„Kein Herz für arme Familien?“ Lindner in Kritik bei Kindergrundsicherung

Mit seinen skeptischen Äußerungen zur Finanzierbarkeit der geplanten Kindergrundsicherung stößt Bundesfinanzminister Christian Lindner auf heftigen Gegenwind. Dass bereitgestellte Gelder hingegen schon länger brach liegen, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Titelbild
Bundesfinanzminister Christian Lindner.Foto: Omer Messinger/Getty Images
Von 3. April 2023

Kinder sind unsere Zukunft. So ist es kein Wunder, dass die Aussage von Finanzminister Christian Lindner, dass er im nächsten Bundeshaushalt kaum Spielraum für die Kindergrundsicherung sieht, eine vor allem emotional geführte Debatte anstößt.

Im Kampf gegen Kinderarmut setzt der Minister auf andere Ansätze. Die reine Umverteilung von Geld stoße „irgendwann bei der Armutsbekämpfung an Grenzen“, sagte er gegenüber „Bild am Sonntag“. Die Koalition habe ohnehin bereits viel für Kinder umgesetzt.

Eine Billion Euro Einnahmen für andere Prioritäten

Lindner rechnet für das Jahr 2024 mit voraussichtlich erstmals über einer Billion Euro Einnahmen für Deutschland, wie er am 2. April auf Twitter mitteilte. Dennoch reiche das Geld nicht, um gesetzliche Verpflichtungen des Bundes zu finanzieren. „An Mehrausgaben ist nicht zu denken – eine Warnung an alle, die nach leichten Lösungen wie Steuererhöhungen suchen“, so der Minister.

Gegenüber „Bild am Sonntag“ beantwortete Lindner die knapp formulierte Frage „Kein Herz für arme Familien?“ mit den Worten: „Mehr ist immer wünschenswert, aber nicht immer möglich.“ Die Kinderarmut sei oft in der Arbeitslosigkeit der Eltern begründet.

„Deshalb sind Sprachförderung und Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt entscheidend, um die Chancen der Kinder zu verbessern“, so Lindner weiter und macht damit ein weiteres Problem der Kinderarmut deutlich. Denn während die Zahl der deutschen Kinder mit Hartz IV-Bezug seit 2015 um ein Drittel gesunken ist, ist die Anzahl der betroffenen Kinder mit Migrationshintergrund gestiegen, wie „Tichys Einblick“ berichtete.

Als Prioritäten für den Haushalt 2024 nannte Lindner statt der Kindergrundsicherung „die Erneuerung der Infrastruktur aller Verkehrsträger, Digitalisierung des Staates, Ertüchtigung der Bundeswehr, Stärkung von Bildung und Forschung, Modernisierung von Handwerk, Mittelstand und Industrie“ – und erntet damit heftige Kritik.

Grüne und Linke machen Druck

Emilia „Milla“ Fester, jüngste Bundestagsabgeordnete der Grünen, melde sich auf Twitter zu Wort. Sie schrieb: „Ich fasse es nicht! Wie falsch kann man Prioritäten setzen, wenn man trotz Rekordeinnahmen an Kindern sparen will? Der Koalitionsvertrag spricht eine andere Sprache und dafür kämpfen wir Grüne weiter!“

Der Kampf gegen Kinderarmut sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich auch Herr Lindner verpflichtet fühlen sollte“, sagte Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink zu AFP. Die Kindergrundsicherung sei „das zentrale familien- und sozialpolitische Projekt der Ampelkoalition, zu dem sich alle Partner bekannt haben“, stellte sie klar. „Ziel ist es, Kinder aus der Armut zu holen und alle Familien gleichermaßen zu fördern.“

Sie geht davon aus, dass die Ausgaben bezüglich des bereits existierenden Kinderzuschlags „deutlich steigen“, da dieser sehr viel unkomplizierter zu erhalten sein werde. Daher forderte Klein-Schmeink den Minister auf, noch in diesem Jahr „alle Eckpunkte und die Finanzmittel“ zu klären, damit die Auszahlung am 1. Januar 2025 beginnen könne.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch fordert indes von den Grünen, dass sie sich in der Koalition gegen Lindner durchsetzen. „Die Kindergrundsicherung steht im Koalitionsvertrag“, so Bartsch gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Über Nacht konnte Olaf Scholz 100 Milliarden für die Bundeswehr locker machen.“ Nun müsse der Bundeskanzler erneut handeln: „Es braucht jetzt eine klare Ansage des Kanzlers in Sachen Kindergrundsicherung“, so Bartsch.

Gelder liegen brach

Dem Vorwurf, falsche Prioritäten gesetzt zu haben, widersprach FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr im Morgenmagazin „moma“ am 3. April. „Zurzeit ist das Problem, dass Leistungen gar nicht abgerufen werden“, stellte er klar und fegte damit den Vorwurf, dass man kein Herz für Kinder habe, vom Tisch. Vielmehr seien die Anträge viel zu bürokratisch gestrickt.

Es reiche nicht, dass die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) mehr Geld fordere. Es müsse auch genau benannt werden, wofür dieses Geld ausgegeben werden soll. Darauf, dass der Zugang zu den Geldern leichter verfügbar gemacht werden soll, haben sich die Parteien bereits geeinigt.

Wie Dürr mitteilte, werden bei steuerlichen Zuschüssen teilweise lediglich ein Drittel der bereitgestellten Gelder überhaupt abgefordert. „Nur mehr Geld auf den Haufen zu werfen, bringt nichts“, stellte er klar. Gleichzeitig verwies auch er darauf, dass bereits ein „ordentlicher Schluck sozusagen aus der Steuerpulle“ genommen wurde – in Bezug auf das Kindergeld.

Mehr Kindergeld für alle

Seit dem 1. Januar gibt es ein einheitliches Kindergeld von 250 Euro pro Kind. In den Vorjahren wurde das Kindergeld noch gestaffelt festgelegt. So gab es 2022 für das erste und zweite Kind jeweils 219 Euro, das dritte Kind wurde mit 225 Euro Kindergeld eingestuft und das vierte mit 250 Euro. Für Familien mit ein bis zwei Kindern bedeutet dies eine Erhöhung von rund 60 Euro monatlich.

Insgesamt sieben Milliarden Euro pro Jahr stellt die Bundesregierung für Familien und Kinder mehr zur Verfügung, worunter auch das erhöhte Kindergeld fällt. Aus Lindners Sicht ist damit aus finanzieller Sicht das Wesentliche für die Kindergrundsicherung und für Familien mit Kindern getan.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die Ampelparteien im Grundsatz auf die Einführung der Kindergrundsicherung verständigt. Sie soll verschiedene Leistungen bündeln und den Bezug von Hilfen einfacher machen. Paus fordert vehement die Einführung zum 1. Januar 2025 und beziffert die Kosten auf zwölf Milliarden Euro pro Jahr. Wie das ganze Paket gestaltet und umgesetzt werden soll, ist noch nicht klar.

(mit Material von afp)



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