GroKo Sondierung: Kein visionärer Großer Wurf, sondern ein jämmerlicher GroMi – Analyse von Peter Haisenko

Das Sondierungspapier soll den Menschen an der Basis als Erfolg verkauft werden. Ein Schmierentheater von seltener Qualität - oder darf das schon als gewollte Irreführung nach beiden Seiten bezeichnet werden? Von Gastautor Peter Haisenko.
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Die GroKo ist wahrscheinlich kein GroWu, großer Wurf, sondern nur ein GroMi – großer Mist. Hier die Schatten von Seehofer, Schulz und Merkel.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 15. Januar 2018

Man muss schon masochistisch veranlagt sein, dieses inhaltsleere Machwerk bis zum Ende zu lesen. Nein, es ist nicht zu beanstanden, dass es nur konditionale Formulierungen enthält. Schließlich geht es nur um Sondierungen. Insgesamt kann ich aber nur zu dem Ergebnis kommen, dass dieses Papier einem ganz anderen Zweck dient.

Vor drei Jahren haben die „faulen Griechen“ vorgeführt, wie es gehen kann. Nur drei Tage nach dem Wahlsieg hat Alexis Tsipras seine Koalitionsregierung und die Minister vorgestellt. Das zugehörige Regierungsprogramm war ein visionärer Großer Wurf – GroWu – mit wirklich neuen Wegen, die Griechenland eine Perspektive hätten geben können. In jedem Fall wären die Ideen von Tsipras und Varoufakis einen Versuch wert gewesen, denn ein „weiter so“ war bereits zu oft gescheitert.

Vor einem möglichen Erfolg hatten die Euro-Diktatoren Schäuble & Co aber derart Angst, dass sie es schneller schafften, die hoffnungsvollen Pläne der Griechen zu zersägen, als sie jetzt eine Regierung bilden können. Ich weise am Rande darauf hin, dass die sture Haltung gegenüber Tsipras die Migrationskrise erst ausgelöst hat. Siehe hier: https://www.anderweltonline.com/klartext/klartext-2016/fuehrt-griechenlands-rache-zum-sturz-von-merkel/?L=0 Angesichts dessen kann man sich eigentlich nur noch schämen, ein Deutscher zu sein.

Es ist nicht so, dass es in Deutschland immer unmöglich war, auf dem kurzen Dienstweg eine Koalition zu vereinbaren. 1969 hat Willy Brandt noch am Wahlabend mit einem Telefonat die Koalition mit der FDP fixiert.

Doch zurück zum aktuellen Sondierungsergebnis. Ich greife hierzu zunächst zwei Punkte heraus die zeigen, dass dieses Papier vor allem dem Zweck dient, das Ergebnis der Basis aller drei teilnehmenden Parteien als Erfolg zu verkaufen. Und zwar so, dass die unterschiedlich möglichen Interpretationen den Geschmack der eigenen Klientel treffen können. Beginnen wir mit den Pflegekräften.

Für 10.000 Einwohner soll es eine neue Pflegekraft geben: Sensationell!

Auf Seite 14 unter Punkt III. „Pflege“ findet sich der Satz: „Wir wollen 8 000 neue Fachkraftstellen im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen schaffen.“ Klingt doch richtig gut: 8.000 neue Fachkraftstellen! Wendet man aber darauf den guten alten Dreisatz an, folgt sofort die Ernüchterung. 8.000 neue Stellen bedeutet nämlich, dass pro 10.000 Einwohner eine neue Pflegekraft eingestellt werden soll. Das ist nicht einmal der Tropfen auf den heißen Stein.

Das kann man auch gleich sein lassen, denn es verändert nichts an der prekären Situation. Aber die SPD kann ihrer Basis sagen, dass sie doch Gewaltiges heraus verhandelt hat und den Konservativen kann die wahre Größenordnung vermittelt werden. Das ist definitiv kein GroWu sondern nur GroMi – großer Mist.

Unter „Migration und Zuwanderung“ findet sich auf Seite 20 der bemerkenswerte Satz zum Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige: „Im Rahmen der Gesamtzahl ermöglichen wir 1.000 Menschen pro Monat den Nachzug nach Deutschland. Im Gegenzug laufen die EU-bedingten 1.000 freiwilligen Aufnahmen pro Monat von Migranten aus Griechenland und Italien aus.“

Unehrlicher geht es kaum! Zunächst ist festzustellen, dass die „freiwilligen Aufnahmen“, die eingestellt werden, dieselbe Höhe haben wie der angestrebte Familiennachzug. Ein Nullsummenspiel. Dann sollte man wieder den Dreisatz bemühen. 1.000 Menschen pro Monat bedeuten 12.000 pro Jahr.

Schmierentheater von seltener Chuzpe

Nun ist aber unbestritten, dass etwa mindestens 300.000 Aspiranten Familiennachzug begehren. Es ist sicher nicht falsch davon auszugehen, dass pro Antrag mindestens drei Familienmitglieder angeführt werden. Wir reden folglich über eine Zahl an Familiennachzug von etwa einer Million.

Wenn also jetzt pro Jahr 12.000 zugelassen werden sollen, dann ist das gerade mal ein Prozent derjenigen, die Anspruch auf Familiennachzug haben könnten. Und, ach ja, dafür fallen ja die 12.000 aus Griechenland und Italien weg, die zwar kein Familiennachzug sind, aber Zuwanderer, die dann auch noch Familiennachzug beanspruchen könnten.

Mit der Durchführung dieser Absichtserklärung wäre also der Zustand erreicht, dass der Familiennachzug auf die nächsten 100 Jahre gestreckt wird. Das erinnert mich an den US-Präsident Roosevelt (FDR), der die Zuwanderung von Juden aus Deutschland auch auf 11.000 pro Jahr begrenzt hatte. (Mehr darüber in meinem Werk „England, die Deutschen, die Juden und das 20. Jahrhundert“)

In beiden Fällen wäre die ehrliche Aussage gewesen, dass weitere Zuwanderung gänzlich ausgeschlossen werden soll.

So aber können beide Verhandlungspartner ihre Klientel bedienen. Den Gutmenschen der SPD wird gesagt: Schaut her, wir haben den Familiennachzug durchgesetzt! Seehofer kann in Bayern sagen, dass der Familiennachzug eigentlich gänzlich eingestellt ist. Ein Schmierentheater von seltener Qualität oder vielleicht besser, von seltener Chuzpe in der Annahme, dass der Durchschnittswähler den Dreisatz nicht beherrscht. Oder darf das schon als gewollte Irreführung nach beiden Seiten bezeichnet werden?

Altbekannte Allgemeinplätze und ein fröhliches „weiter so“

Für die Sondierungsverhandlungen hatte man das Ziel Donnerstagabend angegeben. Dieses Ziel ist schon mal klar verfehlt worden. Dementsprechend ist die Qualität des Ergebnisses: Eine Fülle von altbekannten Allgemeinplätzen und eigentlich nur ein fröhliches „weiter so“! Nebenbei wird der Ausstieg aus den selbstverpflichteten Klimazielen des Pariser Abkommens erklärt, wofür Donald Trump immer noch so vehement gescholten wird.

Im Kapitel „Finanzen und Steuern“ könnte man auf Seite 15 eine Sensation herauslesen, aber wiederum nur, wenn man nicht genau liest. Da steht: „Die Abgeltungssteuer auf Zinserträge wird mit der Etablierung des automatischen Informationsaustausches abgeschafft; an dem Ziel der Einführung einer Finanztraktionssteuer im europäischen Kontext halten wir fest.“

Dazu berichtet die BILD schon euphorisch, dass damit Kapitalerträge endlich mit dem normalen Steuersatz belegt werden sollen. Das kann dem Satz aber nicht entnommen werden. Es bleibt nämlich offen, wie damit nach der Abschaffung verfahren werden soll.

Was ist mit Ausländern, die in Deutschland Zinserträge kassieren? Was ist mit anderen Kapitalerträgen geplant, wiederum auch von Ausländern? Warum wird in einem derart wichtigen Detail nicht genauer ausgeführt, dass alle Kapitalerträge ohne Ansehen der Nationalität der ganz normalen Einkommenssteuer zugerechnet und im Inland versteuert werden müssen? Dass das eben nicht so geplant ist, kann dem einfachen Umstand entnommen werden, indem eben nicht gesagt wird, dass der allgemeine Steuersatz deswegen erheblich gesenkt werden kann.

Nicht nur ich habe schon öfter vorgerechnet, dass der allgemeine Steuersatz um gut zehn Prozent gesenkt werden könnte, wenn alle Kapitalerträge wie Einkünfte aus Arbeit versteuert werden müssten. Wie bei den vorher genannten Beispielen gilt also auch hier, dass wiederum beide Verhandlungspartner ihrer Klientel ihre jeweilige Version verkaufen können.

„Finanztraktionssteuer“ – Was für ein Wort, was für ein Unsinn?

Ganz schlimm wird es aber bei der zweiten Satzhälfte. Vielleicht ist es auch Ihnen aufgefallen: Nein, es ist kein Übertragungsfehler, es steht genau so in diesem Papier: „Finanztraktionssteuer“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass an so einem wichtigen Punkt ein derartig peinlicher Fehler passiert. Oder doch? ­–

Der unaufmerksame Leser liest selbstverständlich „Finanztransaktionssteuer“ und auch ich gestehe, dass es mir erst nach der Übertragung aufgefallen ist, als mein Schreibprogramm dieses inexistente Wort mit einer roten Welle moniert hat. Abgesehen davon, ob dieser Fehler nun absichtlich eingebaut worden ist, ist der Satz auch bei korrekter Schreibweise nichts wert.

Man will also an einem „Ziel festhalten“, dessen Erreichen seit zehn Jahren als unmöglich bezeichnet worden ist und sagt dazu auch noch, dass es selbstverständlich nicht die Schuld der deutschen Regierung sein wird, wenn dieses Ziel wieder nicht erreicht wird. Dafür steht der kleine Zusatz „im europäischen Kontext“. Unverbindlicher geht es kaum!

„Innen, Recht und Verbraucherschutz“ auf Seite 17: „Die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern wollen wir um zusätzlich 15.000 Stellen (7.500 im Bund, 7.500 in den Ländern) ausbauen.“ Hier gilt dasselbe, wie bei den Pflegekräften: Es sind zwei neue Stellen pro 10.000 Einwohnern geplant. Da werden den Kriminellen aber die Knie zittern!

Ansonsten kann es nur noch als Bankrotterklärung gesehen werden, wenn in einem solchen Kapitel als erster Satz steht: „Wir werden den Rechtsstaat handlungsfähig erhalten.“ Pardon, Frau Merkel, Herr Schulz, Herr Seehofer, ist diese Plattitüde nicht die essentielle Grundlage eines jeden demokratischen Rechtsstaats?

Wo stehen wir denn heute, wenn das in einem Sondierungspapier extra betont werden muss? Ist das nicht das Eingeständnis, dass unser Rechtsstaat bereits derart erodiert ist, dass im nächsten Absatz nochmals gesagt werden muss: „Wir werden einen Pakt für den Rechtsstaat schließen.“ Wenn sich Derartiges im Regierungsprogramm von Nordkorea fände, könnte ich es verstehen.

Unendliche Plattitüden, die eigentlich Selbstverständlichkeiten sein sollten

Ich will Sie nicht weiter quälen mit Auszügen aus unendlichen Plattitüden, die eigentlich Selbstverständlichkeiten sein sollten in einem modernen demokratischen Rechtsstaat. Was aber die Planungen für die Altersvorsorge anbetrifft, muss noch angemerkt werden, dass offensichtlich weder in SPD noch in CDU/CSU auch nur ein Rest an Lernfähigkeit existiert. Ist das Debakel mit der „Riesterrente“ nicht genug? Offensichtlich nicht, denn schon wieder findet sich der Satz (Seite 13), dass man die private Altersvorsorge „weiterentwickeln“ will.

Da haben sich wohl wieder die Damen von der Leyen und Nahles eingebracht, die der privaten Versicherungswirtschaft ihre Geschenke bereits gemacht haben. Wieder ein fröhliches „weiter so“ und wir wollen auf keinen Fall unseren Kotau vor dem Großkapital aufheben, sondern versuchen, dabei den Kopf noch unter die Erdoberfläche zu pflügen.

Wenn also dieses Sondierungsergebnis tatsächlich der Inhalt der folgenden Koalitionsvereinbarung und auch noch Regierungsprogramm werden sollte, dann Gnade uns Gott. Wichtige, für Deutschlands Zukunft überlebenswichtige Themen tauchen sowieso wieder nicht auf wie die Frage, wie mit Atomwaffenstationierung oder 60.000 US-Soldaten in exterritorialen Zonen verfahren werden soll, von denen aus völkerrechtswidrige Kriegsaktionen geleitet werden.

Ein wenig Hoffnung gibt es immerhin, denn die SPD-Sachsen-Anhalt hat dieses Schandpapier bereits abgelehnt und auch die Jusos haben überdeutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihre Zustimmung in jedem Fall verweigern werden. Was wir brauchen, ist ein radikaler Wechsel in der deutschen Politik, und zwar in nahezu allen Bereichen. Davon ist in dieses Papier meilenweit entfernt.

Die neue GroKo – sollte sie denn zustande kommen – wird sich niemals als GroWu erweisen, sondern als ein jämmerlicher GroMi!

Mit freundlicher Genehmigung von www.anderweltonline.com

Lesen Sie selbst das Original-Sondierungspapier: HIER

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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