Kirchen unter Kritik: Über 600 Migranten erhielten im März Kirchenasyl

Die Zahl der Flüchtlinge und Migranten im Kirchenasyl ist steigend. Die Politik kritisiert die Praktik der Kirchen und sucht das Gespräch.
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Syrisches Kind in einer Hamburger KircheFoto: Astrid Riecken/Getty Images
Epoch Times3. April 2018

Die Zahl der Flüchtlinge und Migranten denen Kirchenasyl gewährt wird steigt. Vermutlich daher gerät diese Praxis stärker in den Blickpunkt der Politik.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte der „Welt am Sonntag“: er habe ein Problem mit dem Kirchenasyl für Migranten. Das staatliche Recht in Deutschland sei zu beachten. „Das müssen auch die Mitglieder der Kirchen akzeptieren.“

Darüber hinaus verwies Kauder auf die Härtefallkommissionen, in denen einzelne Asyl-Fälle noch einmal gesondert behandelt werden können.

Kirchen und BAMF für „sensiblen Umgang“ mit Kirchenasyl

Im Februar 2015 einigten sich die beiden großen Kirchen und die Bundesbehörde für Migration und Flüchtlinge (BAMF), „auf einen besonders sensiblen Umgang“ mit dem Instrument Kirchenasyl.

Allerdings erwecke „die Praxis in der jüngeren Vergangenheit nicht nur in Schleswig-Holstein den Eindruck, dass dies nicht von allen Gemeinden verinnerlicht wurde“, sagte schleswig-holsteinische Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) der „Welt“. Dies sei „auch die Ausrichtung der laufenden Vorbereitung der anstehenden Gespräche mit den Kirchen“.

Die Forderung mit den Kirchen ins Gespräch zu kommen, hatte die Länder-Innenministerkonferenz im Dezember 2017 auf Antrag Schleswig-Holsteins – angesichts stark gestiegener Zahlen beim Kirchenasyl – beschlossen.

„Wir weisen immer wieder darauf hin, dass wir das Kirchenasyl nicht für politische Zwecke instrumentalisieren“, verteidigte Stefan Salzmann, Pfarrer der evangelischen Matthäusgemeinde in Gütersloh, die Praktik. Er gewährte zwei iranischen Christen Asyl.

Pfarrer Salzmann: „Wir prüfen genau wen wir aufnehmen“

Pfarrer Salzmann machte deutlich, dass es beim Kirchenasyl nicht um eine „Unterwanderung des Rechts“ gehe. „Wir prüfen sehr genau, wen wir vor der Abschiebung bewahren“, sagte er. „Alles andere wäre unverantwortlich.“

Schon weil jede Aufnahme „mit großen logistischen und finanziellen Herausforderungen verbunden“ sei. Denn schließlich müsse die Gemeinde für die gesamte Versorgung der Flüchtlinge aufkommen.

Der Pfarrer führte weiter aus: „Die meisten Anträge müssen wir ablehnen, auch wenn wir das nur schweren Herzens tun.“ Kirchenasyl solle eine Ausnahme bleiben. „Einen Flüchtling, der seine Bedürftigkeit mit mangelnder Ausstattung in den Unterkünften begründet, würden wir wahrscheinlich nicht aufnehmen.“

Bundesländer uneinig

Martin Dutzmann von der Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bezweifelt, dass sich die Bundesländer beim Thema Kirchenasyl einig sind.

„Bevor dieses Gespräch geführt werden kann, müssen sich meines Wissens erst noch die Bundesländer über eine gemeinsame Position in dieser Frage verständigen,“ sagte Dutzmann.

Die EKD stehe für ein Gespräch zur Verfügung. Dabei werde die EKD „die Auffassung vertreten, dass die Verfahrensabsprache [mit dem BAMF] vom Februar 2015 weiterhin eine tragfähige Grundlage bietet“, so Dutzmann weiter.

611 Menschen fanden im März 2018 Kirchenasyl

Laut der „Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl“ wurden im März 2018 bundesweit in 414 Fälle Kirchenasyl gewährt. Wenn man Kinder und Ehepartner mitrechnet, waren es 611 Personen. Im November 2017 waren es 350 Fälle – mit 530 Personen. Im November 2016 waren es 308 Fälle – mit 511 Personen.

Aus manchen Bundesländern liegen einzelne Zahlen vor: In Nordrhein-Westfalen beispielsweise erhielten im März 2018 160 Flüchtlinge Kirchenasyl, berichtet das „Ökumenische Netzwerk Asyl in Kirchen“. Das sind etwa ein Drittel mehr Menschen als im Sommer 2o17 und fast doppelt so viele wie vor gut einem Jahr.

Die Zahl steige von Jahr zu Jahr, sagte ein Mitarbeiter des Netzwerks in Münster. Meistens kommen die Migranten aus dem Irak, Iran und Eritrea.

Abschiebedruck lässt Anfragen nach Kirchenasyl wachsen

Das zeigt sich auch in anderen Regionen Deutschlands: Im Saarland gab es 2017 52 gemeldete Fälle von Kirchenasyl. Das sind doppelt so viele wie im Jahr 2015 wo es 21 Fälle gab, wie aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage des Landtagabgeordneten Josef Dörr (AfD) hervorgeht.

Bei den sächsischen Kirchgemeinden wurden 2017 30 Geflüchteten Kirchenasyl gewährt. Die Zahl der Anfragen soll um ein Vielfaches höher gewesen sein.

In Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg gewährt die Nordkirche zurzeit 153 von Abschiebung bedrohten Ausländern Kirchenasyl.

Wie ein Sprecher des Kirchenkreises Hamburg-Ost mitteilte, leben in Hamburg 73 Menschen mit Kirchenasyl, in Schleswig-Holstein 44 und in Mecklenburg-Vorpommern 36. Sie wohnen in geschützten Räumen der evangelischen Gemeinden.

Menschen können in Deutschlands Kirchen Zuflucht finden, wenn durch eine Abschiebung Leib und Leben bedroht ist oder nicht hinnehmbare soziale und psychische Härten für sie abzusehen sind. (er)

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