Im Alter droht die Armut: Fast die Hälfte wird künftig Renten unter 1.500 Euro beziehen

Fast die Hälfte der derzeit in Deutschland sozialpflichtig Beschäftigten muss im Alter mit einer Rente von weniger als 1.500 Euro rechnen. Dies teilte das Bundesarbeitsministerium auf eine Anfrage aus der Linksfraktion mit.
Die Bundesregierung erarbeitet aktuell ein umfassendes Reformpaket zur Rente.
Die Bundesregierung erarbeitet aktuell ein umfassendes Reformpaket zur Rente.Foto: Stephanie Pilick/dpa
Von 13. September 2023


Von einem „sozialen Sprengsatz“ spricht der scheidende Fraktionschef der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, mit Blick auf jüngste Erhebungen aus dem Bundesarbeitsministerium. Diesen zufolge werden nach derzeitigem Stand etwa 9,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Vollzeiterwerbstätige in Deutschland eine Rente von unter 1.500 Euro beziehen. Das wäre fast die Hälfte der derzeit knapp 22 Millionen rentenversicherungspflichtig Beschäftigten. Selbst diese Bezüge setzen jedoch voraus, dass die Versicherten 45 Jahre lang vollzeitbeschäftigt waren – bei einem Monatsbrutto von 3.602 Euro.

Bereits für 1.200 Euro Rente muss Monatsbrutto 2.882 Euro betragen haben

Im Osten sei die Lage noch alarmierender. Dort könne eine Mehrheit der Beschäftigten sogar nur auf eine Rente von 1.200 Euro oder weniger hoffen. Wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) berichtet, wäre selbst die Voraussetzung für den Bezug einer Monatsrente von 1.200 Euro nicht unerheblich. Für diese müssten Sozialversicherungspflichtige über 45 Jahre bei 40 Stunden Wochenarbeitszeit ein Monatsbrutto von 2.882 Euro bezogen haben.

Der derzeit geltende gesetzliche Mindestlohn liegt davon weit entfernt – er ist derzeit bei 12 Euro angesiedelt. Gleiches wird für den angepassten Mindestlohn ab 1. Januar 2024 gelten, der bei 12,41 Euro liegen wird. Dem Statistischen Bundesamt zufolge hatte die Entlohnung von 5,8 Millionen Jobs zum 1. Oktober 2022 unter 12 Euro gelegen. Das entsprach 14,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse.

Verarmungsrisiko im Alter droht weiter anzusteigen

Dietmar Bartsch spricht im Zusammenhang mit dieser Aussicht von einer Politik, die „zynisch und respektlos gegenüber Millionen Beschäftigten“ sei. Er forderte einen Mindestlohn von 14 Euro ab dem kommenden Jahr. Perspektivisch müsse dieser auf ein Niveau anwachsen, das „zu einer auskömmlichen Rente“ führe.

Real würden die Renten in den kommenden Jahrzehnten noch schlechter ausfallen, prognostiziert der Linksfraktionschef. Viele Beschäftigte würden keine 45 Beitragsjahre aufbringen – und wenn, dann nicht durchgängig auf dem entsprechenden Verdienstniveau. Für Bartsch steht fest:

Das Verarmungsrisiko im Alter wird weiter ansteigen.“

Das Mindestsicherungsniveau bei der Rente müsse von derzeit 48 Prozent des jeweiligen Durchschnittsverdienstes auf 53 Prozent anwachsen. Zudem schlug Bartsch eine „schnell wirksame“ außerordentliche Rentenerhöhung von zehn Prozent oder mindestens 200 Euro im Monat vor.

VdK sieht in „Agenda 2010“ den „größten Sozialabbau seit der Gründung der BRD“

Das sogenannte Wachstumschancengesetz sieht vor, dass die Rente erst ab dem Jahr 2058 voll steuerpflichtig wird. Zuvor war dies ab dem Jahr 2040 vorgesehen. Seit 2005 gilt die sogenannte nachgelagerte Besteuerung bei der Rente. Während die Rentenbeiträge zunehmend der Steuerfreiheit unterliegen sollen, wird ein zunehmender Anteil an Renteneinkünften besteuert.

Die Steuerpflicht gilt aber nur, wenn die Gesamtsumme der Bezüge aus Rente und Nebeneinkünften über dem Grundfreibetrag liegt. Dieser betrug 2021 für alleinstehende 9.744 Euro pro Jahr und für verheiratete 19.488 Euro pro Jahr.

Verbände und Politiker der Linkspartei machen bereits seit Jahr und Tag die Regierung unter Gerhard Schröder für die Verschlechterung der Rentenaussichten verantwortlich. So sprach der Sozialverband VdK vom „größten Sozialabbau seit der Gründung der BRD“.

„Die Rente ist sicher“ – allerdings nicht ihre Höhe

Beobachter machen jedoch darauf aufmerksam, dass die Entwicklung, die zur Krise des Umlageverfahrens in der gesetzlichen Rentenversicherung geführt hat, schon lange zuvor absehbar war. Der Einbruch der Geburtenrate Ende der 1960er und Anfang der 1970er-Jahre ließ diese schon damals vorausahnen.

Es zeichnete sich ab, dass perspektivisch auf einen Altersrentenempfänger immer weniger aktive Beitragszahler kommen würden. Einwanderung würde die Entwicklung abmildern, aber nicht aufhalten können.

Die damaligen Bundesregierungen sahen jedoch keinen akuten Handlungsbedarf. Im Jahr 1986 ließ Bundesarbeitsminister Norbert Blüm bundesweit den Satz „Die Rente ist sicher“ plakatieren. Damit spielte er auf den Bestand der wohl erworbenen Rechte im Sinne individueller Anwartschaften an. Bezüglich der Höhe der Rente konnte allerdings auch er keine Versprechungen machen.

Drei-Schichten-Modell sollte Kürzungen entgegenwirken

Die Regierung Schröder hatte in weiterer Folge das Rentenniveau gesenkt, um einen dramatischen Anstieg der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuwenden. Damals rechnete man mit einem Anstieg von 19,5 auf mehr als 30 Prozent des Bruttoeinkommens im Jahr 2030.

Der sogenannte Eckrentner – also der Standardrentner mit 45 Beitragsjahren – kann seither mit einer Rente von durchschnittlich etwa 68 Prozent seines durchschnittlichen Nettoeinkommens rechnen. Dazu kamen das Alterseinkünftegesetz und das Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz. Dieses soll dem Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern Rechnung tragen.

Das Alterseinkünftegesetz sollte wiederum die private und betriebliche Altersvorsorge im sogenannten Drei-Schichten-Modell fördern. Der Staat fördert dabei die Basisvorsorge aus gesetzlicher Rentenversicherung und privater Basisrente. Dazu kommen Produkte der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge wie die Riester-Rente oder betriebliche Vorsorgemodelle. Nicht gefördert werden darüber hinausgehende private Vorsorgeformen.

In der Rente ab in den Süden?

Im Jahr 2007 stieg der Rentenbeitrag auf 19,9 Prozent, gleichzeitig kam es ab 2012 zu einer schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre. Derzeit zeichnet sich bis zum Jahr 2030 ein Absinken des Rentenniveaus auf weniger als 60 Prozent des Durchschnittsnettoeinkommens ab.

Um Beitragssteigerungen zu vermeiden, wird bereits über eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters nachgedacht. Bereits jetzt gehen Deutsche tendenziell später in Rente als noch Jahre zuvor.

Für viele Rentner wird zudem die Abwanderung ins Ausland eine Option. Dabei zählen Griechenland, die Türkei oder südostasiatische Staaten zu den beliebtesten Zielen. Dort verspricht auch eine Rente von 1.000 bis 1.500 Euro noch einen angemessenen Lebensstandard.



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