Interessenkonflikte der großen Medienhäuser: Vetternwirtschaft bei ARD, NDR und RBB

Nachdem bereits Patricia Schlesinger vom ARD-Vorsitz und als RBB-Intendantin und Wolf-Dieter Wolf als Verwaltungsratschef beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) zurückgetreten sind, gibt es auch im Norddeutschen Rundfunk (NDR) Vorwürfe der Vetternwirtschaft, von der die Direktorin Sabine Rossbach betroffen ist. Der NDR verkündigte am Freitag, dass Rossbach nun ihre Tätigkeit ruhen lasse.
Das Landesfunkhaus Niedersachsen des Norddeutschen Rundfunks.
Das Landesfunkhaus Niedersachsen des Norddeutschen Rundfunks.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 11. September 2022

Die Vorwürfe gegen Sabine Rossbach folgen auf die Affäre um die ehemalige Intendantin des RBB Patricia Schlesinger und den ehemaligen Verwaltungsratschef beim RBB Wolf-Dieter Wolf. Rossbach war nach den gegen sie erhobenen Vorwürfen zurückgetreten: Vetternwirtschaft.

Konkret geht es in den Vorwürfen um die Frage, ob Rossbach ihren Job genutzt haben könnte, um Familienmitgliedern Vorteile zu verschaffen. Dem Onlineportal „Business Insider“ zufolge soll Rossbachs ältere Tochter Kunden ihrer PR-Agentur in NDR-Beiträgen platziert haben. Außerdem im Fokus steht ihr Mann Dieter Petereit, welcher vom NDR beauftragt wurde.

„Dieter Petereit wurde aufgrund seiner fachlichen Expertise engagiert. Nicht, weil er der Ehemann der Hamburger Landesfunkhausdirektorin ist. Sie hat die Beauftragung auch nicht vermittelt“, so der NDR in einer Stellungnahme. Darüber hinaus schreibt der NDR, dass eine persönliche Verbindung nicht dazu führen sollte, dass eine Geschäftsbeziehung aufgegeben oder gar nicht erst eingegangen werde. Es gebe weder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch in der Privatwirtschaft Anlass, Angehörige per se unter Generalverdacht zu stellen. Eine klare Offenlegung einer möglichen Interessenkollision und einer Genehmigung durch die vorgesetzte Ebene sei aber notwendig.

Der NDR bestätigt, dass Rossbach in den kommenden Wochen ihre Arbeit im Landesfunkhaus Hamburg ruhen lassen werde, bis die Prüfergebnisse über die im Raum stehenden Vorwürfe vorliegen. „Sie hat zudem angekündigt, nicht dauerhaft auf ihre Position zurückzukehren.“

Für die Aufklärung soll die stellvertretende NDR-Intendantin Andrea Lütke gemeinsam mit der kommissarischen Leiterin des Landesfunkhauses, Ilka Steinhausen, verantwortlich sein. Diese war zuvor Rossbachs Stellvertreterin. „Ein unabhängiges Team aus Kolleginnen und Kollegen außerhalb des Hamburger Funkhauses wird die journalistische Aufarbeitung der im Raum stehenden Fälle und der redaktionellen Abläufe vornehmen“, teilte der ARD-Sender weiter mit. Eine weitere Untersuchung der NDR-Antikorruptionsbeauftragten laufe unabhängig davon, hieß es.

Der Fall Wolf

Der Verwaltungsratschef des RBB Wolf-Dieter Wolf ist ebenfalls nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft zurückgetreten. Das teilt der RBB bereits im August mit. Wolf gab sowohl sein Amt als Aufsichtsratschef der RBB Media als auch sein Aufsichtsratsmandat bei der Messe Berlin auf.

Gegen Wolf wird derzeit ebenso wie gegen Ex-RBB Intendantin Patricia Schlesinger wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft von der Staatsanwaltschaft ermittelt. Im Fokus der Vorwürfe stehen Abstimmungen zwischen beiden zum Gehalt und das Bonus-System für Führungskräfte, dessen Abschaffung bereits Ende August verkündigt wurde.

Am Dienstag (6. 9.) wurde laut „Welt“ bekannt, dass die ARD früh über das Bonussystem für Führungskräfte informiert gewesen sei. Auch die amtierende Verwaltungsratsvorsitzende Dorette König habe bestätigt, dass der Verwaltungsrat im Januar 2018 dem Konzept der „variablen Vergütung für die Geschäftsleitung“ ebenso wie sie zugestimmt habe. „Ich halte grundsätzlich einen variablen Vergütungsanteil für Führungskräfte für sachgerecht“, sagt sie und fügt hinzu: „Im RBB wurde das System nicht zielführend umgesetzt.“

Vetternwirtschaft und Interessenkonflikt

Gegen Wolf geht es außerdem um den Vorwurf, dass er in seiner damaligen Funktion im Aufsichtsrat der Messegesellschaft an einer zweifelhaften Vergabepraxis beteiligt gewesen sei. Mutmaßlich habe davon der Ehemann Schlesingers, der ehemalige „Spiegel“-Journalist Gerhard Spörl, profitiert. Zudem habe Wolf als Mitglied des Verwaltungsrates des RBB als gleichzeitiger Aufsichtsratsmitglied der Messegesellschaft in einem Interessenkonflikt gestanden.

2013 berichtete ein RBB-Reporter über die Schwierigkeiten des Bauprojektes der Messe Berlin. Wolf haben diese Berichte laut Reporter nicht gefallen, woraufhin er durch seine Kontakte in den Sender ein Mitglied der Geschäftsleitung kontaktiert habe. Schließlich sei ein Treffen des ehemaligen RBB-Chefredakteurs Christoph Singelnstein, dem RBB-Reporter und Wolf verabredet worden, berichtet die „Welt“ kürzlich.

In diesem Gespräch sei der Reporter laut „Welt“ massiv von Wolf unter Druck gesetzt worden, seine Quellen über den Bericht über die Probleme des Bauprojekts offenzulegen. Folglich habe Wolf versucht, nach den Berichten über die Bauprobleme der Messe Berlin im RBB zu intervenieren. „Ich habe es deswegen so empfunden, dass Herr Wolf seine Machtposition als Mitglied des RBB-Verwaltungsrates bewusst ausgenutzt hat“, sagt der Reporter. Der ehemalige Chefredakteur könne sich an das Gespräch nicht mehr erinnern.

Mechanismen gegen Machtmissbrauch

Der Direktor des gemeinnützigen Instituts für Medien und Kommunikationspolitik Leonard Novy sagte in der Welt bezüglich der Geschehnisse, dass die Verwaltungs- und Rundfunkräte professionalisiert werden müssten. Nötig seien auch ein durchgängiges Vier-Augen-Prinzip sowie Begrenzungen der Amtszeit und Mechanismen gegen „die Akkumulation und den Missbrauch von Macht“.



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