Hans-Werner Sinn: EU finanziert sich über Zölle – und hat Interesse an hohen Zöllen

Prof. Hans-Werner Sinn war gestern zu Gast bei Markus Lanz und nahm kein Blatt vor den Mund. Was er herausarbeitete und erklärte, kann einem Angst und Bange machen. Überlegen Sie gut, ob sie die folgenden Zeilen lesen wollen. Eine Analyse von Jürgen Fritz.
Von 16. März 2018

Gestern am späten Abend war der wohl renommierteste und profilierteste Ökonom überhaupt zu Gast bei Markus Lanz.

Was Prof. Hans-Werner Sinn, der kein Blatt vor den Mund nahm und dem der FDP-Vorsitzende Christian Lindner immer wieder voll zustimmte, hier herausarbeitete und erklärte, kann einem Angst und Bange machen. Überlegen Sie gut, ob sie die folgenden Zeilen lesen wollen.

Trump hat Recht mit seinen Vorwürfen gegen die EU

US-amerikanische Autos, so legte der Professor gleich fulminant los, werden innerhalb der EU mit 10 Prozent besteuert, unsere Autos in den USA aber nur mit 2,5 Prozent. Zugleich mache die EU Trump den Vorwurf, er würde die USA mit Schutzzöllen abschotten wollen. In Wahrheit sei es genau umgekehrt, erklärte Hans-Werner Sinn.

Die EU schotte sich mit verbraucherfeindlichen Schutzzöllen ab, um jeweils eine ganz bestimmte ökonomische Lobby zu privilegieren. Das gehe aber zu Lasten der europäischen Verbraucher und zu Lasten z.B. der USA, aber auch der dritten Welt. In der hiesigen (Trump-feindlichen, wenn nicht USA-feindlichen, JF) Presse werde das aber völlig falsch dargestellt.

Das Ganze geht immer zu Lasten der europäischen, insbesondere der deutschen Verbraucher

Ähnliches gelte für die EU-Agrarpreise. Diese lägen auf Grund der massiven Zölle im Schnitt ca. 20 Prozent über den Weltmarkt- und über den US-Preisen. Wer profitiert davon und wer leidet darunter, wer muss dafür bezahlen? Profiteure sind die europäischen Bauern, die über ihre Lobby die EU in Brüssel dazu bringen, sie über hohe Zollgebühren zu schützen. Dies gehe natürlich zu Lasten insbesondere der deutschen Verbraucher, die entsprechend mehr bezahlen müssen für Lebensmittel.

Rindfleisch werde zum Beispiel, wenn es importiert wird, mit 69 Prozent Steuern belastet, Schweinefleisch mit 26 Prozent Steuern. In den USA seien die Nahrungsmittel dramatisch niedriger.

Bei einem normalen zollfreien Austausch würden die normalen Verbraucher, gerade die einfachen Leute enorm davon profitieren, ihr Lebensstandard wäre bei gleichem Geld deutlich höher, weil sie ja bei deutlich niedrigeren Lebensmittelpreisen viel billiger einkaufen könnten.

Schuld daran sei eindeutig die EU, die extrem protektionistisch unterwegs sei. Und davon hätten die US-Amerikaner nun endgültig genug. Und genau deswegen würde Trump sagen: Wenn Ihr jetzt nicht mal endlich damit aufhört, dann werden wir auch eure Autos höher besteuern.

Warum macht die EU das? Was steckt dahinter?

Die richtige Reaktion wäre jetzt nicht wie die EU das wolle, die Harley Davidson, Jeans und andere US-Produkte mit hohen Strafzöllen zu belegen, sondern die eigenen Schutzzölle abzubauen und freien, fairen Handel miteinander zu betreiben. Sodann erklärte Hans-Werner Sinn auch, warum die EU gerade ein Interesse an diesen hohen Schutz- oder Strafzöllen und sogar an einem Handelskrieg habe. Wie das, fragt sich der interessierte Laie und selbst der Kundige staunt nicht wenig.

Nun ganz einfach, die Zölle fließen in den EU-Haushalt und machen einen großen Teil des EU-Budgets aus. Über die Zollgebühren finanziert sich also der EU-Moloch selbst und hat daher ein Interesse daran, seine eigenen Einnahmen in die Höhe zu schrauben, das aber zu Lasten der eigenen Bevölkerung, die ja die höheren Preise bezahlen muss.

Das Ganze gehe aber noch weiter. All die Vorschriften, Verordnungen etc. in denen Lebensmittel genau vorgeschrieben werden, wie sie auszusehen haben (Gurken- und Bananenkrümmung, Apfel- und Kartoffelgröße etc.), dienen ebenfalls diesem Zweck: Der EU-Markt soll nach außen abgeschottet werden, zugunsten ganz bestimmter Firmen und Produzenten (reine Lobby-Politik). Und dies gehe alles immer zu Lasten der europäischen Verbraucher.

Der EU-Protektionismus schadet auch der Dritten Welt mehr als alle Entwicklungshilfe zusammen

Auf die Nachfrage von Lanz, ob das denn nicht auch massiv zu Lasten der Dritten Welt, z.B. des afrikanischen Kleinbauern gehen würde, antwortete der Ökonom: Ja, natürlich. Ein kanadischer Kollege habe das Ganze durchgerechnet.

Ergebnis: Die ganze Entwicklungshilfe in die Dritte Welt ist viel kleiner als der Nachteil, der der Dritten Welt dadurch entsteht, dass die entwickelte Welt deren Produkte bei sich nicht rein lässt, dass also der freie Handel untergraben wird (ökonomischer Anti-Liberalismus). Dies gelte ganz besonders für Agrarprodukte, bei denen die Dritte Welt einen Handelsvorteil habe (da sie günstiger produzieren können).

Die öffentliche Diskussion (von der EU und ihnen hörigen Journalisten gesteuert?) sei daher völlig verdreht und verfälscht. Man würde alle möglichen moralisierenden Begründungen vorschieben für die Schutzzölle, in Wahrheit aber treffe man damit just die einfachen Leute.

Lindner: Die Linken befeuern diese Abschottung der EU

Christian Lindner (FDP) stimmte Prof. Sinn voll und ganz zu. Es wäre oft genug eine Abschottung bei uns gewesen – von der linken Seite befeuert – zu Lasten von Millionen Verbrauchern hier bei uns. Die richtige Maßnahme wäre nun, ein Freihandelsabkommen mit Kanada und Japan zu schließen und dann auch mit Trump zu sprechen.

Auf den Einwurf einer Journalistin, tja, es wäre eben doch ein Fehler gewesen, dass die FDP aus den Jamaika-Koalitionen ausgestiegen sei, denn damit habe sie sich selbst der Möglichkeit beraubt, solche Dinge in einer schwarz-gelb-grünen Regierung durchzusetzen, entgegnete Lindner, dass die FDP keine Chance sah, dies mit den Grünen zusammen umzusetzen, da diese das Freihandelsabkommen kategorisch ablehnten.

Der wahre Grund für das Scheitern „Jamaikas“

Sodann vertiefte Prof. Sinn das Ganze nochmals und enthüllte, warum Jamaika tatsächlich gescheitert ist.

In Wahrheit gehe es um eine europäische Transferunion. Der französische Staatspräsident Macron wolle einen europäischen Finanzminister, er wolle europäische Steuern, er wolle europäische Verschuldungsmöglichkeiten, er wolle eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung, er wolle eine gemeinsame Kontenabsicherung usw. usf.

Anmerkung von mir: Das heißt, was Macron will, ist ein sozialistisches Europa. Warum will Macron und warum wollen viele andere in der EU das?

Natürlich weil sie dann die deutschen Steuerzahler und das deutsche Volk vollkommen aussaugen können. Diese müssten dann für deren Schulden einstehen, müssten deren Arbeitslose zahlen, immer und immer wieder deren marode Banken retten etc.

Macron: Wenn Lindner in die Regierung eintritt, bin ich tot

Dies aber, so Sinn weiter, wären riesige Lasten, die auf den deutschen Steuerzahler zukämen. Und Macron soll gesagt haben:

Wenn Lindner in die Regierung eintritt, bin ich tot.“

Anmerkung Jürgen Fritz: Lindner war als Bundesfinanzminister vorgesehen und hätte dieses völlige Aussaugen Deutschlands nicht mitgemacht. Wer sich dem noch energischer entgegenstellt, ist die AfD, mit der Herr Lindner aber seltsamerweise überhaupt nichts zu tun haben möchte, obschon er hier den optimalen Verbündeten hätte, wäre es ihm wirklich ernst.

Und das sei laut Sinn der wahre Grund, warum Jamaika scheitern musste: Frankreich habe auf keinen Fall die FDP in der Regierung gewollt, weil diese sich einer vollkommen sozialistischen EU in den Weg gestellt hätte. (Daher wohl auch die größere Nähe Merkels, die eigentlich eine mittlere Position einnimmt, zu den Grünen als zur FDP, um die außenpolitische Verbindung zu Frankreich nicht zu gefährden, das aber zu Lasten des eigenen Volkes. JF)

Italien liegt am Boden

In Wahrheit, so Prof. Sinn sehr entschieden, gehe es um die Frage: Wird Deutschland das Portemonnaie aufmachen, um die nicht mehr wettbewerbsfähigen Länder im Süden durch eine Transferunion zu stützen (resp. dauerhaft zu alimentieren und am Leben zu erhalten und so in eine Dauerabhängigkeit und Dauerunfähigkeit zu führen, JF).

Und dazu sagt die FDP (und die AfD noch entschiedener, JF): Nein, das machen wir nicht mit. Das können die deutschen Steuerzahler gar nicht leisten. Das könnten diese aber gar nicht schaffen, das sei eine viel zu große Nummer. Jeder müsse um sich selbst kümmern.

Zugleich halte man diese Länder, wie insbesondere Griechenland in der Massenarbeitslosigkeit, weil sie nicht konkurrenzfähig seien, wenn man sie zwinge, im Euro zu bleiben.

Ein noch viel größeres Problem als Griechenland sei aber Italien (und Frankreich, JF). In Italien sei der Frust maximal. Italien läge am Boden. Die italienische Industrieproduktion sei um mehr als 20 Prozent unter dem Niveau von vor zehn Jahren. Ein Viertel der Firmen sei Pleite gegangen. Heute würden die Italiener sagen: Entweder Geld her oder wir treten aus.

Er wisse auch nicht, wie wir aus der Nummer wieder rauskommen könnten. Denn Italien sei nicht Griechenland (über 60 Mio. Einwohner gegenüber nicht mal 11 Mio. Griechen). In Griechenland habe man alles mit Geld zugekleistert (die Probleme aber im Grunde nie gelöst). So viel Geld gebe es aber gar nicht, um Italien so zu helfen wie Griechenland.

Zölle dienen nicht dem Allgemeinwohl, sie schaden ihm und ein Handelskrieg wäre eine Katastrophe

Jeder Zoll, so Sinn weiter, habe eine Doppelwirkung. Er helfe der heimischen Industrie, die dadurch vor Konkurrenz geschützt werde, belaste aber die Verbraucher, weil die natürlich unnatürlich hohe Preise bezahlen müssten. Der negative Effekt auf die Verbraucher sei aber unterm Strich wichtiger als der andere (dominant).

Der Punkt sei aber, die Verbraucher seien sehr viele. Die könne man politisch nicht aktivieren, da jeder nur ein wenig betroffen sei, während die betroffenen Industrien nur wenige Menschen seien, die aber ein massives Interesse hätten, ihre Interessen durchzusetzen. Daher gehe es meist darum, die Arbeitsplätze zu schützen, nicht aber die Verbraucher (Agieren gegen das Allgemeinwohl, um Partikularinteressen zu bedienen, die sich massiv in Szene zu setzen wissen).

Ein Handelskrieg sei nicht nur eine Sackgasse, sondern eine Katastrophe. Denn Freihandel sei die Quelle des Wohlstandes. Jeder könne sich spezialisieren, auf das, was er gut kann. Dies gelte genauso für Länder.

Jedes Land könne sich auf das spezialisieren und damit wachse der Wohlstand der Welt. Ohne Freihandel müsste jeder alles machen, auch das, was er nicht so gut kann. Deutschland sei der große Profiteur des Freihandels der Welt. Just dies sei aber gefährdet, a) durch Trump, b) durch die EU.

Durch den Brexit ist die Machtbalance zwischen Norden und Süden nicht mehr gegeben, der Süden kann ab jetzt machen, was er will

Das größte Problem durch den Brexit sei nicht, wie viele glauben, dass die Exporte nach Großbritannien stark zurückgingen, sondern der Verlust der offenen britischen Denkweise in der EU. Entscheidend sei diese Art zu denken, diese ökonomische Kultur. Und die könnte durch den Brexit großen Schaden nehmen.

Ganz konkret: Im Ministerrat gebe es eine Sperrminorität der Länder, die mindestens 35 Prozent der Bevölkerung der EU stellen. Damit hatten wir bisher ein Gleichgewicht von Nord (Deutschland, GB, Niederlande, Österreich, skandinavische Länder …) und Süd (Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland …).

Die Nordländer hatten bisher 39 Prozent, die Südländer 38 Prozent der EU-Bevölkerung. Beide hatten eine Sperrminorität, der Norden und der Süden. Wenn Großbritannien weg sei, habe der Norden nur noch 30 Prozent der Einwohner – und damit keine Sperrminorität mehr -, der Süden aber 43 Prozent. Das heißt, der Süden kann zukünftig machen, was er will.

Anmerkung JF: Und was die Südländer wollen, dürfte klar sein: die Umwandlung der EU in einen völligen Sozialismus, um die Nordländer, vor allem Deutschland, Österreich etc. grenzenlos auszusaugen.

Dass ihre Konten geplündert werden, begreifen die Deutschen erst, wenn es zu spät ist

Das kann alles überhaupt nicht funktionieren, so Prof. Sinn. Die Verschiebung der Machtverhältnisse, hin zur südlichen (sozialistischen, JF) Dominanz, sei äußerst besorgniserregend. Die Entwicklung gehe hin zu einer Transferunion, gegen die wir uns gar nicht mehr wehren können, weil wir keine Sperrminorität mehr haben.

Und all das stehe im schwarz-roten Koalitionsvertrag auch drin. Schon die Krisen der letzten Jahre seit 2010 wurden immer nach dem gleichen Prinzip „gelöst“ (in Wahrheit: in die Zukunft verschoben, JF): Man legte das Portemonnaie im Wesentlichen des deutschen Steuerzahlers auf den Tisch und sagte: Habt keine Angst, die Deutschen zahlen im Zweifel das Geld zurück, wenn die anderen am Ende sind.

Was aber wird in 15 Jahren passieren, fragt Sinn, wenn die Babyboomer in Ruhestand gehen werden und ihre Altersrente haben wollen von Kindern, die sie gar nicht haben. Spätestens dann werden uns die ganzen Haftungsversprechen in der Eurozone auf die Füße fallen. Was ist dann los in Deutschland, fragt der Ökonom. Dass ihre Konten geplündert werden, würden die Deutschen erst dann begreifen, wenn es zu spät sei.

Video: Ökonom Prof. Hans-Werner Sinn bei Markus Lanz (ab 7:20 min)

https://www.youtube.com/watch?v=duzwTblnuMY

Über den Autor: Jürgen Fritz ist Pädagoge, Philosoph und Financial Consultant. Er ist seit Jahren als freier Autor tätig. 2007 erschien seine preisgekrönte philosophische Abhandlung „Das Kartenhaus der Erkenntnis – Warum wir Gründe brauchen und weshalb wir glauben müssen“ als Buch, 2012 in zweiter Auflage. Sein Blog: Jürgen Fritz

 

Siehe auch:

USA-Wirtschaftsberater: Europa könnte von Strafzöllen ausgenommen werden, wenn sie verhandeln

Mundtot gemacht: Kritische Blogger und Aktivisten werden zunehmend wirtschaftlichem Druck ausgesetzt

Finis Germania – Ein Buch, das für Schlagzeilen sorgt

Jürgen Fritz: 15 Millionen müssen 68 Millionen mehr oder weniger mittragen

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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