Innerparteilicher Streit: Grüne dringen auf Nachbesserungen an EU-Asylentscheidung

Die Grünen dringen auf Nachbesserungen an der innerparteilich heftig umstrittenen EU-Asylentscheidung. Familien mit Kindern sollten nicht in die geplanten EU-Grenzverfahren kommen, heißt es in dem auf einem kleinen Parteitag gefassten Beschluss.
Leidenschaftliche Debatten wie bei ausgewachsenen Parteitagen gab es beim sogenannten Länderrat der Grünen in der Vergangenheit selten. Das dürfte diesmal anders sein.
Leidenschaftliche Debatten wie bei ausgewachsenen Parteitagen gab es beim sogenannten Länderrat der Grünen in der Vergangenheit selten. Das war diesmal anders.Foto: Monika Skolimowska/dpa
Epoch Times18. Juni 2023

Auf dem kleinen Parteitag in Bad Vilbel fassten die Grünen einen Beschluss: Vor einer endgültigen Entscheidung über die künftige EU-Asylpolitik wollen die Grünen die weiteren Verhandlungsergebnisse dazu bewerten und davon ihre Zustimmung oder Ablehnung abhängig machen.

Damit setzte sich der Bundesvorstand mit seinem Leitantrag durch. Dieser wurde jedoch in den Beratungen auf dem sogenannten Grünen-Länderrat erheblich verschärft.

Neben den Ausnahmen für Familien wird auch gefordert, dass „Mitgliedstaaten nicht zur Durchführung von Grenzverfahren verpflichtet werden“. Die endgültigen Positionierungen zu den Rechtsakten, über die noch in der EU zwischen Regierungen, Kommission und Parlament verhandelt wird, „werden wir davon abhängig machen, ob unter dem Strich Verbesserungen in der Europäischen Asylpolitik und auch für Europa stehen.“

„Rote Linien“ für die Grüne Jugend

Diesem parteiinternen Kompromiss stimmten auch Außenministerin Annalena Baerbock und weitere führende Politiker der Grünen zu, deren Unterstützung für die EU-Asylpläne zuvor innerparteilich kritisiert wurde.

Ein weitergehender Antrag der Grünen Jugend, der „rote Linien“ für die weiteren Verhandlungen formuliert hatte und sich grundsätzlich gegen „Haft und Lager an den Außengrenzen“ wandte, erhielt keine Mehrheit.

Trotzdem sah sich die Grüne Jugend nach dem kleinen Parteitag in ihren Zielen bestätigt. Sie habe sich „mit zentralen Kritikpunkten durchgesetzt: Die Partei hält diese Reformen, wie sie aktuell vorliegen, für falsch“, sagte ihr Vorsitzender Timon Dzienus den Funke Zeitungen. Er sieht die Partei nun in der Pflicht, den ausgehandelten Asylkompromiss nachzubessern. „Es ist heute nicht das Ende der Debatte, sondern ein Startpunkt“, sagte er. „Wir erwarten von der Partei, klarzumachen, sich Asylrechtsverschärfungen entgegenzustellen.“

Baerbock rechtfertigte in Bad Vilbel ihre Billigung des zwischen den EU-Innenministern ausgehandelten Asyl-Kompromisses, der unter anderem Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vorsieht. „Auch mich hat es zerrissen“, sagte sie, es sei „eine ganz schwierige Abwägung“ gewesen. Es habe jedoch die Gefahr bestanden, dass sich manche Länder in der Flüchtlingspolitik an gar keine Regeln mehr halten und „dass Europa wieder in nationalstaatliche Vorgehensweisen zerfällt“.

Als positiv wertete Baerbock, dass es gelungen sei, eine begrenzte Ausweitung des europäischen Verteilmechanismus für Geflüchtete zu vereinbaren. Der Beschluss des Länderrats schreibt zudem fest: „Das Konzept der sicheren Drittstaaten finden wir weiterhin falsch.“ Asylanträge von Menschen, die über einen anderen Staat in die EU einreisen, dürften „nicht einfach als unzulässig abgelehnt“ werden, entscheidend müsse immer die Einzelfallprüfung bleiben.

Distanzierung von EU-Beschlüssen

In der Debatte distanzierten sich viele Redner klar von den bisherigen EU-Beschlüssen. „Ich sage mit aller Deutlichkeit, dass ich diese europäische Asylrechtsverschärfung falsch finde“, sagte Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré. Es sei richtig, dass eine Partei in Verhandlungen bereit sein müsse, auch von Positionen abzurücken, aber dazu gehöre nicht „ein Abrücken von Grund- und Menschenrechten“.

Parteichef Omid Nouripour mahnte zur Einigkeit: „Der politische Gegner ist nicht hier im Raum, sondern da draußen bei denen, die die UN-Flüchtlingskonvention aufheben wollen.“ Allerdings machten die Redner fast einmütig deutlich, dass sie auch denen, die in der Partei andere Positionen vertreten, nicht ihren Einsatz für eine menschlichere Flüchtlingspolitik absprechen.

Der Grünen-Europapolitiker Rasmus Andresen zeigte sich erleichtert über die geschlossene Position der Partei zum Thema EU-Asylrecht. Noch vor dem Parteitag hätte er „das nicht erwartet“, sagte er dem Sender Phoenix. Es zeichne die Grünen aus „konstruktiv miteinander zu streiten“, dann aber auch einen gemeinsamen Weg nach vorn zu finden. Gegenwind erwartet Andresen nun vor allem bei den Trilog-Verhandlungen auf EU-Ebene. Außerdem seien die Grünen skeptisch, dass es bis vor der Europawahl gelinge, eine Vereinbarung abzuschließen. (afp)



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