KITA-GATE bei Volkswagen – Für Betroffene nur die Spitze des Eisberges

Erschütternde Berichte von Mitarbeitern, die ihre Kinder der betrieblichen Kindertagesstätte anvertraut haben.
Titelbild
Symbolbild.Foto: Sean Gallup/gettyimages
Von 5. November 2022

Mit einer hohen Resonanz und Empörung der Leser über die von Epoch Times recherchierten Vorfälle im Volkswagen Betriebskindergarten war zu rechnen. Noch einmal schockiert hat jetzt die Intensität der Kommentare.

Ein sehr persönlich gehaltenes Schreiben einer unmittelbar betroffenen Braunschweiger Familie mit Betriebsangehörigen bei Volkswagen Financial Services (VW FS) ging mit der Bitte um Stellungnahme an den Pressesprecher des VW-Unternehmens. Adressaten waren auch die Kita-Leitung und eine Vertreterin des Trägers der Einrichtung.

Unfassbare Details

Besagtes Schreiben zu veröffentlichen, gehört hier zu den Pflichten einer akkuraten journalistischen Dokumentation:

„Sehr geehrter Herr Wallasch,

Ich habe heute Ihren Artikel zu den Vorfällen in der Kita Frech Daxe gelesen. Ich habe ebenfalls erst kürzlich davon erfahren und sehr schnell wurde ich von einer Lawine an schrecklichen Erzählungen aus dieser Kita überrollt.
Die Geschehnisse, welche von der betroffenen Mutter geschildert werden sind nur die Spitze des Eisbergs. Ich habe von mehreren unabhängigen Quellen von Übergriffen von offenbar immer derselben Gruppe Jungen sowohl an Mädchen als auch an anderen Jungen gehört. Auch die betroffene Mutter, welche den Artikel kommentiert hat, hat sich im Kommentar noch zurück gehalten. Weil das was noch alles geschehen ist noch viel schlimmer ist. Dabei ging es nicht nur um Scheiden- und Pountersuchungen oder dem „Entdecken und dem Hingeben zu schönen Gefühlen“ wie von der Kita beschrieben, sondern um gewaltsame Übergriffe und dem Einführen von Steinen, Stöcken und anderen Gegenständen in Körperöffnungen gegen den Willen der betroffenen Kinder.

Wir waren als Elternteile vor einigen Wochen erst dort und haben uns voller Begeisterung die Einrichtung zeigen lassen und haben am Ende eine Voranmeldung für XXXXXXX (Red.: anonymisiert) abgegeben. Damals wussten wir von den Vorfällen noch nichts und uns wurden diese natürlich verschwiegen.

Aufklärung ist wichtig und ich hoffe und wünsche mir, dass Sie in dieser Richtung weiterhin investigativ tätig werden.

Aus Angst vor Repressalie versende ich diese Mail anonym.

Mit freundlichen Grüßen,
Ein schockierter VW Mitarbeiter“

Unsere Nachfrage bei VW

Ein Pressesprecher von Volkswagen FS antwortete kurz und knapp:

„Vielen Dank für die Weiterleitung der Email. Ich verweise auf die Stellungnahme von vorgestern. Diese liegt ihnen ja bereits vor. Gruß XXX“

Etwas zeitversetzt kommt eine fast gleichlautende Rückmeldung der Marketingreferentin des Kita-Trägers Impuls Soziales Management GmbH & Co.KG:

„Danke für die Weiterleitung der Information. Ihnen liegt ja bereits unser Statement von Mittwoch vor, auf das wir uns weiterhin beziehen. Freundliche Grüße“

Die fehlende zweite Antwort von Volkswagen lässt sich hier allenfalls als Bestätigung interpretieren. Denn in der ersten Stellungnahme teilte das Unternehmen ja bereits mit:

„Auch uns als Volkswagen Financial Services haben die Vorfälle in der Kita sehr betroffen gemacht.“

„Aus Angst vor Repressalie“ sendet der schockierte Volkswagen-Mitarbeiter seinen Brief anonym. Ist auch das der Spiegel einer desolaten Transparenzkultur bei Volkswagen? Der Autobauer bzw. Automobil-Finanzierer wirbt nämlich explizit mit seinen unternehmerischen Werten. So heißt es bei Volkswagen FS:

„Nicht jedes Kind wird vom Schicksal bevorzugt behandelt. Deshalb engagieren wir uns in unserer unternehmenseigenen ‚Stiftung – Unsere Kinder in Braunschweig‘ durch verschiedene Projekte für sozial benachteiligte Kinder.“

Zum Thema Betriebskindergarten schrieb das Unternehmen schon 2018 anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Kita „Frech Daxe“:

„Nicht zuletzt, haben wir mit dieser Einrichtung unsere Attraktivität als Arbeitgeber in einem wettbewerbsintensiven Umfeld gesteigert. Dies belegen die vielen Arbeitgeberauszeichnungen, die wir in der vergangenen Dekade erhalten haben.“

Gar nicht so schlimm?

Was jetzt die Reaktionen auf KITA-Gate angeht, gab es auch wenige Zuschriften, die relativierend auf die geschilderten Vorfälle reagierten. Der Tenor lautete hier: Ach, das sind doch nur Doktorspiele.

Darüber und über den Fall insgesamt sprachen wir mit einer ortsansässigen Dozentin für Pädagogik mit Schwerpunkt Kinderschutz, die anonym bleiben möchte – auch das ein Hinweis auf die komplizierte Situation, so einen Fall aufzuarbeiten, wenn ein Unternehmen involviert ist, das in der Region eine so überragende Rolle spielt:

Epoch Times: Sie sind mit der Berichterstattung zum Fall vertraut, sie haben die Kommentare und Zuschriften gelesen, alles nur Doktorspiele?

Dozentin: Doktorspiele per se sind nichts Unnormales bei Kindern. Aber Doktorspiele unter pädagogischer Beobachtung? Da gibt es ganz klare Linien, wie man damit umgehen soll in so einer Einrichtung. Hier müssen klare Grenzen aufgezeigt werden.

ET: Müssen Eltern akzeptieren, dass das überhaupt Thema des Kindergartens ist? Da machen sich Eltern sicher durchaus Gedanken. Und ich frage mich dann auch, wie das mit Eltern aus kulturfremden Kreisen ist, die auf solche Debatten anders reagieren. Das wird sicher auch eine Problemstellung sein.

Dozentin: Die Handlungsempfehlung ist hier, die Erzieher gehen mit den Kindern ins Gespräch und weisen sie zunächst darauf hin, dass das natürlich ist. Aber dass es im Rahmen des Kindergartens oder der Kindertagesstätte eben nicht erwünscht ist.

Eine Richtlinie besagt, dass Erzieher das ganz eng begleiten müssen dahingehend, dass das nicht passiert. Es gibt Kinder, die werden stärker beobachtet, damit die Erzieher frühzeitig dazwischengehen können.

ET: Im Fall des Volkswagen Kindergartens soll nach Aussage einer Mutter eine Erzieherin gesagt haben: „Wir haben unter unserer Aufsicht den Kindern erlaubt, sich nackig zu machen, gegenseitig zu untersuchen, sich schönen Gefühlen zueinander hinzugeben und es war so liebevoll, so wunderschön.“

Dozentin: Das ist etwas, das definitiv nicht sein sollte. Es gibt in den Kitas Handlungsempfehlungen, auch zu dieser Thematik. Wie man damit umgeht im Rahmen einer Kita, ist hier genau festgelegt.

ET: Wie würden Sie den Fall bei Volkswagen beurteilen?

Dozentin: Also vom Aspekt des Kinderschutzes ganz, ganz ungünstig. Hier geht es ja um Kindeswohlgefährdung bzw. Kinderschutz relevante Themen. Ganz wichtig, dass das zur Sprache gekommen ist. Vielfach wird nicht einmal darüber geredet, es wird totgeschwiegen.

Was da in der Kita passiert sein soll, das sind Sachen, die nicht gehen. Eigentlich sind die Kitas angehalten, mit den Kindern auch ganz klar zu üben, was es heißt, die eigene Grenze zu erkennen: Was gefällt mir, was gefällt mir nicht? Das heißt, wenn die sich das dann auch noch angucken und damit verhindern, dass ein Kind sich an sie wenden kann, ist das falsch. Grundsätzlich hat das Kind nämlich den Eindruck, wenn die Erzieher das dulden oder gar fördern, dann ist das in Ordnung.

ET: Warum überhaupt diese ganze pädagogische Arbeit am Kind bis hinein in alle Grenzbereiche?

Dozentin: Eine Kita hat von Gesetzes wegen einen Bildungsauftrag. Und selbstverständlich auch einen Schutzauftrag. Mittlerweile plädiert man dafür, dass das Kind sich aus sich selber heraus entwickelt, dass pädagogische Fachkräfte eine begleitende Rolle haben, also in solchen Fällen dem Kind signalisieren Grenzen aufzuzeigen.

Ein großes Problem ist ja, dass bei diesen Inklusions-Gedanken nicht bedacht wurde, dass die Umsetzung schon am Personalmangel scheitert. Du kannst nicht Kinder aus fremden Kulturen und Kinder mit besonderen Bedürfnissen einfach zusammen pfropfen in so eine Gruppe von 22 Kindern mit zwei Erziehern. Das heißt ja, jeder hat elf Kinder.

ET: Kollidiert das nicht auch mit dem Erziehungsauftrag und vor allen Dingen mit dem elterlichen Willen? Eltern haben doch das Anrecht zu sagen, ich möchte das für mein Kind und das möchte ich nicht für mein Kind. Hier entsteht ggf. der Eindruck, da kommt Kinder in eine Kita und dann sind die Eltern außen vor und haben gar keinen Einfluss mehr darauf.

Dozentin: Nein, das soll so nicht sein. Aber eines ist auch wahr: Es muss kein Kind in die Kita. Dann kann man immer noch überlegen, ob man eine Tagespflege nimmt.

ET: Können denn Eltern, die bestimmte Vorstellungen haben, auch einen Kindergarten gründen, wenn sie sich an die Vorschriften halten? Das wäre doch eine Empfehlung für die, die sagen, mein Kind soll nicht in so einer Kita bleiben.

Dozentin: Ja, das können sie. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die sie erfüllen müssen. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit der Elterninitiativen. Was dann natürlich bedeutet, dass die Eltern mitarbeiten müssen, das heißt, sie haben dann auch Dienste.

ET: Also würden Sie die Leute auffordern, macht es bitte selbst, wenn ihr andere Vorstellungen habt und so lange ihr die Auflagen dafür erfüllt?

Dozentin: Man kann sich aber auch innerhalb bestehender Kitas engagieren. Und ein erster Schritt wäre es zum Beispiel, viel mehr Erzieher dort zu haben, zu fordern, zu organisieren, sich dafür einzusetzen. Die Problematik insgesamt hängt sehr stark mit der Betreuung der Kinder unter sechs zusammen. Vielfach eine Personalfrage. Das wiederum liegt an dieser unattraktiven Bezahlung.

Man versucht immer mehr Männer reinzubringen, damit die Kinder auch männliche Vorbilder haben.

ET: Danke für das Gespräch!

 



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