Keine runde Sache: Eliteförderung im Fußball
Am vergangenem Wochenende startete die neue 3. Bundesliga mit dem Spiel Erfurt gegen Dynamo Dresden in ihre erste Saison. Die Epoch Times sprach mit DFB-Sportdirektor Matthias Sammer über seinen alten Verein Dynamo Dresden, über Trainer und Trainerausbildung und über Respekt.
ETD: Herr Sammer, Dynamo hat vor kurzem die drohende Insolvenz abgewendet und die Stadt Dresden hat ein rettendes Darlehen gegeben – bricht jetzt eine bessere Zukunft an?
Matthias Sammer: Wenn ich über Dynamo Dresden spreche, spreche ich zuerst einmal über Personen. Ralf Minge und Bernd Maas verkörpern für mich ein neues, ein glaubwürdiges Dynamo Dresden. Der Verein stellt sich gegenüber dem DFB positiv dar und das trotz aller finanzieller Schwierigkeiten und der derzeit dort bestehenden Fankultur. Man merkt nicht nur, dass da Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit in diesen Verein gekommen ist, sondern dass auch die Frage nach Hilfe einmal gestellt wird. Damit kann man natürlich sehr offen umgehen und das wird auch positiv beim DFB wahrgenommen. Es entsteht wieder Vertrauen zur Stadt und auch dadurch bin ich optimistisch, dass der Verein jetzt die Weichen für eine hoffentlich wieder positivere Zukunft gestellt hat.
ETD: Sie haben es gerade angesprochen: die Fan-Szene. Skeptiker gerade aus der Fan-Szene sagen, dass die Stadt nun ein zu großes Mitspracherecht im Verein haben würde.
Sammer: Ich halte mich zu diesem Thema lieber zurück. Aber es ist ganz klar, dass man als Geldgeber erklärt haben möchte, was passiert – ich denke jedoch, dass sich alles relativieren wird.
ETD: Worin sehen Sie denn überhaupt die Ursachen, dass zur Zeit nur wenige Ost-Clubs in den beiden oberen Ligen vertreten sind?
Sammer: Ich denke, dass sich 1990, gerade in der Zeit der Wende, ganz andere Denkweisen und wirtschaftliche Situationen für die Vereine entwickelt haben. Es war vorher alles klar strukturiert und staatlich unterstützt, und der Leistungssport spielte damals eine völlig andere Rolle als im hiesigen Teil Deutschlands. Der Leistungssport wurde durch unterschiedliche Kombinate aber auch durch Ministerien staatlich gestützt und dadurch war die Frage des Geldes von vornherein geklärt. Das ist mit einem Mal alles weggebrochen – die Vereine hatten dann nicht mehr diese materielle Unterstützung und sind in die freie Marktwirtschaft gegangen.
Auch die Nachwuchskonzepte sind zusammengebrochen. Am Ende musste man dann noch sehen – siehe Dynamo Dresden – dass sich auch potenzielle angebliche Helfer nur engagierten, um sich persönlich darzustellen. Da wurde teilweise sehr unsauber gearbeitet, und nicht etwa perspektivisch für den Verein. Damit war dann natürlich die Stabilität dieser Vereine nicht mehr gewährleistet. Seit geraumer Zeit wird das jedoch verbessert. Außerdem gibt es eine positive und verbesserte Nachwuchsförderung – nur werden im Osten im Moment noch die besten Spieler weggeholt. Aber auf Dauer werden sich die Quantität und die Qualität im Spitzenbereich verbessern und damit die Mannschaften wieder stärker sein. Ich denke, dass sich auch die Wirtschaftlichkeit der Vereine verbessern wird, obwohl es dort teilweise Standortnachteile gibt. Es ist aber auch eine Frage der Zeit, bis sich diese Punkte angleichen; wir müssen da noch etwas Geduld haben, aber ich bin optimistisch.
ETD: Ist da beim Thema Nachwuchsförderung ein bisschen das frühere Fördersystem der Kinder- und Jugendsportschulen durchzuhören?
Sammer: Wir haben heute in den Leistungszentren wieder Organisationsformen der Eliteschulen des Fußballs, die die Voraussetzung dafür schaffen, dass in den Vereinen auch schon vormittags trainiert werden kann. Von der Organisationsform her gab es das in der DDR allerdings schon Ende der 70er Jahre. Es gab damals tatsächlich einige positive Dinge, die man durchaus hätte übernehmen können. Selbstverständlich gab es auch ein paar Dinge, die musste man relativieren, und es gab auch negative Dinge.
Heute diskutieren wir darüber, dass junge Spieler teilweise zu oft trainieren und die dann dadurch den Unterricht versäumen könnten. Natürlich muss man darauf achten, dass sich die Spieler sportlich und auch geistig weiterentwickeln. Aber dass wir im Jahre 2008 im Hochleistungssport immer noch darüber reden müssen, dass ein Elitespieler auch individuell gefördert werden kann – das gab es in der DDR schon Anfang der 80er Jahre: Auch ich habe damals davon profitiert und Einzelunterricht genommen.
ETD: Der DFB hat auch die Trainerausbildung stark reformiert -könnten Sie uns bitte einmal kurz erläutern, was an den alten Lehrgängen nicht mehr zeitgemäß war? Wo liegt jetzt der Schwerpunkt?
Sammer: Wenn wir unsere Spieler und unsere Mannschaften besser machen wollen, gibt es einen Hauptverantwortlichen: Der Trainer ist der Schlüssel. Er muss so gut wie möglich ausgebildet sein und das sowohl im sportlich-inhaltlichen als auch im pädagogischen Bereich. Die jeweiligen Trainerlizenzen A, B und C sind viel zu kurz in ihrer eigentlichen Ausbildungszeit. In sechseinhalb Wochen ist man von der Ausbildungszeit her gesehen schon ein Nachwuchstrainer – aber glauben Sie mir, in sechseinhalb Wochen kann sich nichts groß entwickeln. Wir müssen diese Umfänge sukzessive erhöhen. Wir haben den Fußballlehrer-Lehrgang jetzt auf fast ein Jahr verlängert und das praxisbezogener als bisher. Ich denke, dass wir da auf einem guten Weg sind, aber wir sind noch lange nicht da, wo ich persönlich eigentlich noch hin möchte. Wir müssen aber auch den Stellenwert des Trainers in der Öffentlichkeit verbessern, denn ein Trainer ist nun einmal etwas Besonderes.
ETD: Aber ein Trainer ist ja auch eingebettet in ein System. Was nützt der am besten ausgebildete Trainer, wenn ein Vorstand schon nach drei Wochen die Nerven verliert und ihn feuert?
Sammer: Richtig. Wir haben in diesem System leider noch verschiedene Schwachstellen. Eine, und die schreiben wir uns ganz klar auf unsere Fahne, ist die, dass wir unsere Trainer viel besser ausbilden müssen. Und deshalb wollen wir auch die Hennes-Weisweiler-Akademie weiter ausbauen, um unserer Leitfunktion gerecht zu werden. Aber darüber hinaus ist der nächste Fehler, dass wir viel zu viele junge Trainer frühzeitig nach oben ziehen und sie dadurch scheitern. Ein Trainer ist etwas ganzBesonderes; er ist wie ein Dirigent in einem Orchester oder ein Leiter in einem großen Unternehmen. Er muss nicht nur nach innen stark sein, sondern auch nach außen. Da gehört meiner Meinung nach eine gewisse Reife dazu. Das ist der zweite Punkt, der mir in diesem System nicht gefällt und der dritte Punkt ist das, was Sie gerade gesagt haben, dass der Umgang mit unseren Trainern oft schlecht und fragwürdig ist. Es ist immer mal möglich, dass man sich von einem Trainer trennt – aber da sollte nicht nachgetreten werden. Es geht jedoch in solchen Fällen auch am Ende darum, die Position eines Trainers zu stärken.
ETD: Wenn man Ihre Aussagen hört, möchte man Sie auch gerne einmal nach Ihren persönlichen Werten befragen…
Sammer: Es gibt ein paar Dinge, die ich für sehr wichtig halte: Das sind Ehrlichkeit, Respekt und Demut. Wir reden zwar darüber, dass diese Werte nicht mehr da sind, aber wer lebt sie denn noch vor? Und deshalb werden wir auch beim DFB einen Werte- und Verhaltenskatalog vorlegen, in dem diese Dinge für unsere Talente in den Junioren-Nationalmannschaften alle niedergeschrieben sind. Gehen wir mal zum Lehrer in der Schule: Die Grenze des Respektes ist auf einem niedrigen Niveau, wie es schlimmer nicht mehr geht. Aber die Lehrer sind entscheidend für die Kinder und somit für unsere Zukunft. Also müssen wir doch deren Positionen stärken. Das findet meiner Meinung nach aber nicht mehr statt und diese Form von Respekt ist leider verloren gegangen.
ETD: Vielen Dank, Herr Sammer.
Das Interview führte
Steffen Andritzke
Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 31/08
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