Immobilienunternehmer: „Wir erleben in Deutschland eine enorme Wohnungsnot!“

2023 wird es voraussichtlich nur etwa 150.000 neue Wohnungen geben. Ampelregierung verpasst Ziele deutlich und stellt sie nun für frühestens 2024 in Aussicht. Staat sollte Zinsen subventionieren, um Immobilienkauf zu erleichtern.
Die steigenden Baukosten bringen viele Immobilienfirmen in Bedrängnis. In Nürnberg haben drei Gesellschaften der Project-Gruppe Insolvenz angemeldet.
Die steigenden Baukosten bringen viele Immobilienfirmen in Bedrängnis.Foto: Marcus Brandt/dpa
Von 17. Oktober 2023

400.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 im öffentlich geförderten Wohnungsbau, versprach Wohnungsbauministerin Klara Geywitz im Februar 2022 und nannte damit eines der Ziele der Berliner Ampelkoalition. Platz ist mehr als genug, zeigte eine Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), dass ihr Ministerium seinerzeit in Auftrag gegeben hatte.

Bauministerin Geywitz musste zurückrudern

„Fast 100.000 Hektar Bauland für zwei Millionen Wohnungen – Wohnraum schaffen, Flächen schonen“, titelte eine Pressemitteilung des Wohnungsbauministeriums damals. „Jetzt kommt es auf den gemeinsamen Willen an, so viel bezahlbares Wohnen wie möglich zügig auf den Wohnungsmarkt zu bringen. Mit dem Bündnis für bezahlbares Wohnen auf Bundesebene setzen wir dafür am 27. April (2022, Anm. d. Red.) den Auftakt“, so Geywitz.

Doch aus den vollmundigen Ankündigungen der SPD-Politikerin wurde bislang nichts. Schon bald ruderte Geywitz zurück. Nur ein knappes Jahr später teilte sie mit, dass aus ihren Plänen 2022 nichts geworden sei, und auch für 2023 seien sie nicht umsetzbar, zitierte sie die „Tagesschau“ im Januar dieses Jahres. Ziel müsse es nun sein, „durch Vorfertigung und Digitalisierung 2024 und 2025 an diese Zahl heranzukommen“, sagte sie.

Eine Entspannung am Wohnungsmarkt ist also konkret nicht in Sicht. Und glaubt man Christoph Gröner, stimmt der aktuelle Zustand wenig optimistisch. „Wir erleben in Deutschland eine enorme Wohnungsnot“, sagte Gröner in einem Interview mit dem „Handelsblatt“. Der Immobilienunternehmer ist Chef der in Berlin ansässigen Gröner Group AG. Laut „Handelsblatt“ ist er einer der größten Bauherren in Deutschland.

Wohnungsverkauf faktisch zum Erliegen gekommen

Wegen gestiegener Zinsen haben viele Bauunternehmen die Arbeit eingestellt. Verschiedenen Prognosen zufolge würde nicht einmal die Hälfte der gewünschten Wohnungen errichtet. Wer dennoch baut, muss die Wohnungen so teuer vermieten, dass es sich kaum noch jemand leisten kann, sagt Gröner.

Bei der Immobilienmesse Expo Real in München (7. Bis 9. Oktober 2023) sei angesichts der Insolvenzen auch von einer „Marktbereinigung“ die Rede gewesen. Laut Gröner sind „die meisten Akteure am Markt“ jedoch solide finanziert. Das Problem seien somit nicht die Insolvenzen, sondern vielmehr die „schwierige Investitionslage“, deren Folge der massive Rückgang beim Wohnungsbau sei.

Stark angestiegene Zinsen und Energiepreise, hohe Inflation und steigende Lohnkosten führten zu einer „Neukalibrierung des Marktes“. Der Verkauf von Eigentumswohnungen sei durch diese Entwicklungen „faktisch zum Erliegen gekommen“. Der Rückgang bei der Nachfrage habe zu „spürbaren Verwerfungen am Markt“ geführt. Eine Folge sei, dass „einige Marktteilnehmer auf der Strecke bleiben“.

Ergebnis des Wohnungsgipfels „völlig unzureichend“

Diese Entwicklung habe er angesichts der hohen Grundstückspreise kommen sehen, sagt Gröner. „Deshalb haben wir seit über zwei Jahren nahezu keine Ankäufe mehr getätigt.“ Die Geschwindigkeit, mit der die Zinsen hochgeschossen sind, habe ihn aber ebenso überrascht „wie das totale Einbrechen des Marktes quasi über Nacht“.

Sein Unternehmen habe die Möglichkeit, jährlich 800 bis 1.000 Wohnungen zu bauen. Doch weil sich die Immobilien derzeit schwer verkaufen ließen, würden nur etwa 200 gebaut. „Viele mir bekannte Unternehmen tun es uns gleich“, weiß Gröner.

Als „völlig unzureichend“ bezeichnetet der Unternehmer die 14 Punkte, die beim Wohnungsgipfel im Kanzleramt beschlossen wurden. Dazu gehört etwa das Hochsetzen der Grenze für zinsgünstige Darlehen bei der KfW. Die werde „auf absehbare Zeit“ nicht viel bringen.

Grund dafür sei, dass sich eine Familie mit einem durchschnittlichen Einkommen von bis zu 90.000 Euro im Jahr „ohne wesentliche Rücklagen auch weiterhin kein Eigenheim leisten kann“. Insgesamt seien diese Punkte lediglich Regulierungen verschiedener Stellschrauben. Neuer Wohnraum werde dadurch nicht geschaffen. Nach seinen Vorstellungen brauche es dazu zinsvergünstigte Kredite für Käufer wie Investoren, Kapitalanleger, Familien und Bürger mit kleinen und mittleren Einkommen.

Die Kritik, dass sich Immobilienunternehmen nun mit Steuergeldern helfen lassen wollten, nachdem sie jahrelang gut verdient hätten, will der 55-Jährige nicht gelten lassen. Die Margen der Autoindustrie seien doppelt so hoch. Auch trage die Immobilienwirtschaft insgesamt etwa 20 Prozent zum deutschen Bruttoinlandsprodukt bei. Die gesamte Automobilbranche käme hingegen nicht einmal auf fünf Prozent. Die Immobilienbranche sei einer der größten Wirtschaftszweige: „Geht es uns schlecht, wird es dem gesamten Land schlecht gehen“, prophezeit er.

Der Bund und die Förderbanken der Länder müssten Bauunternehmen, Investoren oder Käufern von Wohnimmobilien, die für 6.000 bis 7.500 Euro je Quadratmeter angeboten werden, günstige Darlehen zur Verfügung stellen. Als Beispiel nennt er zwei Prozent auf 3.000 Euro je Quadratmeter zur Verfügung stellen. „Dann reduziert sich die Zinsbelastung für alle von knapp 20 Euro auf zwölf Euro je Quadratmeter“, rechnet Gröner vor.

Unterm Strich soll ein Plus für den Staat bleiben

„Unser Vorschlag lautet, dass 50 Milliarden Euro an zinsvergünstigten Darlehen mit auf zwei Prozent reduzierten Zinsen ausgegeben werden. Das kostet den Staat etwa eine Milliarde Euro im Jahr und sollte den Käufern und Investoren über eine Laufzeit von zehn Jahren angeboten werden. Mit solchen zinsvergünstigten Darlehen könnten jedes Jahr rund 150.000 zusätzliche Wohnungen entstehen“, zitiert das „Handelsblatt“ den Unternehmer.

Für den Staat bleibe unterm Strich gar ein Plus bei den Einnahmen. 50 Milliarden Euro für günstiger verzinste Darlehen bedeutete den jährlichen Einsatz von einer Milliarde Euro seitens des Staates. „Im schlimmsten Fall“ kostet dies im Verlauf der Dekade zehn Milliarden Euro. Im Gegenzug wanderten dann aber aus den mehr gebauten Wohnungen fünf Milliarden Euro zusätzliche Grunderwerbssteuer, 6,5 Milliarden zusätzliche Umsatzsteuer und 3,5 Milliarden mehr Lohnsteuer in die Staatskasse.

Fachkräfteschwund zu befürchten

Wenn man weitermache wie bisher, werde es in diesem Jahr maximal 150.000 neue Wohnungen geben. Eine Zahl, die weit entfernt von den Zielen der Ampelkoalition ist.

Die Auswirkungen wären fatal: „Das lässt die Mieten weiter steigen, und dann haben wir enormen sozialen Sprengstoff“, zeichnet Gröner düstere Perspektiven. Daher müsse sich „keiner mehr wundern, wenn radikale Parteien in Umfragen immer stärker werden. Ganz nebenbei beerdigen wir viele Baufirmen, und dann werden die ehemaligen Maurer, Dachdecker und Installateure bemerken, dass sie beispielsweise als Pfleger nicht bei Wind und Wetter am Bau stehen müssen. Die wären als unsere Fachkräfte für immer weg“, glaubt er.

 

 

 

 

 



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