Henryk M. Broder zu Wuppertal: „Einmal zahlen, immer fahren“
Henryk M. Broder hat einen neuen Werbespruch für die Wuppertaler erfunden. In der Stadt wird über ein neues Finanzierungsmodell für den Öffentlichen Nahverkehr gerungen – eine Zwangsgebühr. So sollen alle Bürger der Stadt künftig einmalig für ein neues Ticket im Öffentlichen Nahverkehr zahlen, frei nach dem Motto: „all you can drive“. Es funktioniert wie die Rundfunkgebühren: Auch wenn man gar nicht fährt, muss man zahlen. Also falls es nach der Initiative des „Solidarischen Bürgertickets“ geht.
Broder schreibt in der „Welt“: „Seit Kurzem diskutieren die Wuppertaler über ein anderes städtisches Anliegen, das sogenannte Bürgerticket. Jeder Bürger der Stadt zahlt, gestaffelt nach Einkommen, einen bestimmten Betrag und bekommt dafür ein Ticket, mit dem er die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs nutzen kann, wann er will und so oft er will – auch die berühmte Wuppertaler Schwebebahn, das Wahrzeichen der Stadt.“
Und „Wer, egal aus welchen Gründen, keine öffentlichen Nahverkehrsmittel benutzt, soll den Betrag trotzdem entrichten, denn es handelt sich um ein ’solidarisches Bürgerticket‘.“
Damit würde wie beim Rundfunkbeitrag der Bürger nicht für eine Fahrt mit dem Bus oder der Schwebebahn bezahlen – sondern alleine für die Möglichkeit, dass er den Bus nutzen könnte. Oder mit Broder gesagt: „Eine Art ‚All you can eat‘ bezogen auf den Nahverkehr.“
Wieviel wäre zu zahlen?
Die Akteure des „Solidarischen Bürgerticket“ schlagen in ihrem Konzept vor: Erwachsene, die in Wuppertal gemeldet sind und im Monat über 1500 Euro netto verdienen, sollen monatlich den vollen Preis von 50 Euro zahlen. Bei einem Verdienst zwischen 900 und 1500 Euro wären 30 Euro zu zahlen, wer weniger verdient zwölf Euro. Es soll Sonderregelungen für Kinder, Studenten, Schwerbehinderte und andere Härtefälle geben. Es gäbe auch weiterhin Einzelfahrscheine zu kaufen – für Besucher und Pendler. Wuppertal hat um die 350.000 Einwohner.
Sonderlich interessant fanden das Modell die Wuppertaler nicht unbedingt, zu einer Informationsveranstaltung kamen nur gut 60 Besucher. Fraglich scheint, ob die Stadtwerke dies überhaupt stemmen könnten. Die „Welt“ zitiert einen Nutzer des ÖPNV so: „Er wolle keine 50 Euro im Monat zahlen, wenn der Bus nicht kommt.“
Um so ein Modell tatsächlich realisieren zu können, müssten einige Landesgesetze geändert werden. Die Initiative „Bürgerticket Initiative Wuppertal“ forderte Ende Januar 2019 vom Landtag NRWs und dem Stadtrat, dass das Konzept sachlich diskutiert und verbessert wird, wenn es notwendig sei. Sie schlagen vor, es ab dem 2. Halbjahr 2019 als Pilotprojekt „Nordstadtticket“ durchgeführt wird. Dies sei im Green-City-Plan so verabschiedet wurden.
Im kommenden Jahr 2020 könnten dann alle Vorarbeiten für die flächendeckende Einführung abgeschlossen werden. Im Jahr darauf sollte ein großer Modellversuch starten, der wissenschaftlich begleitet über ein Jahr angelegt wird. Und im Anschluss daran könnte das „Solidarische Bürgerticket“ weitergeführt oder verbessert – oder auch beendet werden.
Das Geld soll über das Einwohnermeldeamt eingezogen werden
Wuppertal hat um die 350.000 Einwohner (Wikipedia). Es kämen nach Rechnungen der Urheber etwa 148 Millionen Euro pro Jahr zusammen. Hinzu könnten die Einnahmen aus den „Knöllchen“ für Parksünder der Stadt kommen – etwa 10 Millionen Euro jährlich – und die Einnahmen aus Parkplätze und Parkhäusern (rund 2 Millionen Euro).
Das gesamte Konzept kann auf www.buergerticket-wuppertal.de eingesehen werden, sie kalkulieren mit 163 Millionen Euro Einnahmen. Die bisherigen Ausgaben der WSWmobil GmbH betrugen im Jahr 2017 140 Millionen Euro.
Broder findet: Das sei riskant – wegen Überfüllung
Henryk M. Broder findet dies einerseits praktisch. Denn der Öffentliche Nahverkehr könnte mit soliden Einnahmen rechnen. Doch andererseits könnten viele Nutzer verfährt werden, „aus Spaß an der Freud den ÖPNV zu benutzen“ Daher gelte als guter Werbespruch: „Einmal zahlen, immer fahren“.
Jedoch: „Und irgendwann würde sich das Verfahren für die Wuppertaler Verkehrsbetriebe nicht mehr rechnen. Es müsste wegen Überfüllung beendet werden.“
Broder denkt die Idee weiter und überlegt, was passieren würden, wenn man das Modell auf anders übertragen würde:
Um die Nöte der Theater zu lindern, könnte ein ’solidarisches Theaterticket‘ eingeführt werden. Oder eine ‚Luftbenutzungsgebühr‘, denn atmen muss jeder, auch wenn dabei bedauerlicherweise CO2 emittiert wird. Also ran an die brachliegenden Ressourcen. Und nicht vergessen: Die Witze von gestern sind die Wirklichkeit von morgen.“
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion