Grünes Licht für Weichenstellung in ein neues Zeitalter

Das Deutschlandticket für 49 Euro soll ab 1. März 2023 verfügbar sein. Verkehrsverbünde sehen viele Probleme auf sich zukommen.
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Aus dem 9-Euro-Ticket wird ein 49-Euro-Ticket.Foto: INA FASSBENDER/gettyimages
Von 8. November 2022

Günstig reisen durch deutsche Lande wird auch ab dem kommenden Jahr möglich sein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die 16 Ministerpräsidenten waren sich schnell einig und gaben grünes Licht für ein bundesweit gültiges Deutschlandticket für den Nah- und Regionalverkehr. Wie das Handelsblatt auf seiner Internetseite berichtet, kostet die Fahrkarte statt neun Euro – wie im Sommer – dann 49 Euro.

Sie gibt es als Abonnement mit monatlicher Verlängerung und ausschließlich digital. Mit jeweils drei Milliarden Euro wollen Bund und Länder diese erneute Rabattaktion für zwei Jahre aus Steuergeldern subventionieren.

„Schnellstmöglich“ sollte laut Digitalminister Volker Wissing (FDP) das Ticket verfügbar sein. Doch der 1. Januar 2023 scheint nicht haltbar zu sein, realistischer ist laut „Handelsblatt“ nun der 1. März.

„Revolution und Zeitenwende“

Als „Revolution und Zeitenwende“ bezeichnet der Geschäftsführer des hessischen Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV), Prof. Knut Ringat, die Einführung des Deutschlandtickets auf Anfrage von Epoch Times. Es mache Bus- und Bahnfahren für viele Menschen deutlich günstiger. Was seiner Ansicht nach jedoch noch fehlt, sei eine ausreichende Finanzierung.

Die Länder hätten angesichts der extremen Kostensteigerungen eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel um 3,15 Milliarden Euro für ganz Deutschland gefordert. Der Bund habe eine Milliarde draufgelegt. Es gebe zwar eine höhere Dynamisierung auf drei Prozentpunkte, die aber keineswegs ausreiche, um steigende Kosten, Einführungsaufwände für das Ticket und notwendige Angebotsausweitungen auszugleichen.

Mehr Züge, mehr Personal, mehr Zeit

Das 9-Euro-Ticket habe gezeigt, dass besonders auf den Hauptachsen mehr Fahrgäste auch mehr Fahrten und längere Züge erforderten. Die Bestellung neuer Züge, die Ausschreibung der Verkehrsdienstleistungen und die Ausbildung von Personal brauche zeitlichen Vorlauf und eine langfristige Perspektive.

„Mit der jetzigen Finanzierungssituation verharren wir die kommenden zwei Jahre im Wesentlichen im Status quo. Das heißt, es erfolgen keine Verbesserungen in Leistungsumfang und Qualität. Land sowie Kommunen geraten ins Risiko der Finanzierung oder Leistungen müssen abbestellt werden. Spätestens 2025 ist für die erforderlichen verkehrlichen Erweiterungen mit einer Bugwelle bei Finanzierungen und Kapazitäten zu rechnen“, sagt Ringat.

Attraktives Angebot finanzieren

Niemandem helfe ein Ticket für 1,60 Euro am Tag, wenn kein Bus oder keine Bahn mehr fährt oder diese überfüllt sind. „Wenn der Bund die Mobilitätswende will, auch um Milliardenstrafen an die EU zu vermeiden, braucht es mehr als das Deutschlandticket, und zwar ein attraktives Fahrtenangebot auf der Basis einer auskömmlichen Finanzierung“, fordert der Geschäftsführer.

Umsatzverlust bis 90 Prozent

Vor großen finanziellen Problemen sieht Anna Theresa Korbutt die Branche. Die Geschäftsführerin des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) schätzt laut „Handelsblatt“, dass viele Verbünde 80 bis 90 Prozent ihres Umsatzes verlieren.

Das neue Angebot könne Job- und Ausbildungstickets sowie Jahresabos ersetzen. Ihre Kosten decke die Branche bestenfalls zur Hälfte durch den Verkauf von Fahrkarten. Sie erwartet daher eine Konsolidierungswelle.

Weitere Investitionen vonnöten

Eine grundlegende Änderung der Strukturen und Finanzierung erwartet der nordrhein-westfälische Verkehrsverbund WestfalenTarif GmbH. Auf Anfrage von Epoch Times betonte eine Sprecherin des Verbandes, dass die Refinanzierung über Fahrgeldeinnahmen beim Deutschlandticket „kaum mehr möglich“ sei.

Aufbauend auf den derzeitigen finanziellen Zusagen seien weitere Investitionen nötig. Die Verkehrsunternehmen stünden weiter vor der Herausforderung, die gestiegenen Energiepreise zu stemmen, um das aktuelle Angebot aufrechterhalten zu können.

Auch Angebote unterhalb von 49 Euro

„Auch der kontinuierliche Ausbau vom Bus- und Schienenverkehr, der eine grundlegende Voraussetzung für einen attraktiven Nahverkehr und die Verkehrswende ist, kann nur durch zusätzliche finanzielle Mittel umgesetzt werden“, betont die Sprecherin. Es brauche daher verbindliche Zusagen, damit eine langfristige Finanzierung gesichert sei.

Die Sprecherin gab aber auch zu bedenken, dass nicht jeder Fahrgast deutschlandweit unterwegs sein wolle. „Für die Gelegenheitsfahrer und Nutzergruppen wie Schüler, Auszubildende, Studierende oder auch sozial Benachteiligte braucht es auch in Zukunft attraktive Angebote unterhalb von 49 Euro pro Monat“, fordert WestfalenTarif.

 

 



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