„Klarer Fall von Polizeiversagen“: Beweismittel gegen mutmaßlichen Pädo-Kriminellen von Lügde verschwunden

Bereits seit dem 20. Dezember fehlen in der Kreispolizeibehörde Lippe Beweismittel, die zuvor im Zusammenhang mit einem mutmaßlich pädosexuellen Trio rund um einen Camper aus Lüdge sichergestellt worden waren. Nun stellt sich die Frage, ob die Verdächtigen Freunde im Behördenapparat hatten.
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Beamte des Landeskriminalamtes untersuchen den Campingplatz in Lügde.Foto:  Christian Mathiesen/dpa
Von 21. Februar 2019

Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal von Lügde sind bereits vor mehreren Wochen Beweismittel verschwunden. Wie der Landesinnenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, dem „Focus“ zufolge am Donnerstag (21.2.) in Düsseldorf mitteilte, vermisst die Kreispolizeibehörde Lippe bereits seit dem 20. Dezember des Vorjahres einen Koffer und eine Hülle mit 155 Datenträgern, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den 56-jährigen Dauercamper Andreas V. stehen.

Der 56-Jährige soll in Lügde zusammen mit zwei ebenfalls in Untersuchungshaft sitzenden Mitverdächtigen (33 und 48 Jahre) über mindestens zehn Jahre hinweg mindestens 27 Mädchen und vier Jungen im Alter zwischen vier und 13 Jahren in mehr als 1000 Fällen sexuell missbraucht haben.

Die Hauptverdächtigen stammen aus Lügde, dem niedersächsischen Stade sowie aus Steinheim im nordrhein-westfälischen Kreis Höxter. Neben den Ermittlungen wegen schweren sexuellen Missbrauchs gehen Staatsanwaltschaft und Polizei in dem Fall auch dem Verdacht der Verbreitung von Kinderpornografie nach.

„Man muss hier klar von Polizeiversagen sprechen“

Reul sprach angesichts der Vorgänge von einem „Desaster“ und setzte Sonderermittler ein. Ihm zufolge befanden sich die Datenträger in einem Aluminiumkoffer in und einer Hülle bei der Kriminalpolizei in Detmold. Der entsprechende Raum soll demnach unzureichend gesichert gewesen sein. Wegen des verschwundenen Beweismaterials setzte Reul fünf Beamte des Landeskriminalamtes als Sonderermittler ein. „Man muss hier klar von Polizeiversagen sprechen“, sagte Reul.

Die Gesamtermittlungen im Aufsehen erregenden Fall Lügde sollen durch die verschwundenen Daten aber nicht bedroht sein. Auf den vermissten CDs und DVDs können sich demnach maximal 0,7 Terabyte Daten befinden. Beschlagnahmt hatten die Ermittler im Fall Lügde aber insgesamt 15 Terabyte Daten.
Jugendamt will keinen Verdacht geschöpft haben

Die Missbrauchsserie auf dem Campingplatz „Eichwald“ in Lügde war am 30. Januar bekannt geworden. Für öffentliche Empörung hatte insbesondere der Umstand gesorgt, dass dem 56-jährigen Andreas V. 2016 ein damals fünfjähriges Pflegekind anvertraut worden sein soll. Auch an diesem habe er sich vergangen, zudem habe er es eingesetzt, um auf diesem Wege an andere Kinder heranzukommen.

Die Mutter des Kindes soll V. damals mit der Erziehung betraut haben, das Jugendamt hat offenbar keinen Verdacht geschöpft. Obwohl die Unterbringung lediglich auf einem Campingplatz stattgefunden hatte, heißt es vonseiten des Landkreises Hameln-Pyrmont, weder der Gesundheitszustand, die finanzielle Lage noch das Führungszeugnis des Mannes hätten Grund zur Beanstandung gegeben.

Die „Bild“-Zeitung berichtete, eine Helferin des Jugendamtes habe im Frühjahr 2018 Mängel in der Erziehung des Pflegekindes festgestellt und Andreas V. zu einer pädagogischen Schulung aufgefordert. Dieser habe V. sich verweigert. In weiterer Folge habe die Helferin die Zusammenarbeit eingestellt – acht Wochen lang habe sich jedoch keine Ersatzkraft des Falles angenommen.

Schlampereien oder einflussreiche Freunde?

Bereits 2016 sollen zwei Hinweise auf sexuellen Missbrauch bei der Polizei Lippe eingegangen sein. Nach Telefongesprächen mit den Zeugen leiteten die Beamten die Hinweise zwar an das Jugendamt weiter, weitere Schritte blieben aber aus. Über die Gründe für diese Untätigkeit liegen bislang keine öffentlich zugänglichen Erkenntnisse vor.

Erst im November 2018 wurden infolge einer Anzeige Ermittlungen aufgenommen. Mittlerweile wird auch gegen Verantwortliche in mehreren Jugendämtern sowie gegen zwei Polizeibeamte ermittelt. Es werde, so schreibt der Focus, genau geprüft, ob diese die Tatverdächtigen möglicherweise persönlich kannten. Warum die Datenträger aus dem Raum in der Polizeibehörde Lippe verschwunden sind, konnte Reul zunächst nicht sagen. Er wollte vorsätzliches Handeln jedoch nicht ausschließen.

Bei einer weiteren Person, so berichtet der Focus weiter, geht es um den Verdacht der Datenlöschung. In diesem Fall führe die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Strafvereitelung. Es werde geprüft, ob die Person Daten für einen der drei Hauptverdächtigen gelöscht hat und eine Bestrafung verhindert werden sollte.
(mit Material von afp)



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