre nach seiner Befreiung durch sowjetische Truppen.

Rund 120 Auschwitz-Überlebende werden zu der Feier erwartet. Aus dem Kreis dieser zumeist hochbetagten Ex-Insassen sollen die wichtigsten Redner kommen.

Die Sprecherin des US-Hauses, Nancy Pelosi, besuchte schon im Vorfeld am Dienstag das Museum auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz in Südpolen. Pelosi führt eine parteiübergreifende Delegation von US-Vertretern an, die der Befreiung des Lagers durch sowjetische Soldaten gedenken sollte, wie aus einer Pressemitteilung auf der Website ihres Büros hervorgeht.

Die Delegation wird auch nach Jerusalem reisen, um an der Gedenkfeier des Weltholocaust-Forums in Yad Vashem teilzunehmen.

Die ungarische Justizministerin Judit Varga erweist am 21. Januar 2020 an der Todesmauer im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz in Oswiecim, Polen, ihren Respekt vor der Mauer. Foto: Omar Marques/Getty Images

Neue „Null Toleranz Politik“ der ungarischen Regierung

Laut der ungarischen Presseagentur MTI hat Judit Varga, Justizministerin Ungarns ebenfalls an der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung am Dienstag teilgenommen. Sie führte die ungarische Delegation zur Mauer der Opfer.

Die Justizministerin sprach am Montag bei einem Symposium in Krakau über die „Null Toleranz Politik“ der ungarischen Regierung gegenüber Antisemitismus. Varga erklärte auch die neuesten Maßnahmen zur ungarischen Politik.

Die ungarische Regierung hat die Holocaust-Verleumdung als Strafe ins Strafgesetzbuch registrieren lassen; sie hat den Gedenktag der Opfer der Holocaust eingeführt und mit Erfolg die Makkabi Spiele auf europäische Ebene ausgerichtet. Die Makkabi-Weltunion ist ein internationaler jüdischer Sportverband. In ihm sind rund 400.000 Mitglieder aus 70 Ländern organisiert.

Sie betonte bei der Rede: „In Ungarn lebt die zweitgrößte jüdische Gemeinschaft Europas in Frieden und Sicherheit, sogar mehr als anderswo in Europa.“

Ausstellung in Essen zeigt 75 Überlebende

Die Ausstellung „Survivors“ in Essen zeigt aktuell die Bilder von 75 Holocaust-Überlebenden und wurde am 21. Januar in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Merkel eröffnet.

In der Pressemitteilung der Bundesregierung heißt es, dass die Fotos des Fotografen Martin Schoeller in der Zeche Zollverein weltweit erstmals zu sehen sind.

Sie zeigen die Gesichter jüdischer Männer und Frauen, die die Gräueltaten des Holocaust erlebt und überlebt haben. Die Sprache der Bilder ist kraftvoller und deutlicher, als Wort es sein können.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich bei ihrem Besuch tief beeindruckt. „Die hier ausgestellten Porträts haben eine Intensität, die sehr nahegeht“, sagte Merkel. „Die Porträtierten schauen uns direkt in die Augen, und sie sprechen durch ihre Blicke direkt zu uns.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Porträt des Holocaust-Überlebenden Naftali Fürst in der Ausstellung des deutschen Fotografen Martin Schoeller über Holocaust-Überlebende. Foto: INA FASSBENDER/AFP

In ihrer Rede betonte Kanzlerin Merkel die Wichtigkeit der Ausstellung in Essen. „Jedes Porträt ist eine Mahnung ans uns, für Menschlichkeit einzutreten, im Alltag nicht zu schweigen und wegzuschauen, wenn jemand angegriffen, gedemütigt und in seiner Würde verletzt wird.“

Ein weiterer Ausschnitt aus der Rede der Kanzlerin:

Nichts kann die Ermordeten zurückbringen. Doch wir erleben, dass in Deutschland neues jüdisches Leben aufgeblüht ist. Das grenzt an ein Wunder, für das ich zutiefst dankbar bin. Es zeugt von einem großen und alles andere als selbstverständlichen Vertrauen, wenn jüdische Familien in Deutschland ihre Zukunft sehen und aufbauen. Dieses Vertrauen müssen wir pflegen. Ich weiß, dass es für jüdische Familien in den letzten Jahren schwieriger geworden ist, dieses Vertrauen aufzubringen.“

Die Ausstellung mit Fotografien des Künstlers Martin Schoeller steht unter dem Titel „Survivors. Faces of Life after the Holocaust“ (Überlebende: Gesichter des Lebens nach dem Holocaust). Es ist das zweite gemeinsame Projekt der Stiftung für Kunst und Kultur Bonn mit der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Bis zum 24. April ist die Ausstellung geöffnet.

(mit Material der Agenturen Reuters und AFP)



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