Journalisten und Politiker als „Stimme des Volkes“: Penny-Skandal beim WDR ist kein Einzelfall

Der WDR hat nach dem Skandal um eine „zufällig befragte“ Kundin aus dem eigenen Sender ein Fehlverhalten eingeräumt. Dieser war jedoch kein Einzelfall. Vor allem zu den Grünen besteht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein kurzer Dienstweg.
Titelbild
WDR Logo in der Eingangshalle des Kölner Bahnhofs.
Von 3. August 2023


Die von der Supermarktkette Penny ins Leben gerufene Aktion „Wahre Preise“ hat den WDR in einen handfesten Medienskandal verwickelt. Für neun Produkte hebt der Discounter für die Dauer einer Woche die Preise bis zu 94 Prozent an. So sollen die vermeintlichen Umweltkosten der Produkte zum Ausdruck kommen.

In sozialen Medien nahmen Nutzer die Aktion häufig kritisch auf. Viele wiesen auf die geringe Entlohnung von Kassiererinnen hin oder erklärten, beim Einkaufen nicht belehrt werden zu wollen. In der „Tagesschau“ hatte eine vermeintlich zufällig vor das Mikrofon gelaufene Kundin die Aktion hingegen deutlich gelobt.

Chef von „Aktuelles im WDR“ spricht von „saublödem Fehler“

Die Befragte begrüßte die Preisaufschläge, „weil es zum Nachdenken anregt“. Normalerweise denke man „nicht darüber nach, dass Fleisch so und so viel Aufschlag hat“. Den Beitrag, in dem diese Aussagen fielen, hatte der WDR produziert.

Es dauerte nicht lange, bis Nutzern sozialen Medien auffiel, es sich bei der Befragten um Hannah Mertens handelt. Diese ist als Produktionsassistentin beim WDR beschäftigt. Einen Hinweis auf diesen Umstand enthielt der Beitrag jedoch nicht.

Die „Bild“ griff wenig später die Story auf und hakte nach. „Aktuelles im WDR“-Chefredakteur Stefan Brandenburg erklärte sich auf Twitter dazu und sprach von einem „saublöden Fehler“ und „Versehen“. Mertens habe den Reporter darauf hingewiesen, dass sie gerade von ihrer Frühschicht beim WDR komme. In dem „Supermarkt mit vielen Nebengeräuschen“ habe dieser die Äußerung jedoch falsch verstanden.

Missverständnis „aufgrund lauter Nebengeräusche“

Im Regelfall, so hieß es weiter, „nehmen WDR-Kolleginnen und -Kollegen nicht an Straßenumfragen für die eigene Berichterstattung teil“. Sie machten, würden sie angesprochen, ihre Zugehörigkeit zum Sender deutlich und lehnten ab. Mertens äußerte sich am Ende jedoch auch inhaltlich vor der Kamera.

Später ergänzte Brandenburg auf Twitter, der Reporter hätte deren „kurze und spontane“ Reaktion bei Kenntnis der Sachlage „niemals in den Beitrag aufgenommen“.

In weiterer Folge wandte sich der Chefredakteur „an die Adresse derer, die überall Ideologie wittern“. Er wies sie auf den „Tagesthemen“-Kommentar hin, in dem man die Penny-Aktion als „nicht viel mehr als eine leicht durchschaubare PR-Aktion“ bezeichnet habe. Man habe über diese „ausgewogen, kritisch und distanziert“ berichtet. Auch sei die eigene Reporterin nicht befragt worden, weil es sonst keine positiven Stimmen zu der Aktion gegeben hätte.

Grüner Funktionär als Einpeitscher für Preissteigerungen

Nur wenige Nutzer von Twitter schenkten Brandenburgs Aussagen indessen Glauben. Auch aus einigen Medien wie der NZZ kommt Kritik. Dort weist Deutschland-Korrespondent Alexander Kissler darauf hin, dass es sich um keinen Einzelfall im öffentlich-rechtlichen System gehandelt habe. Personen mit politischer Agenda als Kommentatoren, Journalisten und Politiker als „Stimmen des Volkes“ – das alles war in den vergangenen Jahren sogar mehrfach zu beobachten.

Ebenfalls beim WDR kommentierte mehrfach der Wirtschaftsredakteur Detlef Flintz energiepolitische Themen. Er fiel dabei dadurch auf, dass er Preisanstiege, unter denen Bürger und Unternehmen zu leiden hatten, explizit lobte und als vermeintliche Notwendigkeiten begrüßte. Außerdem trat er gegen die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken ein.

Recherchen förderten anschließend zutage, dass Flintz kommunalpolitisch aktiv ist und ein Vorstandsamt im Stadtverband der Grünen in Grevenbroich ausübe. Dies sei dem WDR „nicht bekannt“ gewesen, hieß es damals. Im September des Vorjahres schränkte man seinen Tätigkeitsradius ein. Man werde ihn „künftig nicht mehr für Meinungsbeiträge zu Themen vorschlagen, bei denen der Eindruck der Voreingenommenheit entstehen könnte“.

„Versehen“ dieser Art gehäuft – aber nicht allein – beim WDR

Auf das Konto des WDR ging auch der „Umweltsau“-Skandal des Jahres 2019. Er ist jedoch nicht die einzige Sendeanstalt, bei der Unwägbarkeiten wie diese aufflogen. Die NZZ weist auf jüngst erschienene „Badegäste“ im rbb hin, die Einlasskontrollen in Berliner Freibädern als „schikanös“ und „vorurteilsbeladen“ bezeichneten. Social-Media-Nutzer wiesen nach, dass es sich um Beschäftigte der Heinrich-Böll- beziehungsweise Friedrich-Ebert-Stiftung gehandelt habe.

Im „Hessischen Rundfunk“ ließ eine Moderatorin jüngst jegliche Distanz zu Aktivisten der radikalen Klimabewegung „Extinction Rebellion“ vermissen. Auch hier war neben dem HR auch der WDR Auftraggeber. Der HR rechtfertigte den Beitrag damit, dass es sich um „kein berichtend- nachrichtliches Format“ handele. Deshalb habe man auch „mehr Freiraum in der Erzähl- und Darstellungsweise“.

Der BR ließ im Februar 2023 einen Politiker der Grünen bei „Jetzt red‘ i“ mitdiskutieren, ohne auf seine politische Funktion hinzuweisen. Bei einer Debatte über das Gendern im NDR stellte der Sender eine Gleichstellungsbeauftragte der SPD als „Webentwicklerin“ vor. Der Twitter-Kanal „hori_____zont“ hat ein „Best of“ mit „zufälligen Begegnungen“ in Berichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusammengestellt. Die Befragten werden als zufällig vor Ort Getroffene dargestellt. Dabei handelt es sich allerdings um Politiker der Grünen, einen Mitarbeiter der eigenen Sendeanstalt und um die stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende. Angaben zu den amtlichen Funktionen und Tätigkeiten haben die Sender nicht gemacht.

Kritik am „Funktionär der Böll-Stiftung“ haltlos

Eine weitere Kritik in sozialen Medien trifft den BR. Dieser habe den Politikwissenschaftler Dr. Benjamin Höhne für Analysen über den Europaparteitag der AfD und die Situation der Linkspartei herangezogen. In beiden Fällen fielen diese sehr kritisch aus. Allerdings ist Höhne nicht, wie in sozialen Medien behauptet, ein „Funktionär bei der grünen Heinrich-Böll-Stiftung“.

Höhne ist Politikwissenschaftler des „Institut für Parlamentarismusforschung“, das wiederum zur „Stiftung Wissenschaft und Demokratie“ gehört. Höhne hat Auftragsarbeiten für parteinahe Stiftungen der Grünen und der CDU verfasst. In seinem Fall waren dies die Heinrich-Böll- und die Konrad-Adenauer-Stiftung. Es handelte sich jedoch lediglich um jeweils eine Ausarbeitung. Eine direkte Zugehörigkeit oder Abhängigkeit zu den parteinahen Stiftungen ist nicht zu erkennen.

NZZ: „Zufälliges Vorbeischlendern“ unwahrscheinlich

Im ZDF äußerte sich 2019 eine angeblich zufällig in einem Bioladen befragte Kundin positiv zu einer Boykottaktion gegen einen Hirse-Lieferanten, der gleichzeitig AfD-Funktionär war. In der Bauchbinde nannte der Sender zwar Monika Lazar mit ihrem vollen Namen. Allerdings war damit kein Hinweis darauf verbunden, dass diese seit 2004 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag saß. Zudem war sie Sprecherin ihrer Fraktion für „Strategien gegen Rechtsextremismus“.

Ebenfalls im ZDF kam 2021 eine grüne Landespolitikerin als vermeintlich zufällig angetroffene Passantin zu Wort. Sie äußerte sich positiv zur – mittlerweile wieder aufgehobenen – Entscheidung, die Friedrichstraße autofrei zu gestalten. Der rbb wiederum präsentierte im selben Jahr einen grünen Landtagsabgeordneten als „Radfahrer“, der vor der Kamera neue Radfahrwege lobte.

Alexander Kissler kommentiert dazu in der NZZ:

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass immer dann grün-linke Mandats-, Amts- oder Sympathieträger vorbeischlendern, wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine O-Töne einholt. Von der anderen Seite des politischen Spektrums sind solche verdeckten Rollenkollisionen bis jetzt nicht bekannt. Auf jeden Fall wäre es die Pflicht der Journalisten, neben dem Namen auch die Funktion des jeweiligen Gegenübers abzufragen.“



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