Länder haben kein Interesse an eigenen Missbrauchsbeauftragten

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung hat die Länder aufgefordert, eigene Stellen nach seinem Vorbild einzurichten. Die Reaktionen dürften ihn nicht zufrieden stellen.
Titelbild
Beschädigte Kinderpuppe.Foto: Karl-Josef Hildenbrand/Symbol/dpa
Epoch Times21. April 2019

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung findet in den Ländern kaum Gehör für seine Forderung, dort vergleichbare Stellen einzurichten.

Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab wenig Bereitschaft, eigene Landesbeauftragte zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt einzusetzen. Oft wird auf vorhandene andere Strukturen verwiesen. Nur Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt prüfen ernsthaft, solche Stellen zu schaffen.

Hamburg sehe keine Notwendigkeit für ein solches Amt, sagte der Sprecher der Sozialbehörde, Martin Helfrich, der Deutschen Presse-Agentur.

Hamburg hat ein seit Mitte der Neunzigerjahre gut ausgebautes Netz von Fachberatungsstellen gegen sexualisierte Gewalt.“

In Brandenburg heißt es, das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) sei die oberste Jugendschutzbehörde. Dort würden die Aufgaben eines Missbrauchsbeauftragten für die Bereiche Bildung, Jugend und Sport von mehreren zuständigen Personen wahrgenommen.

Allerdings: Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen prüft nach den schweren Missbrauchsfällen in Lügde und anderen Städten, ob ein Landesbeauftragter nötig ist. NRW-Kinder- und Jugendminister Joachim Stamp (FDP) stehe dem offen gegenüber, teilte eine Sprecherin mit. Und auch Sachsen-Anhalts Sozialministerium kann sich einen eigenen Missbrauchsbeauftragten vorstellen. Eine solche Interessensvertretung auf Landesebene sei wünschenswert, teilte das Ressort von Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) auf Anfrage mit.

In Baden-Württemberg analysiert eine spezielle Kommission gerade die vorhandenen Strukturen zum Kinderschutz. Sie soll auch Vorschläge zu ihrer Weiterentwicklung vorlegen. Dabei wird laut Sozialministerium auch das Für und Wider der Einsetzung eines Missbrauchsbeauftragten abgewogen. Man stehe dem grundsätzlich offen gegenüber.

Der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs hatte zuletzt den Druck auf die Länder erhöht. Nachdem Appelle bislang weitgehend ungehört geblieben waren, schrieb Johannes-Wilhelm Rörig Anfang April die Regierungschefs aller 16 Länder an. „Nach Ostern rechne ich mit ersten Rückmeldungen“, sagte er der dpa.

Mit Blick auf die neueste Polizeiliche Kriminalstatistik und die nach wie vor riesige Dimension von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche wünsche ich mir von den Landesregierungen, dass sie dem Thema aufgeschlossen begegnen und bereit sind, entsprechend zu handeln. Das erwarte ich eigentlich.“

Dazu erklärte das saarländische Sozialministerium: Ein engmaschiges Netz an Angeboten für Opfer sexuellen Missbrauchs bei den Jugendämtern, Opferverbänden, der Polizei und verschiedenen Fachstellen biete ausreichend Schutz-, Hilfs- und Beratungsangebote. Auch im rot-rot-grün regierten Berlin ist ein Missbrauchsbeauftragter nach Angaben der Senatsverwaltung für Familie derzeit kein Thema. In der Stadt gebe es „sehr qualifizierte Präventions- und Hilfsangebote“, erklärte eine Sprecherin von Senatorin Sandra Scheeres (SPD).

Das Justizministerium in Niedersachsen verweist auf die seit Jahren bestehende „Stiftung Opferhilfe“, die Opferhilfebüros an elf Standorten unterhält. „Niedersachsen hat kein Interesse daran, diese gut ausgebauten, dezentralen Strukturen zugunsten eines „Beauftragten“ aufzugeben“, sagte ein Ministeriumssprecher. Zudem habe man als Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche eine Kommission zur Prävention solcher Straftaten gegründet.

Das hessische Sozialministerium weist auf zahlreiche Förderprojekte in diesem Bereich hin und sieht ebenfalls keinen Bedarf für einen zentralen Missbrauchsbeauftragten. Ein Sprecher des Sozialministeriums in Schleswig-Holstein erklärte, für die Beratung und Betreuung von Betroffenen, für die Sensibilisierung und Fortbildung von Fachkräften sowie für die Prävention seien in den vergangenen Jahren gute Arbeitsstrukturen geschaffen und ausgebaut worden. Ein Beauftragter des Landes werde da nicht benötigt.

In Bayern ist die Zahl der Beauftragten der Landesregierung per Gesetz auf sieben begrenzt – der Rahmen ist derzeit ausgeschöpft. Dem Thema werde aber „grundsätzlich in der gesamten Staatsverwaltung eine hohe Aufmerksamkeit und Sensibilität gewidmet“, heißt es in München. (dpa)



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