Illegale Aufenthaltstitel: Betrügerische Bande in Berlin aufgeflogen

In Berlin werden 12 Prozent aller Aufenthaltstitel deutschlandweit ausgestellt. Nun flog eine Bande aus sieben Personen auf, die mutmaßlich mit illegalen Aufenthaltstiteln handelte. Der Fall steht möglicherweise in Verbindung mit den Einbrüchen in der Berliner Ausländerbehörde, bei denen Blankoformulare gestohlen wurden.
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Unter Verwendung zuvor gestohlener Blankoformulare wurden Reisepässe mit scheinbar legalen Niederlassungserlaubnissen versehen. Foto iStock/Symbolbild
Von 24. Februar 2020

Illegale Aufenthaltstitel: In Berlin ist eine systematisch arbeitende Bande aufgeflogen. Die Bande steht im Verdacht, in mindestens sieben Fällen „gemeinschaftlich und arbeitsteilig im Auftrag ausländischer ‚Kunden’“ Reisepässe manipuliert zu haben, berichtet die Berliner Generalstaatsanwaltschaft.

Dabei wurden unter Verwendung zuvor gestohlener Blanko-Aufenthaltstitel gemeinsam mit einer Mitarbeiterin im Bürgeramt Reisepässe mit scheinlegalen Niederlassungserlaubnissen versehen.

Die 36-jährige Bürgeramtsmitarbeiterin, die laut „Welt“ neben der deutschen auch die Staatsbürgerschaft Bosnien-Herzegowinas besitzen soll, war dabei anscheinend Teil der Bande. Pro illegal erteiltem Aufenthaltstitel erhielt die Mitarbeiterin 5.000 Euro, gab die Berliner Generalstaatsanwaltschaft bekannt.

Razzia mit zwei Haftbefehlen und sechs Durchsuchungsbeschlüssen

Im Rahmen einer Razzia wurden zwei Haftbefehle und sechs Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Einer der Haftbefehle bezog sich dabei auf die Mitarbeiterin des Amtes, der andere auf den mutmaßlichen Anführer, einen 43-jährigen Pakistani.

Insgesamt geht es um sieben Beschuldigte. Ein Ermittlungsverfahren „wegen des Verdachts der Bestechlichkeit beziehungsweise der gewerbsmäßigen, bandenmäßigen Bestechung und Urkundenfälschung sowie eines Verbrechens nach dem Aufenthaltsgesetz“ wurde eingeleitet.

Die Staatsanwaltschaft erwirkte gegen die Bürgeramtsmitarbeiterin auch eine Festsetzung (dinglicher Arrest) über 35.000,00 Euro ihres Vermögens. Über diesen Arrest pfändete die Staatsanwaltschaft 28.000 Euro, die man bar in der Wohnung der Mitarbeiterin fand.

Bei den Durchsuchungen in vier Objekten stellte man Mobiltelefone und Schriftstücke sicher. Laut Generalstaatsanwaltschaft dauern die Ermittlungen weiter an.

Einbruch in Berliner Ausländerbehörde mit Diebstahl von Blanko-Aufenthaltstiteln

Niederlassungserlaubnisse sind unbefristete Aufenthaltstitel, mit denen man nach frühestens sechs Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen kann.

Der nun aufgeflogene Betrug steht möglicherweise im Zusammenhang mit den Einbrüchen in das Berliner Landesamt für Einwanderung (ehemals Ausländerbehörde) im Jahre 2017 und 2019.

Hierbei wurden Blanko-Aufenhaltstitel-Dokumente und Dienstsiegel gestohlen. Nach den Einbrüchen wurden vermehrt gefälschte Aufenthaltserlaubnisse und „gewaschene“ Pässe entdeckt, weshalb die Bundespolizei im Juni einen bundesweiten Warnhinweis herausgab. Sie sprach dabei von 20.000 abhanden gekommenen Dokumenten.

Im Juli erklärte der Berliner Senat nach Anfrage der AfD-Fraktion, dass von den 2017 erbeuteten Blanko-Dokumenten 1.500 wieder durch Ermittlungen sichergestellt werden konnten. „Weitere 330 Dokumente wurden bislang bei (versuchten) illegalen Einreisen und bei sonstigen missbräuchlichen Nutzungen im Bundesgebiet festgestellt“, so der Berliner Senat.

Dem Senat ist darüber hinaus bekannt, „dass gestohlene Aufenthaltstitel (bisher nur Niederlassungserlaubnisetiketten) in echten Nationalpässen angebracht werden, die dann im Rahmen eines Übertrages bei verschiedenen Bürgerämtern in einen neuen Nationalpass übertragen wurden“.

Damals hat die Ausländerbehörde 75 solcher Fälle aufgedeckt. Betroffen seien dabei Dokumente „sowohl aus dem Diebstahl im Oktober 2017 als auch im April 2019“.

Kein Datenabgleich zwischen Bürgerämtern und Ausländerbehörde

Die Betrugsmasche, die die jetzt aufgeflogene Betrugsbande bei Aufenthaltstiteln anwendete, wäre mithilfe eines elektronischen Datenabgleichs zwischen Bürgerämtern und dem Landesamt für Einwanderung bzw. anderen Ausländerbehörden in der Bundesrepublik nicht möglich gewesen.

Auch mit der bundesweiten Einführung eines elektronischen Aufenthaltstitels (eAT), die schon 2011 beschlossen wurde, könnte ein Missbrauch effektiv unterbunden werden. Den Bundesländern wurde allerdings bis zum Jahr 2021 Zeit gegeben, den Beschluss umzusetzen.

Berlin setzt den Beschluss bis jetzt nicht vollständig um. Auch fand bis vor kurzem kein Datenabgleich zwischen den Bürgerämtern und dem Landesamt für Einwanderung statt. Das Landesamt begründet dies gegenüber der Epoch Times einerseits damit, dass viele Fachkräfte, Selbständige oder Studierende aus OECD Staaten (USA; Israel, Kanada, Neuseeland, Australien, Japan, Südkorea) kämen und visafrei einreisen dürften. „Sie können sofort eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung erhalten, manchmal verbunden mit Geschäftsreisen in Europa. Sie wünschen eine schnelle Arbeitsaufnahme, die zumeist auch im öffentlichen Interesse liegt“, so die Berliner Innenverwaltung.

Auch Absolventen deutscher Hochschulen fänden nach Abschluss schnell Anstellungen, insbesondere in den MINT- Berufen. Gastprofessoren, Wissenschaftler oder andere Fachkräfte würden zudem häufig auch ihre Arbeitgeber wechseln, was eine neue Aufenthaltserlaubnis voraussetze. Sie alle müssten im Regelfall 6 Wochen bis zur Produktion des eAT durch die Bundesdruckerei warten.

Eine „fast lane“ würde durch den Bund für diese Menschen nicht angeboten. Mit dem Aufenthaltstitel als Klebe-Etikett ermögliche das Landesamt für Einwanderung die sofortige Arbeitsaufnahme oder den Arbeitsplatzwechsel. Andererseits fehlen in der Behörde Mitarbeiter zur Umsetzung dieser bundesrechtlichen Vorgaben, erklärt ein Sprecher aus der Innenverwaltung.

Januar 2020: 40 Prozent aller Aufenthaltstitel elektronisch ausgestellt

Berlin stellte 2018 ein Fünftel (20 Prozent) aller Aufenthaltstitel elektronisch aus, 2019 waren es 25 Prozent, im Januar 2020 etwa 40 Prozent. Bis zum Sommer 2020 sollen alle Titel elektronisch ausgestellt werden, so der Sprecher.

Ein elektronischer Aufenthaltstitel besteht aus einer Plastikkarte im Scheckkartenformat. Mit einem Chip, auf dem Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Adresse, biometrische Merkmale (Lichtbild und Fingerabdrücke) sowie Auflagen gespeichert sind, verfügt diese auch über eine Online-Ausweisfunktion.

Seit Februar 2020 gibt es ein neues Verfahren für die Bürgerämter der Berliner Bezirke namens VOIS eAT. Die Bürgerämter können ab sofort elektronische Aufenthaltstitel rein technisch bestellen.

Daher erfolgt der Umgang mit den Aufenthaltstiteln in den Bürgerämtern somit nun nur noch in den seltensten Ausnahmefällen als Etikett, so der Sprecher der Innenverwaltung. Die Übertragung gefälschter Titel auf amtliche Dokumente sei damit nicht mehr möglich, sagt das Amt. Denn: Bei jedem Vorgang erfolgt automatisch über eine elektronische Schnittstelle eine Sachfahndungsabfrage für die alte Titelnummer und die neue Passnummer.

Bei einem Fahndungstreffer könne schon rein technisch kein Übertrag mehr erfolgen, die Polizei würde sofort durch das Bürgeramt informiert werden. Damit seien die gestohlenen und gefälschten Etiketten zumindest in Berlin faktisch wertlos geworden, so der Verwaltungssprecher.

Berlin erteilt 12 Prozent aller bundesweiten Aufenthaltstitel

Die Berliner Ausländerbehörde ist mit 430 Mitarbeitern die größte ihrer Art in Deutschland. Hier sprechen ca. 400.000 Kunden pro Jahr vor, etwa 12 Prozent aller bundesweit erteilten Aufenthaltstitel werden hier ausgestellt.

Die Ausländerbehörde war bis Ende 2019 eine Abteilung innerhalb des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten. Zum 1.1.2020 wurde die Behörde aus der alten Struktur herausgelöst und in eine eigenständige Behörde mit neuem Namen – Landesamt für Einwanderung – umgewandelt.



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