Impf-Affäre in Halle: Rücktrittsforderungen gegen Oberbürgermeister
Am Freitagabend (12.2.) trat der Stadtrat von Halle an der Saale zu einer Sondersitzung zusammen. Anlass dafür war, dass der parteilose Oberbürgermeister Bernd Wiegand bereits vor einer Woche eingeräumt hat, eine Erstimpfung gegen Corona in Anspruch genommen zu haben.
Der 63-Jährige wäre der geltenden Impfverordnung zufolge noch nicht berechtigt, an einer Impfung teilzunehmen, weil deren Priorisierungsregeln zufolge Personen im Alter von mindestens 80 Jahren und deren Pflegepersonal Vorrang haben.
Bislang 585 Fälle von Ad-hoc-Impfungen in Halle
Der Oberbürgermeister hat, wie der „Spiegel“ berichtet, zusammen mit weiteren zehn Stadträten und einigen Mitarbeitern des Katastrophenschutzstabes Reste an Impfdosen genutzt, die bei einer regulären Impfung priorisierter Berechtigter übrig geblieben waren.
Es gäbe eine interne Übereinkunft innerhalb der Impfteams in der Stadt, wonach im Fall des Verbleibens eines Restes an Impfdosen zuerst versucht werden solle, kurzfristig Personen aus der ersten Prioritätsgruppe zu erreichen. Sollte dies keinen Erfolg haben, solle auf der Grundlage eines Zufallsverfahrens eine Ad-hoc-Impfung an Mitarbeiter der Stadt, von Rettungsdiensten oder Facharztpraxen verabreicht werden.
Bislang 585 Personen sollen auf dieser Grundlage bisher in den vorzeitigen Genuss einer Corona-Schutzimpfung gekommen sein. Am 17. Januar sei ein Krankenhaus dabei an ihn herangetreten, so Wiegand. Nachdem er sich mehrfach vergewissert habe, dass kein Mitarbeiter des Krankenhauses kurzfristig an seiner Stelle mobilisiert werden könne, habe er spontan von der Möglichkeit Gebrauch gemacht. Öffentlich darüber gesprochen habe er nicht, weil er dies als „Privatsache“ betrachtete.
Oberbürgermeister ist kraft Amtes Mitglied des Katastrophenstabes
Wie der MDR berichtet, soll der Katastrophenstab selbst Anfang Januar und damit wenige Tage nach Beginn der Corona-Schutzimpfung in Deutschland eine Liste von Personen erstellt haben, die mobilisiert werden könnten, sobald Ad-hoc-Impfungen mit Restbeständen zum Thema würden. Dabei soll auch die Überlegung eine Rolle gespielt haben, „ein wichtiges Entscheidungsgremium in der Stadt zu schützen und arbeitsfähig zu halten“.
Neben dem Katastrophenschutz selbst, zu dessen Stab kraft Amtes auch der OB gehört, hatte man offenbar auch den Stadtrat als solches eingestuft. Wiegand deutete auch an, dass dessen Mitglieder über dieses Vorgehen auch in Kenntnis gesetzt worden seien. Im Stadtrat selbst gaben jedoch mehrere Ratsmitglieder an, dass an sie keine Nachricht dieser Art gedrungen sei.
Wiegand weigerte sich auch auf Anfrage aus den Reihen der Stadträte hin, allfällige Mails vorzulegen, weil dies möglicherweise Persönlichkeitsrechte verletzen würde. In weiterer Folge forderten mehrere Kommunalpolitiker den Rücktritt des Stadtoberhaupts.
Halles Katastrophenschutz wollte Entsorgung nicht gebrauchter Dosen verhindern
In einer eigenen Erklärung des Stabes heißt es nun, es sei ein Fehler gewesen, das Vorgehen nicht in ausreichend transparenter Weise bekannt zu machen und der Öffentlichkeit zu erklären.
Bis dato seien, so heißt es weiter, elf der 19 Mitglieder des Katastrophenschutzstabes eine Erstimpfung verabreicht worden. Bereits alle beiden Teilimpfungen hätten vier Mitglieder erhalten. Bei diesen handele es sich jedoch um solche, die auch im Einklang mit den Priorisierungsvorgaben hätten geimpft werden können – beispielsweise, weil es sich um Ärzte handele.
Der Stab habe nach eigenen Angaben eine Regelung für ein Problem finden wollen, zu dem Bund und Land Vorgaben zu treffen verabsäumt hätten. So sei das Ad-hoc-Verfahren geschaffen worden, um zu verhindern, dass – wie es andernfalls hätte geschehen müssen – nicht verwendete Impfdosen am Ende eines Tages entsorgt werden. In der Erklärung heißt es:
„In der festen Überzeugung, dass das Verwerfen von Impfstoffen nicht zu rechtfertigen ist, hatten wir das Ziel, durch Erarbeitung sachlicher Kriterien bei der Vergabe solcher Impfstoffreste gerade keine Emotionen in der Debatte aufkommen zu lassen. Leider müssen wir feststellen, dass uns genau dies nicht gelungen ist. Umso mehr bedauern wir die Entwicklung der Diskussionen in den vergangenen Tagen.“
Landräte und Polizeibeamte ebenfalls des „Impfdrängelns“ beschuldigt
Mittlerweile würden, so erklärte Wiegand Anfang der Vorwoche, die Mitglieder des Katastrophenschutzstabes und des Stadtrates nicht mehr bei Ad-hoc-Impfungen berücksichtigt. Neben Wiegand und den übrigen vorzeitig Geimpften aus Halle hätten in Sachsen-Anhalt auch Polizeikräfte im Landkreis Stendal und die Landräte des Saalekreises und Wittenbergs bereits von der Möglichkeit des „Reste-Impfens“ Gebrauch gemacht.
In Hamburg hatte sich Ende Januar der DRK-Kreisverband Harburg von seinem Vorstand Harald Krüger getrennt, nachdem dieser und einige Mitglieder der Leitungsebene für sich selbst und teilweise auch für Familienmitglieder Ad-hoc-Impfungen in eigener Sache genutzt hatten.
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