Können deutsche Gerichte noch frei entscheiden?

Eingeschränkte Grund- und Freiheitsrechte, zweifelhafte Maßnahmen und hohe Bußgelder auf Grundlage fragwürdiger Zahlen, abgenickt in allen Instanzen. Hat der Rechtsstaat während der Coronakrise komplett versagt? Fakt ist: Immer mehr Bürger verlieren das Vertrauen in deutsche Gerichte. Wie schätzen Juristen die Lage ein? Epoch Times stellte zwei Richtern getrennt voneinander dieselben Fragen.
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Symbolbild.Foto: Valerii Evlakhov/iStock
Von 7. November 2022

Jens Gnisa ist Amtsrichter und Direktor des Amtsgerichts in Bielefeld. Von 2016 bis 2019 war er Präsident des Deutschen Richterbunds. Herr Dr. Pieter Schleiter ist Richter in mehreren großen Strafkammern und einer Zivilkammer am Landgericht Berlin mit einer Abordnung an das Kammergericht Berlin in 2019/2020. Zudem ist Dr. Schleiter Vorstand des Netzwerkes Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (KRiStA). Im Interview treten beide nicht als Amtsträger, sondern als Privatpersonen auf.

Epoch Times: Wie sehr vertrauen die deutschen Bürger der Unabhängigkeit deutscher Richter? Wie stark ist die Unzufriedenheit?

Gnisa: Man muss klar sagen, dass es viele Menschen gibt, die unzufrieden sind. Es gibt auch Meinungsumfragen, die im Prinzip positiv sind. Jetzt ist immer die Frage, ist das Glas halb voll oder halb leer? 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger vertrauen den Gerichten, vertrauen also auch in die Unabhängigkeit. Man kann jetzt aber auch auf die 30 Prozent schauen und sagen: Da wollen wir noch Boden gut machen.

Schleiter: Nach dem EU-Justizbarometer 2022 beurteilt etwa ein Viertel der deutschen Bürger die Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland mit „ziemlich schlecht“, „sehr schlecht“ oder „weiß nicht“. Die Tendenz ist steigend gegenüber dem Vorjahr. Ich halte es für sehr bedenklich für unsere Demokratie, wenn ein großer Teil der Bevölkerung kein ausreichendes Vertrauen in die dritte Gewalt hat.

Nach unserem Eindruck hat die Rechtsprechung betreffend Corona hieran einen erheblichen Anteil. Positiv aber ist: Mir persönlich ist in meiner über zwölfjährigen Dienstzeit in einer Vielzahl von Gerichten und Instanzen auch nach Gesprächen mit Kollegen kein einziger Fall bekannt geworden, in dem versucht wurde, auf die Entscheidung eines Richters unmittelbar Einfluss zu nehmen. Vielmehr ist mein persönlicher Eindruck, und insoweit kann ich beruhigen, dass die richterliche Unabhängigkeit betreffend die Entscheidungsfindung im konkreten Fall sehr hochgehalten wird.

ET: Ein kurz vor der Pension stehender Richter ließ gegenüber Epoch Times einmal verlauten, dass Richter-Karrieren von Empfehlungen abhängen, es bestehe damit eine Abhängigkeit. Wie bewerten Sie das für Richter auf Landes- und auf Bundesebene?

Gnisa: Zunächst muss man sagen, dass die Richter von einem Landesjustizminister im Regelfall ins Beamtenverhältnis, ins Richterverhältnis berufen werden und dass von dort aus auch dann die Beförderungen vorgenommen werden. Aber das findet nicht im luftleeren Raum statt. Man bekommt als Richter Noten, Zeugnisse in regelmäßigen Abständen. Es gibt Anforderungsprofile, es gibt richterliche Mitwirkungsorgane wie Präsidialräte.

Zudem kann man, und das wird in letzter Zeit häufiger gemacht, sogar den Klageweg beschreiten, wenn man sich um eine Beförderungsstelle bewirbt und man meint, man sei der bessere Kandidat und hat trotzdem verloren. Dann kann man das Verwaltungsgericht anrufen. Das machen viele. Und ich glaube, dass insgesamt doch die Kontrolle so verdichtet ist, dass man wirklich sagen kann, darüber findet letztendlich kein Einfluss statt.

Es gibt natürlich schon Wege, schneller nach vorne zu kommen. Also wenn ich zum Beispiel als Richter in ein Justizministerium gehe und dort Beamter werde. Natürlich arbeite ich dann an den Schnittstellen zur Politik, natürlich werde ich dann auch bekannter. Dann kann es natürlich sein, dass man auch innerhalb der Justiz eher befördert wird.

Das halte ich aber nicht für so gravierend, dass man dem ganzen System misstrauen müsste, sondern wir reden hier von Gerichtspräsidentenstellen. Letztendlich und vielleicht ist es ja auch gar nicht so verkehrt, wenn man Richter an Schlüsselstellen hat, die wissen, wie das politische System funktioniert.

In der juristischen Fachwelt wird diskutiert, dass das Wahlverfahren der Bundesrichter am Bundesgerichtshof oder Bundesverwaltungsgericht relativ intransparent ist. Es gibt einen Wahlausschuss, in dem die 16 Landesminister sitzen, aber auch Bundestagsabgeordnete. Dieses Verfahren ist letztendlich nicht klar geregelt. Wie kommen Richter beispielsweise in den Topf der Interessenten? Nach welchen Kriterien wird dann ausgewählt?

Daher ist das Verfahren der Bundesrichterwahl einfach intransparent. Und das führt dann natürlich zu Misstrauen. Ich selber kann allerdings bestätigen, dass die juristische Qualität der Bundesrichter ausgesprochen hoch ist. Aber trotzdem ist es natürlich wichtig, dieses Verfahren vielleicht auch ein Stück weit zu reformieren, weil es eben doch immer wieder zu Misstrauen führt.

Schleiter: Erstens wird die Unabhängigkeit der Justiz wesentlich durch den Einfluss der Exekutive eingeschränkt. Die Gerichte und Staatsanwaltschaften sind als Art nachgeordnete Behörden hierarchisch den Justizministern unterstellt, was teilweise sogar im Widerspruch zu EU-Recht steht.

Sie befinden sich in vielfältiger Abhängigkeit – von der Einstellung und Beförderung bis hin zur Zuweisung oder Streichung von Haushaltsmitteln. Durch die Einführung von sogenannten Richterwahlausschüssen ist dem kaum abgeholfen worden. Zu Recht fordert der Deutsche Richterbund eine echte Selbstverwaltung der Justiz mit eigenem Haushaltsrecht, wie sie in den meisten europäischen Ländern praktiziert wird.

Die dritte Gewalt muss sich wie die Legislative und die Exekutive in ihren Organisationsbereichen selbst verwalten können. Bereits 2010 hat der Deutsche Richterbund für die Landesebene ein Musterlandesjustizverwaltungsgesetz vorgelegt, was bislang leider nicht umgesetzt wurde.

Das erheblich dadurch bedingte zweite zentrale Problem ist die (partei)politische und intransparente Einflussnahme auf den Justizapparat an sich, die über die Personalauswahl stattfindet. Sie entfaltet ihre Wirkung in den Instanzen von oben nach unten. So werden die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt.

Das führt in der Praxis dazu, dass die Richter nach Parteienproporz der beiden Parlamentskammern benannt werden, wobei die Kandidaten den Parteien regelmäßig nahestehen. Für die fünf übrigen Bundesgerichte gilt das Richterwahlgesetz. Danach berufen die jeweiligen Fachminister des Bundes und der Länder als Exekutive sowie vom Bundestag gewählte Vertreter die Bundesrichter in geheimer Abstimmung.

Auch hier haben damit letztlich die Parteien einen viel kritisierten maßgeblichen Einfluss auf die Benennung. Der ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Böckenförde sprach von „Parteipatronage“ und „personeller Machtausdehnung der Parteien“.

Die überwiegende Anzahl der Bundesländer hat für die Landesrichter Richterwahlausschüsse eingeführt, in denen zu großen Teilen die Parteien mitbestimmen. Das wirkt sich in den Eingangsinstanzen, insbesondere am Amtsgericht und am Landgericht, (noch) nicht merklich aus. In der Justiz ist es aber ein offenes Geheimnis, dass hohe Beförderungspositionen einfacher mit politischem Hintergrund zu erlangen sind.

Für die Rechtsprechung insgesamt hat das folgende Auswirkung: Die grundlegenden juristischen Fragen, mitunter mit politischem Einschlag, werden von den Bundesgerichten und den Obergerichten getroffen. Die Instanzgerichte halten sich hieran weit überwiegend. Zwar ist auch der Instanzrichter in seiner Entscheidung frei und nur Gesetz und Recht unterworfen. Es braucht aber Rückgrat, Ausdauer und Kraft – auch gegenüber den Kollegen –, dauerhaft gegen den Strom zu schwimmen.

ET: Blicken wir auf das Bundesverfassungsgericht. Kurz bevor das Urteil zur Bundesnotbremse verkündet wurde, fand ein Abendessen der Richter mit der Bundeskanzlerin statt. Zudem war der Präsident des entscheidenden Senats vormals stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion. Das Urteil wurde im Sinne der Bundesregierung gesprochen, im Sinne der alten Parteikollegen. Können Sie Zweifel an der Unabhängigkeit verstehen?

Gnisa: Es wurde versucht, den Weg zu gehen, die Richter wegen Befangenheit abzulehnen. Das wurde zurückgewiesen aus verschiedenen juristischen Argumenten. Der andere Punkt ist: Wie nah sollen eigentlich Verfassungsrichter an der Politik sein? Ich weiß, dass es die Kritik gibt, dass einige Verfassungsrichter zu nah an der Politik seien. Auf der anderen Seite ist das nicht die Mehrheit im Senat, und das wird immer wieder als Gegenargument vorgebracht.

Es ist auch nicht ganz fernliegend, wenn man sagt, wir wollen jetzt nicht nur Professoren oder nur welche, die aus der Richterschaft kommen, denn da wird ja letztendlich an der Schnittstelle zur Politik gearbeitet. Deswegen ist es gut, dass in einem Senat auch Menschen sitzen, die wissen, wie Politik geht, wie das abläuft. So weit halte ich das für gut. Die anderen Fragen müssen dann eben juristisch geklärt werden. Wie nah ist man wirklich dran? War man zu nah? Da hat das Verfassungsgericht eine Entscheidung getroffen, die habe ich nicht zu kommentieren.

Ich verstehe die Kritik trotzdem. Deswegen bin ich auch hier und versuche ein Stück weit die Dinge zu erklären. Trotzdem besteht ein Senat natürlich nicht auf den 1,2,3 Richtern, die vielleicht eine politische Vergangenheit haben. Vielmehr gleicht sich das nach meinen Empfindungen durchaus aus. Die Erfahrung ist auch immer wieder, dass die Verfassungsrichter, wenn sie erst mal an der Stelle platziert sind, eine große Unabhängigkeit entwickeln und oft auch gegen ihre eigenen Parteien, von denen sie kommen, entscheiden.

Und das ist auch meine Erfahrung, dass man dann doch relativ schnell die Dinge ad acta legt und seine Position eben am Bundesverfassungsgericht findet. Also ich habe keinen Anlass, den Richtern dort in irgendeiner Art und Weise zu misstrauen.

Schleiter: Dieses Treffen stand zurecht stark in der öffentlichen Kritik, zumal die Bundesrichter über die Flugbereitschaft der Bundesregierung eigens eingeflogen wurden. Zwar findet es jährlich als Treffen oberster Verfassungsorgane statt. Angesichts der anstehenden Entscheidungen wäre eine Verschiebung aber angemessen gewesen.

Besonders problematisch auch mit Blick auf eine mögliche Befangenheit war der Umstand, dass auf diesem Treffen sogar über Fragen referiert wurde, die sich auch bei der zu treffenden Entscheidung stellten. Ein gemeinsames Abendessen hat mit dem Prozessgegner zu Recht nicht stattgefunden.

Jedem Amtsrichter ist es fraglos untersagt, sich von einer Prozesspartei zum Essen einladen zu laden lassen. Es ist daher nachvollziehbar, wenn hier Zweifel an einer Unparteilichkeit aufkommen. Dazu trägt auch der Umstand bei, dass der Präsident des Bundesverfassungsgerichts bis 2018 noch stellvertretender Fraktionsvorsitzender derjenigen Fraktion war, welche maßgeblich das zu überprüfende Gesetz mitverabschiedet hat. Hier sollte man über Karenzzeiten nachdenken.

ET: Gerichte müssen den aktuellen Stand bzw. die jüngsten Entwicklungen im Rechtsstreit berücksichtigen. Anwälte bemängelten, dass das RKI oft als alleinige Quelle bei Corona-Entscheidungen herangezogen wurde, obwohl das Handeln des RKI überprüft werden sollte. Wann muss ein Amtsgericht neue Erkenntnisse per Beweisaufnahme gewinnen, anstelle auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bezug zu nehmen?

Gnisa: Es gab Bußgeldbescheide wegen Verstoß gegen die Corona-Schutzverordnung. Dann gibt es Einspruch und dann befinden wir uns auf der Amtsgerichtsebene. Der Amtsrichter schaut natürlich erst mal, was das Bundesverfassungsgericht zu diesen Regelungen wie Corona-Schutzverordnung und Notbremse sagt.

Natürlich orientiert man sich als Amtsrichter an diesen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Man muss sich erst mal fragen: Darf ich das Gesetz überhaupt verwerfen? In der richterlichen Praxis überprüfe ich nicht jedes Mal wieder das, was das Bundesverfassungsgericht schon vorgearbeitet hat.

Die Verfahrensstrategie in den Corona-Verfahren ist eben oft so, dass immer wieder dieselben Argumente vorgebracht werden, die in den Vorverfahren aber schon abgearbeitet wurden. Das kann man formal so machen, aber dann muss man sich nicht wundern, dass man damit eben nicht durchdringt, weil man eben nichts Neues mehr vorbringt. Dann kann man natürlich auch sagen Okay, ich habe mir eben schon eine abschließende Meinung gebildet und ich folge dem RKI. Das ist ja eine zulässige Meinung.

Wir müssen natürlich die Zeitebenen auseinanderhalten: Es gibt meinetwegen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bundesnotbremse. Ich habe wenig später eine Demonstration dagegen, dann muss ich natürlich schauen, galt denn die Corona-Schutzverordnung zu diesem Zeitpunkt? Und man muss sich nicht damit beschäftigen, was der Gesetzgeber heute vielleicht sinnvollerweise regeln müsste.

Der Gesetzgeber hat ja durchaus reagiert und eben zahlreiche Lockerungen gemacht. Man hat ja heutzutage eben nur noch wenig Einschränkungen. Es gibt eine Reaktion auf die Entwicklung in der Pandemie, und man ist nicht steinern stehen geblieben auf dem Standpunkt von damals. Nur wenn ich es eben mit einem Verstoß gegen eine frühere Corona-Schutzverordnung zu tun habe, muss ich mich natürlich damit beschäftigen, ob diese zum damaligen Zeitpunkt verfassungswidrig war oder nicht.

Und am Anfang von Corona hatten wir es mit großen Unwägbarkeiten zu tun. Die Verfassungsgerichte neigen dann dazu – und ich halte das für richtig –  in dem Fall, wo es eine große Gefahr gibt, aber wir nicht so genau wissen, wie man dagegen vorgehen muss, dass der Gesetzgeber in so einem Fall einen Einschätzungsvorrang hat. Das kann ich gut nachvollziehen. Insofern, glaube ich, haben die Gerichte auch korrekt geurteilt.

Schleiter: Das RKI hat ohne Frage eine hohe Sachkunde. Es besteht aber ein kaum beachteter prinzipieller Fehler bei der Verwertung seiner Stellungnahmen im Rahmen von Gerichtsverfahren. Es gilt der Grundsatz, dass die Judikative die Arbeit von Legislative und Exekutive überprüfen muss.

Wenn aber das RKI als Behörde – und damit Teil der Exekutive – maßgeblichen Einfluss auf deren Entscheidungen hatte, kann es nunmehr nicht Sachverständiger vor Gericht sein zur Überprüfung dieser Entscheidungen. Das widerspricht dem Gewaltenteilungsgrundsatz.

Zudem stellt sich die Frage, ob das RKI nicht bereits deshalb bei der Beantwortung der Fragen befangen ist, weil es geneigt ist, das eigene damalige Ergebnis zu bestätigen. Niemand darf Sachverständiger in eigener Sache sein. Jedenfalls dann, wenn ein Prozessbeteiligter die sachverständige Einschätzung des RKI infrage stellt, muss zwingend zusätzlich ein externer Sachverständiger beauftragt werden.

Was das Amtsgericht oder andere Gerichte betrifft: Wenn gewichtige Anhaltspunkte für eine Veränderung der entscheidungserheblichen Tatsachen vorliegen, muss ein Gericht dem nachgehen und gegebenenfalls Beweis erheben. Im Strafrecht und im öffentlichen Recht muss es das sogar von Amts wegen, also auch das Bundesverfassungsgericht. Im Übrigen hat es zur Bundesnotbremse und einrichtungsbezogenen Impfpflicht auch deutlich gemacht, dass diese Entscheidungen nur für die von ihm überprüfte Zeit gelten.

ET: Kommen wir zum Schluss noch einmal auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht und auf die Impfpflicht in der Bundeswehr zu sprechen. Mittlerweile kennt fast jeder jemanden mit nicht unerheblichen Impfnebenwirkungen, auch mediale Reportagen häufen sich. Wann muss eine Impfpflicht rechtlich überprüft werden?

Gnisa: Das ist keine neue Situation. Wir haben früher ein Bundesseuchengesetz gehabt, wo diese Problematik schon aufgegriffen wurde. Wir haben Impfzwänge nicht das erste Mal in Deutschland und dann hat man sich natürlich auch mit Nebenfolgen beschäftigt, mit Schadensersatzansprüchen und so weiter. Bei der Bundeswehr ist die Situation noch mal eine andere, weil es hier ein Sonderrechtsverhältnis zwischen den Soldaten und den Vorgesetzten beziehungsweise der Bundesrepublik Deutschland gibt.

Natürlich ist die körperliche Integrität bei der Bundeswehr anders zu bewerten als bei Ottonormalverbrauchern. Das sieht man ja schon alleine daran: Wenn jetzt Krieg kommt, kann ich eben einem Soldaten den Befehl geben und sagen, Du setzt dich in den Panzer und fährst jetzt den Feinden entgegen. Körperliche Unversehrtheit und Leben sind da gefährdet und daran sieht man, das ist ein Sonderrechtsverhältnis.

Und in diesem Rechtsverhältnis verlangt man den Soldaten mehr ab als den normalen Bürgern. Insofern kann ich im Ansatz verstehen, dass man sagt: Ja, es bestehen Gefahren mit Corona, auch für den Bestand der Bundeswehr, für die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr. Vor diesem Hintergrund muss man das dann anders beleuchten.

Schleiter: Aus unserer Sicht [Anm. d. Red.: aus Sicht des Netzwerkes KRiStA] sind diese beiden Impfpflichten evident verfassungswidrig. Man kann den Eindruck gewinnen, dass das Bundesverfassungsgericht so entschieden hat, weil es so entscheiden wollte, nicht aber, weil die Tatsachenlage oder die Rechtslage dies hergegeben hätten.

Bereits nach der eigenen Rechtsprechung zum Luftsicherheitsgesetz darf der Staat niemanden vorsätzlich töten, um andere zu schützen. Eine Abwägung Leben gegen Leben findet nicht statt. Der Beantwortung dieser Frage im Kontext der Impfpflicht hat sich das Bundesverfassungsgericht aber entzogen.

Auch hat es im Übrigen keine konkrete Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen, sondern ungenügend die beeinträchtigten Rechtsgüter weitgehend nur abstrakt gewichtet. Bei Würdigung der heutigen Faktenlage müssten Gerichte angesichts unter anderem des bisher ungekannten Ausmaßes an Nebenwirkungen und des Umstandes, dass praktisch kaum Fremdschutz besteht, erst recht die Verfassungswidrigkeit dieser Pflichten annehmen.

 

 

Das Interview mit Herrn Gnisa wurde per Video geführt und kann hier angesehen werden:

 



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