Grundgesetzänderung zur Bildung: Bundesrat muss noch zustimmen

Der Verband Bildung und Erziehung appelliert an die Bundesländer, der Grundgesetzänderung zur Lockerung des Kooperationsverbotes der Bildung zuzustimmen. Das Kooperationsverbot wurde nach dem 2. Weltkrieg beschlossen und basiert auf den Erfahrungen mit der Zentralisierung der Bildung in Deutschland bis 1945.
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Ein leerer Klassenraum im Sonnenlicht.Foto: iStock
Epoch Times23. November 2018

Die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat die Bundesländer aufgefordert, der Grundgesetzänderung zur Lockerung des Kooperationsverbotes in der Bildung im Bundesrat zuzustimmen. „Wir appellieren, persönliche Befindlichkeiten hintenanzustellen“, sagte Gewerkschaftschef Udo Beckmann dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Die angestrebte Änderung werde „den Föderalismus nicht untergehen lassen, sondern trägt wesentlich zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bei –- was auch im Grundgesetz verankert ist“, fügte er hinzu.

Die große Koalition ist auf Unterstützung der Opposition angewiesen, weil sie weder im Bundestag noch im Bundesrat über die für eine Verfassungsänderung nötige Zweidrittel-Mehrheit verfügt. Nach der für kommende Woche geplanten Verabschiedung im Bundestag könnte der Bundesrat das Gesetz am 14. Dezember abschließend beraten.

Einigung auf die Lockerung des Kooperationsverbotes

Der Bund soll den Ländern künftig stärker als bisher mit Finanzhilfen für die Bildung unter die Arme greifen können. Union, SPD, FDP und Grüne verständigten sich am Freitag auf eine weitere Lockerung des Kooperationsverbots im Grundgesetz, wie die Fraktionen mitteilten. Die Einigung soll in der kommenden Woche abschließend vom Bundestag beraten und dann an den Bundesrat weitergeleitet werden.

Geplant sind mehrere Grundgesetzänderungen, die ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes auf Länderebene ermöglichen sollen. Diese betreffen neben der Bildung vor allem die Bereiche sozialer Wohnungsbau und Gemeindeverkehrswegefinanzierung.

Nach der am Freitag erzielten Einigung im Bildungsbereich soll es im Grundgesetz künftig heißen: „Der Bund kann den Ländern zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie mit diesen verbundene besondere unmittelbare Kosten der Länder und Gemeinden im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren.“

Diese Änderung würde auch den Weg für den Digitalpakt freimachen, bei welchem der Bund fünf Milliarden Euro in die Digitalisierung der Schulen investieren will. Beckmann sagte, es freue ihn, dass dabei nicht nur Geld für die Infrastruktur locker gemacht werden solle, sondern dass auch „die Investition in Köpfe möglich sein soll“. „Es ist nämlich dringend notwendig, Fort- und Weiterbildungen in ausreichendem Maß, qualitativ hochwertig und innerhalb der Dienstzeit von Lehrkräften anzubieten“, sagte er.

Notwendig ist für die Grundgesetzänderung allerdings nicht nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, sondern auch im Bundesrat. Dort hat sich bislang vor allem der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) skeptisch gezeigt.

Was ist das Kooperationsverbot?

Im Grundgesetz ist bislang festgelegt, dass der Bund in Deutschland nicht in die förderale Bildungspolitik eingreifen darf, Bildung ist Sache der Bundesländer. Das Kooperationsverbot wurde nach dem 2. Weltkrieg beschlossen und basiert auf den Erfahrungen mit der Zentralisierung der Bildung in Deutschland bis 1945.

Der Bund nimmt jedoch über finanzielle Mittel bereits Einfluss auf die Bildungspolitik.

Dezentale Bildungspolitik setzt Politiker unter Druck – an der Wahlurne

Jan Schnellenbach von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus schrieb zur Bildungspolitik, dass das Kooperationsverbot nützlich ist. Denn es macht Bildung vergleichbar und setzt Politiker einem Wettbewerb aus. Eine dezentrale Bildungspolitik erlaubt vor allem, die Bildung an die regionalen und lokal unterschiedlichen Bedingungen anzupassen.

„Sie setzt die Politiker dem aus, was man yardstick competition nennt, also einem Maßstabswettbewerb. Die Bürger in Berlin beobachten, wie schlecht ihre Schulen im Verhältnis zu Bayern sind, und wenn ihnen an diesem Thema etwas liegt (was man leider nicht immer voraussetzen kann), dann werden sie ihre Bildungspolitiker an der Wahlurne für ihre Fehlleistungen bestrafen.“

Falch und Fischer bewiesen 2012, dass Länder in internationalen Bildungsvergleichen mit zunehmender Dezentralisierung besser abschneiden, auch in einer OECD-Studie konnte dieser Zusammenhang durch Fredriksen (2013) nachgewiesen werden.

Ohne Bildungswettbewerb sinkt das Niveau

Jan Schnellenbach erklärt: „Die Forderung der SPD nach Zentralisierung und Aufhebung des Kooperationsverbotes unterminiert nicht nur den deutschen Föderalismus, was für sich genommen schon schlimm genug wäre. Vielmehr ist diese Forderung nicht einmal sinnvoll im Hinblick auf das proklamierte Ziel, die Bildungsqualität in Deutschland nachhaltig zu verbessern“

Denn es ist zu befürchten, dass „wir uns ohne föderalen Wettbewerb nicht etwa auf dem Niveau von Bayern wiederfinden, sondern nach unten nivelliert, auf dem Niveau von Bremen, NRW oder gar Berlin.“

Politiker begrüßen die Veränderungen zum Kooperationsverbot

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sprach von einem „guten Tag für Schüler, Eltern und Lehrer in Deutschland“. SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles erklärte, das  Kooperationsverbot sei „aufgebohrt“ worden. Nun könnten alle Schulen in Deutschland eine gute digitale Ausstattung bekommen – schnelles Internet, Tablets, Schulungen des Personals.

Auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer begrüßte die Einigung. „Jetzt müssen die Mittel schnell in die passenden technischen Ausstattungen investiert werden“, erklärte die Kandidatin für den CDU-Vorsitz.

Zuletzt hatte es auf Seiten der Grünen geheißen, die Verhandlungen seien festgefahren. Die Grünen im Bund hatten ebenso wie die FDP auf weitergehende Regelungen gedrungen. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt zeigte sich am Freitag aber sehr zufrieden mit der schließlich erzielten Einigung. Sie sprach von einem „Baustein für mehr Chancengleichheit“. Sie fügte hinzu: „Wir können endlich auch in Köpfe investieren,  nicht nur in Beton.“

Nach Ansicht von FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner kommt es nun darauf an, inwieweit die Koalition die erzielte Einigung umsetzt. „Was konkret mit diesen Möglichkeiten gemacht wird, das ist offen und das ist auch Teil der politischen Auseinandersetzung“, erklärte er.

(dts/afp/ks)



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