ifo: Wohnungsbau kommt zum Erliegen – neuer Höchststand bei Stornierung von Aufträgen

Das ifo Institut meldet eine anhaltende Flaute im Wohnungsbau in Deutschland. Zum zweiten Mal in Folge wurde mehr als ein Fünftel an anvisierten Projekten storniert. Auch der Wohnungsgipfel im September konnte bislang keine Impulse generieren.
Titelbild
Das ifo Institut weist eine besorgniserregende Entwicklung für den Wohnungsbau in Deutschland aus.Foto: Istockphoto/todamo
Von 6. November 2023

Im September hatte Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt, den Wohnungsbau in Deutschland zur Chefsache machen zu wollen. Zum sogenannten Wohnungsgipfel waren Vertreter von Verbänden, Ländern und Kommunen geladen. Bereits im Vorfeld hatte sich das Kabinett auf ein 14-Punkte-Programm zur Förderung der Bautätigkeit geeinigt.

Ein nennenswerter Effekt ist bis dato allerdings noch nicht zu bemerken – dies geht zumindest aus den Ergebnissen einer Umfrage des ifo Instituts in München hervor. Vielmehr hätten die Stornierungen von Aufträgen einen neuen Höchststand erreicht. Dies geht aus einer Erklärung des Leiters der Abteilung für Umfragen des ifo Instituts, Klaus Wohlrabe, vom Montag, 6. November, hervor.

Jedes zehnte Unternehmen beklagt Finanzierungsschwierigkeiten

Die Lage werde „immer schlimmer“, so Wohlrabe. Bereits im September hatte der Anteil der Stornierungen befragten Unternehmen zufolge bei 21,4 Prozent gelegen. Im Oktober stieg dieser weiter auf 22,2 Prozent. Das Neugeschäft sei weiterhin sehr schwach, gleichzeitig sei ein „Abschmelzen“ der Auftragsbestände zu beklagen.

Auch der Anteil der Unternehmen, die über Auftragsmangel klagten, sei von 46,6 Prozent im September auf 48,7 Prozent im Vormonat angestiegen. Ein Jahr zuvor seien es erst 18,7 Prozent gewesen.

Was insbesondere vor dem Hintergrund der von der Politik angekündigten Offensive Bände spricht: Die Erwartungen auf eine Besserung der Lage sind in der Branche gering. Die Erwartungen der ifo-Umfrage notierten bei außerordentlich schlechten -63,9 Punkten. Jedes zehnte Unternehmen spreche bereits von Finanzierungsschwierigkeiten. Für Wohlrabe steht fest:

Der Ausblick für den Wohnungsbau bleibt finster, die Unternehmen stimmen sich auf harte Zeiten ein.“

Bilanz im Wohnungsbau mutmaßlich noch trüber als angenommen

Das ifo macht vor allem die sogenannte Zinswende und die Inflation für die Entwicklung verantwortlich. Diese stellen Unternehmen im Wohnungsbau gleich vor mehrfache Herausforderungen. Die steigenden Materialkosten drohen, ursprüngliche Kalkulationen aus dem Ruder laufen zu lassen. Gleichzeitig werden Kredite infolge der steigenden Zinsen teurer und schwieriger zu bekommen.

Für die Bundesregierung dürfte das selbst gesteckte Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu errichten, in noch weitere Ferne gerückt sein. Von diesen sollten mindestens ein Viertel Sozialwohnungen sein. Tatsächlich hatte bereits im Vorjahr die Zahl der neu errichteten Wohneinheiten maximal 295.000 betragen.

Das laufende Jahr wird nach Einschätzung des ifo eine noch durchwachsenere Wohnungsbaubilanz mit sich bringen. Im April wurde ein Drittel weniger an neuen Wohnungen bewilligt als im Vergleichsmonat von 2022. Für 2025 rechnete man bereits im Juni mit nur noch maximal 200.000 neuen Einheiten. Das war noch vor dem neuerlichen drastischen Einbruch im Frühherbst. Der Branchenverband ZIA rechnet für 2025 mit einem Fehlbestand von rund 700.000 Wohnungen.

Dem „Handelsblatt“ zufolge waren die Baupreise bereits im zweiten Quartal um knapp neun Prozent gegenüber dem Jahr zuvor gestiegen. Die Situation mache auch Projektentwicklern zu schaffen, weshalb der Einbruch bei den Baugenehmigungen so drastisch ausfalle.

Steuervergünstigungen und Förderprogramme sollen Bautätigkeit ankurbeln

Die Ampel will der Entwicklung nun mit einem Bündel an Maßnahmen gegensteuern. Dazu gehört eine Sonderabschreibung (Sonder-AfA), die Steuervorteile bei der Durchführung von Bauvorhaben schaffen soll. Die Förderung des Heizungstausches soll durch einen „Klimabonus“ sowie einen eigenen „Klimageschwindigkeitsbonus“ vergünstigt werden.

Wie die „Tagesschau“ berichtet, soll auch die Höchstgrenze des Jahreseinkommens steigen, bis zu der Familien vergünstigte KfW-Baukredite beantragen können. Mit einem Wohneigentumsprogramm „Jung kauft Alt“ will man 2024 und 2025 auch den Erwerb von sanierungsbedürftigen Bestandsgebäuden unterstützen. Außerdem soll es günstige KfW-Kredite zur Sanierung geben.

Geplant ist auch ein Förderpaket für die Umwandlung von Büroflächen in klimafreundliche Wohnungen. Die Länder sollen ihre Grunderwerbsteuer flexibler gestalten und im Gegenzug Vergünstigungen für den sozialen Wohnungsbau erhalten. Ab 2024 soll es auch die sogenannte Wohngemeinnützigkeit geben – mit steuerlichen Vergünstigungen und Förderungen für Vermieter, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen.

Wohnungsbau soll wieder berechenbarer werden

Darüber hinaus will die Ampel etwas mehr an Berechenbarkeit hinsichtlich der Zukunftserwartungen schaffen. Bereits das Heizungsgesetz und die Krisen der vergangenen Jahre hatten massive Unsicherheiten für Bauträger und den Immobilienmarkt insgesamt nach sich gezogen.

Die früher oder später zum Tragen kommende Pflicht zur Umstellung von Heizsystemen lässt trotz Förderungen für viele Hausbesitzer oder potenzielle Käufer Mehrkosten in mindestens fünfstelliger Höhe erwarten. Dazu kommen aktuelle Unsicherheiten, etwa über die Brauchbarkeit von Energieausweisen.

Nun erklären Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesbauministerin Klara Geywitz, dass es bis auf Weiteres genug sei mit Belastungen für Immobilienbesitzer. Beide hatten erklärt, den strengeren Energieeffizienzstandard EH40 für Neubauten nicht einführen zu wollen. Geywitz will sich zudem auf EU-Ebene gegen eine Sanierungspflicht für einzelne Gebäude wehren. Diese will Brüssel im Wege einer Richtlinie festschreiben. Auf Immobilieneigentümer würden in diesem Fall noch höhere Kosten zukommen.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion