Hausaufgaben gemacht: Aiwanger hat 25 Fragen beantwortet, jetzt ist Söder am Zug

Bayerns Ministerpräsident Söder (CSU) hatte seinem Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler) 25 Fragen geschickt, um die Vorwürfe um ein antisemitisches Flugblatt aus Schulzeiten aufzuklären. Aiwanger hat gestern die Antworten geliefert. Die sich seit über einer Woche entrollende „Flugblatt-Affäre“ geht nun in die nächste Runde.
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Kurz vor der bayerischen Landtagswahl: Hubert Aiwanger beantwortet Fragen zur Flugblattaffäre.Foto: Christophe Gateau/dpa/dpa
Von 2. September 2023

Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger hat die geforderten 25 Antworten geliefert; die Staatskanzlei hat am Freitag den Eingang der schriftlichen Antworten bestätigt. Jetzt steht die Reaktion von CSU-Chef Markus Söder aus. Der Bayerische Ministerpräsident muss entscheiden, ob er – circa einen Monat vor der Landtagswahl am 8. Oktober – seinen Vize Aiwanger entlässt oder nicht. Wann diese Entscheidung bekannt gegeben wird, ist noch unklar. Erst einmal würden die Antworten „in Ruhe“ ausgewertet, hieß es heute Morgen aus CSU-Kreisen.

Zum Inhalt der Antworten war zunächst noch nichts bekannt. Auch die Fragen, die die Staatskanzlei an den Chef der Freien Wähler geschickt hatte, waren nicht veröffentlicht worden. Geplant ist die Thematisierung der „Causa Aiwanger“ beim „Zwischenausschuss“ des bayerischen Landtags am Donnerstag, dem 7. September. Den Antrag dazu hatten Vertreter der Grünen, der SPD und der FDP gestellt.

Aiwangers mögliche Verfehlungen vor 36 Jahren

Nach dem Hochkochen der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt hatte der bayerische Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger („Freie Wähler“, FW) dementiert, zu Schulzeiten als 17-Jähriger das Pamphlet geschrieben zu haben. „Ich habe das fragliche Papier nicht verfasst und erachte den Inhalt als ekelhaft und menschenverachtend“, hatte Aiwanger dazu schriftlich erklärt.

Aiwanger räumte gleichzeitig ein, dass „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden seien. Das war vor 36 Jahren. Indes hatte Aiwangers älterer Bruder Helmut zugegeben, der Verfasser gewesen zu sein. Hinzukommend hatte Aiwanger im Rahmen eines kurzen Statements vor der Presse um Verzeihung gebeten für „mögliche Verfehlungen in seiner Jugend“:

Er bereue zutiefst, falls er Gefühle verletzt haben sollte: „Alle Opfer des NS-Regimes, deren Hinterbliebene und alle Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit“ bittet er um Entschuldigung: „Ich war nie ein Antisemit.“ Im gleichen Atemzug betonte der Chef der bayerischen Freien Wähler aber erneut, dass er eine „Kampagne“ sehe, durch die er „politisch und persönlich fertig gemacht werden soll“.

Den Stein ins Rollen gebracht: Aiwangers Lehrer und die „Süddeutsche“

Wichtiger Baustein dieser mutmaßlichen Kampagne ist der Informant der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ), die die Affäre vor über einer Woche losgetreten hatte. Der ehemalige Lehrer Aiwangers hatte der Zeitung das 36 Jahre alte Flugblatt zugespielt. Er soll bereits vor Jahrzehnten auch an einem Disziplinarverfahren gegen Hubert Aiwanger beteiligt gewesen sein.

Welche Motivation der Lehrer Franz G., der unter anderem auch als Redner bei SPD-Veranstaltungen auftritt, hatte, gerade jetzt kurz vor den bayerischen Landtagswahlen sein Wissen öffentlich zu machen, diese Frage wird bei Alexander-wallasch.de gestellt, und weitere Fragen über den „passionierten Dokumentensammler“.

„War er privat im Besitz des Flugblattes oder gab es eine Aktenlage dazu? Besaß er sie privat, hätte er sie privat besitzen und verbreiten dürfen. Hätte er aber überhaupt Informationen aus einem internen jahrzehntealten schulischen Disziplinarverfahren öffentlich machen dürfen?“

Verschwiegenheitspflicht gebrochen?

Rechtsanwalt Dirk Schmitz ordnet das als einen „Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz“ ein. Es handle sich bei dem Flugblatt im Zusammenhang mit dem schulischen Disziplinarverfahren um personenbezogene Daten. Als Beamter unterliege der Lehrer „weiterhin den rechtlichen Vorschriften. Und damit auch den amtlichen Geheimhaltungsvorschriften.“

Denn nach Paragraf 14 der bayerischen „Lehrerdienstordnung“ gelte die Verschwiegenheitspflicht einer Lehrkraft „auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses“. Gegenüber der Presse dürften zudem nur „die Schulleiterin oder der Schulleiter oder die von ihr oder ihm beauftragte Lehrkraft“ Auskunft geben. Bei Verstößen könne das „Bayerische Disziplinargesetz“ (BayDG) greifen. Und das mit durchaus „scharfen Strafen“. Ein Pensionär könne beispielsweise eine Kürzung der „Dienstbezüge“ um bis zu 20 Prozent für fünf Jahre (Artikel 9 BayDG) erwarten. Epoch Times berichtete.

 Rücktritt oder nicht? Das sagen die Deutschen zu den Konsequenzen

Laut einer INSA-Umfrage im Auftrag der „Bild“ (hinter Bezahlschranke) sind die Deutschen zur „Flugblattaffäre“ geteilter Meinung: 38 Prozent finden, dass Aiwanger zurücktreten sollte. Fast genauso viel, 39 Prozent, sind gegen einen Rücktritt. 23 Prozent wissen es nicht oder machten keine Angabe. Der Umfrage zufolge befürworten SPD- und Grünen-Anhänger mit über 60 Prozent einen Rücktritt Aiwangers. Von den Union-Anhängern sind nur 36 Prozent für einen Rücktritt 50 Prozent hingegen gegen einen Rücktritt.

47 Prozent der Befragten sind zudem dagegen, dass Personen, die in ihrer Jugend rechtsextreme Ansichten vertreten haben, später in ihrem Leben noch hohe politische Ämter ausüben dürfen.



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