Grundsteuer als Mittel zur Geldbeschaffung: Kommunen erhöhen Hebesätze

In Zeiten von Inflation und leeren Kassen nutzen immer mehr Kommunen die Grundsteuer zur Geldbeschaffung. Die Hebesätze sind zum Teil drastisch gestiegen, auch infolge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts.
Ein Abgabenbescheid für die Entrichtung der Grundsteuer.
Ein Abgabenbescheid für die Entrichtung der Grundsteuer.Foto: Jens Büttner/dpa
Von 8. August 2023

Ab 2025 soll es eine neue Form der Berechnung der sogenannten Grundsteuer B geben. Diese betrifft bereits bebaute oder bebaubare Grundstücke und wird von den Eigentümern bezahlt. Sind Mieter vorhanden, legen die Verpflichteten die Steuer auf diese um. Bereits jetzt nutzen immer mehr Kommunen den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zur Neubewertung, um die Hebesätze zum Teil deutlich anzuheben. Dies geht aus einer Analyse der Wirtschaftsberatung Ernst & Young (EY) hervor.

Neubewertung der Grundsteuer selbst noch im Gange

Karlsruhe hatte in einem Beschluss zur Grundsteuer aus dem Jahr 2018 bemängelt, dass Finanzämter den Wert von Immobilien nicht mehr adäquat kalkulierten. Die zugrunde liegenden Daten stammten aus den Jahren 1935 (für Ostdeutschland) und 1964 (für Westdeutschland).

Die Folge war, dass es eine komplette Neuerfassung aller Angaben zu Grundstücksfläche, Wohnfläche, Gebäudeart, Baujahr und Bodenrichtwert geben solle. Sogar Kleingartenareale sind davon betroffen.

Doch noch bevor alle Grundsteuererklärungen, die man Immobilieneigentümern nun abverlangt, eingetrudelt sind, treten Kommunen die Flucht nach vorn an. Sie erhöhen die Hebesätze – und versuchen auf diese Weise ihre notorisch klammen Haushalte aufzubessern. Die Grundsteuer zählt für die Kommunen immerhin zu den bedeutsamsten Einnahmequellen. Bis Herbst 2024 müssen die Kommunen auch die neuen Grundsteuerwerte bestimmt und den Eigentümern mitgeteilt haben.

Die Kommunen beeinflussen die Höhe der Grundsteuer über den Hebesatz. Dieser Hebesatz variiert im Bereich von 0 bis 1.050 Prozent. Zur Ermittlung der fälligen Steuerlast multipliziert das Finanzamt den sogenannten Grundsteuermessbetrag mit dem Hebesatz. Auf diese Weise entsteht der Betrag der zu zahlenden Grundsteuer.

Nur 0,6 Prozent aller Kommunen haben Hebesätze gesenkt

Wie der „Spiegel“ berichtet, hatten nicht weniger als 12,5 Prozent aller deutschen Gemeinden den Hebesatz ihrer Grundsteuer erhöht. EY zufolge war dies der höchste Anteil seit 2017. Im Vergleich zu 2021 hätten im Gegenzug lediglich 0,6 Prozent aller Kommunen diesen gesenkt.

In NRW hoben demnach sogar 26 Prozent der Kommunen ihren Hebesatz zur Grundsteuer B an. Und das, obwohl dieser dort mit einem Durchschnittswert von 565 ohnehin schon der bundesweit höchste in den Flächenstaaten ist.

Im bundesweiten Schnitt lag der Hebesatz zur Grundsteuer im Vorjahr bei 391 Prozent, ein Plus von fünf Prozentpunkten. Es war der stärkste Anstieg seit 2016. Im Jahr 2005 hatte der Durchschnitt noch bei 317 gelegen. In fast 80 Prozent aller Kommunen liegt er mittlerweile bei mindestens 350.

Höchste Hebesätze in NRW – Tendenz: steigend

Nach NRW waren es vor allem das Saarland (19 Prozent aller Gemeinden) und Rheinland-Pfalz (17 Prozent), wo die Hebesätze deutlich in die Höhe gingen. Sachsen-Anhalt (sechs Prozent), Sachsen (fünf Prozent) und Thüringen (vier Prozent) erwiesen sich diesbezüglich als deutlich zurückhaltender. Allerdings ist auch dort damit zu rechnen, dass die Neubewertung der Immobilien mit Blick auf die Grundsteuer selbst noch zu Mehrbelastungen führen wird.

Neben dem Einheitswert der Immobilie und der Steuermesszahl ist der Hebesatz einer der wichtigsten Faktoren in der Bestimmung der Höhe der Grundsteuer. Die Kommunen haben einen sehr hohen Gestaltungsspielraum bezüglich seiner Festlegung.

Nicht zuletzt die Debatten im Umfeld der Flüchtlingsgipfel haben gezeigt, dass die Kommunen immer mehr übertragene Aufgaben zu bewältigen haben. Dazu kommen zusätzliche Herausforderungen im Bereich der Daseinsvorsorge. Gleichzeitig sind vor allem strukturschwache Regionen von Abwanderung gekennzeichnet – und ein Exodus von Unternehmen führt zu Rückgängen bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer.

Neubewertung der Grundsteuer wird zum zusätzlichen Belastungsfaktor

Für die Kommunen ist der Rückgriff auf die Eigentümer der sicherste Weg, durch kommunale Abgaben zu Geld zu kommen. Die Gewerbesteuer anzuheben, kann sich schnell zum Standortnachteil entwickeln, da man hier mit anderen im Wettbewerb steht.

Auch die Verteuerung kommunaler Angebote wie Schwimmbädern oder Sporthallen kann sich als Fehlkalkulation erweisen – wenn Kunden diese nicht mehr wahrnehmen. Grundstückseigentümer hingegen können und wollen sich im Allgemeinen nicht von ihrer Immobilie oder ihrem Wohnort trennen, auch wenn die Abgaben steigen.

EY-Branchenexperte Heinrich Fleischer geht in der „Welt“ davon aus, dass die Neubewertung der Grundsteuerwerte zu deutlichen Erhöhungen führen werde. Zwar hatten Länder, Gemeinden und kommunale Spitzenverbände angekündigt, dass die Anpassung nicht mit Mehrbelastungen für Betroffene verbunden sein würde. Allenfalls werde es Verschiebungen zwischen Luxus- und Randlagen geben.

Lediglich vier Wochen Zeit für Einspruch

Dies lasse sich jedoch nur durch ein Gegensteuern mittels niedrigerer Hebesätze gewährleisten. Und dorthin gehe der Trend gerade nicht:

Wir sehen einen bundesweiten Trend zu immer höheren Grundsteuer-Hebesätzen.“

Fleischer rät Betroffenen zu einer gründlichen Kontrolle von Bescheiden, die an sie ergehen. Sind Werte zu Grundstücksgröße, Wohnungsgröße oder Baujahr falsch angegeben, beträgt die Widerspruchsfrist lediglich vier Wochen nach Eingang.



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