Kommunalwahlen in NRW: Pyrrhussieg für Laschet – Ende des Höhenflugs der Grünen?
Der Kommunalwahl-Abend am gestrigen Sonntag (13.9.) in NRW war der Abend der relativen Sieger. Gewonnen haben – bis auf die Linkspartei – alle, es kommt lediglich darauf an, zu welcher vorangegangenen Wahl der vergangenen Jahre man das jeweilige Ergebnis der Parteien in Relation setzt.
Grüne und AfD konnten gegenüber den Kommunalwahlen 2014 landesweit substanzielle Zugewinne erzielen. Ministerpräsident Armin Laschet sieht sich als Sieger, weil die CDU mit deutlichem Abstand landesweit stärkste Partei geblieben ist.
Die SPD blieb immerhin deutlich über dem desaströsen Landesergebnis bei der EU-Wahl – ein Scholz-Effekt ließ sich jedoch nicht erkennen.
CDU könnte OB-Posten in Bonn an Grüne verlieren
Im Vergleich zu den Ergebnissen von 2014 hat die CDU auf der Basis des vorläufigen Endergebnisses mit 34,3 Prozent landesweit 3,2 Prozent eingebüßt. Dieser Trend zog sich auch durch die Einzelergebnisse in den einzelnen Kommunen hindurch und zeigte sich auch bei mehreren OB-, Bürgermeister und Landratswahlen.
Dass Theo Melcher mit nur noch 65,8 statt mit 68,7 Prozent zum Landrat von Olpe gewählt wurde und Sven-Georg Adenauer in Gütersloh mit nur noch 54,4 statt zuvor 61,7 Prozent, fällt dabei weniger ins Gewicht als etwa der Umstand, dass Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker trotz einer gemeinsamen Unterstützung durch CDU, FDP und Grüne nur auf 45,5 Prozent kam und überraschend in die Stichwahl muss. Umfragen hatten Reker eine deutliche absolute Mehrheit schon im ersten Wahlgang vorhergesagt.
Andererseits haben die CDU-Landräte etwa in Borken, in Düren oder im Oberbergischen Kreis ihre Ergebnisse ausbauen können und im Corona-geschüttelten Landkreis Heinsberg kam Landrat Stephan Pusch auf 79,9 Prozent – ein Plus von 20 Punkten gegenüber vor sechs Jahren.
In Münster hingegen muss der amtierende CDU-OB Markus Lewe in eine Stichwahl gegen den Grünen Peter Todeskino. Allerdings startet Lewe von 44,6 Prozent aus und mit einem Vorsprung von 16 Prozentpunkten. In Bonn wird es für den Unions-Amtsinhaber Ashok-Alexander Sridharan deutlich enger: Sein Vorsprung auf die grüne Gegenkandidatin Katja Dörner beträgt sogar nur knapp sieben Prozent – Sridharan kam nur auf 34,5.
Islamisten verdoppeln Mandatszahl – NPD und REP verlieren verbliebene Sitze
In den Räten der kreisfreien Städte kam die Union insgesamt auf 432 Sitze, im Jahr 2014 waren es noch 498. Die SPD hatte dort mit 450 Mandaten die Nase vorn, allerdings sind das um 89 weniger als noch vor sechs Jahren.
Die Grünen verbesserten in den kreisfreien Städten ihre Bilanz von 197 auf 333, die FDP von 67 auf 80, die Linke baute von 92 auf 76 ab, die AfD, die diesmal in deutlich mehr Gemeinden antrat, konnte ihre Mandatszahl in den betreffenden Kommunen von 42 auf 94 ausbauen. Mit ihren 34,3 Prozent konnte die CDU allerdings ihr Landtagsergebnis von 2017 (33 Prozent) leicht und das EU-Wahlergebnis vom Vorjahr (27,9 Prozent) deutlich übertreffen.
Unter den Kleinstgruppierungen konnte „Die PARTEI“ im Wesentlichen die Piratenpartei beerben. Während die „Satire“-Gruppierung statt drei künftig 28 Sitze in den kreisfreien Städten innehaben wird, stürzten die Piraten von 30 auf drei ab. Die „europäische Souveränitätspartei“ Volt kam beim ersten Antreten auf 13 Sitze. Republikaner und NPD verloren alle Mandate auf dieser Ebene, „Die Rechte“ konnte in Dortmund ihr Mandat halten.
Die islamistische BIG verdoppelte ihre bisherige Mandatszahl auf zwei. Die DKP konnte ihre wenigen Mandate in den kreisfreien Städten halten, die ÖDP verlor einen von vier Sitzen, demgegenüber kamen zwei Tierschutzparteien auf insgesamt sechs Mandate. Wählergruppen spielten diesmal auf dieser Ebene gar keine Rolle. Die Anti-Corona-Partei „Widerstand 2020“ kam in Düsseldorf nur auf 76 Stimmen (0,0 Prozent).
SPD-Trostpflaster: Bottrop, Herne und Bochum
Was die Anzahl der Sitze in den Kreistagen anbelangt, kommt die CDU auf 781 Sitze (2014: 811), die SPD auf 462 (2014: 570), die Grünen auf 372 (199), die FDP auf 118 (92), die Linke auf 61 (72) und die AfD auf 91 (47). Alle übrigen Parteien und Wählergemeinschaften kamen dort insgesamt auf 20 Mandate.
Für die SPD bleibt neben dem Umstand, dass man landesweit immerhin deutlich mehr Stimmen als im Vorjahr zur EU-Wahl (19,2 Prozent) erhielt, die behauptete Vormachtstellung in einigen verbliebenen Hochburgen als Trostpflaster.
In Bottrop (73,1 Prozent) Herne (63,4) Bochum (61,8) wurde der jeweilige SPD-Kandidat im ersten Wahlgang zum OB gewählt, in Städten wie Bielefeld, Gelsenkirchen oder Dortmund geht der sozialdemokratische Kandidat mit deutlichem Vorsprung in die Stichwahl. In den Kreisen Recklinghausen, Lippe und Unna ist die Wahrscheinlichkeit eines SPD-Erfolgs im zweiten Wahlgang ebenfalls hoch.
Grüne gewannen, was SPD und Linke verloren
Dennoch bleibt das Ergebnis der Kommunalwahlen in ihrem langjährigen Stammland katastrophal und ein schlechtes Omen für die Bundestagswahlen. Dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz bereits im August als Spitzenkandidat für das kommende Jahr bestimmt wurde, sollte zum einen für Klarheit innerhalb der Partei selbst sorgen und zum anderen an die Öffentlichkeit das Signal aussenden, dass die SPD mit einem als moderat geltenden Kanzlerkandidaten der Mitte ein Angebot macht.
Dass diese sich jedoch nach links radikalisiert hat, zeigt das Ergebnis der Grünen. Diese konnten gegenüber 2014 um 8,3 Prozent zulegen und kommen auf 20 Prozent. Damit gewannen sie etwas mehr dazu als SPD (minus 7,1) und Linke (minus 0,8) zusammen einbüßten. Verkehr und „Klimaschutz“ waren die Hauptthemen, die vor allem Jung- und Erstwähler von 16 bis 24 Jahren für die Ökosozialisten mobilisierten. In dieser Gruppe lagen sie mit 33 Prozent an erster Stelle unter allen Parteien. Noch radikalere Wahlvorschläge wie die „Klimaliste Düsseldorf“, die auf 0,9 Prozent kam, konnten ihnen nicht gefährlich werden.
Niedrigeres Wahlalter bei Kommunalwahlen half Grünen
Andererseits blieben die Grünen signifikant unter den 23,2 Prozent, die sie bei den EU-Wahlen des Vorjahres erzielt hatten. Dies deutet darauf hin, dass der Höhenflug des Jahres 2019 vorbei ist.
Zwar profitierte die Partei vom medialen Rückenwind, dem Konformitätsdruck an den Schulen und der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre – die Corona-Krise hat dennoch eine gewisse Ernüchterung hervorgerufen. Die Zeiten, in denen das westdeutsche Bildungsbürgertum Jugendliche zu tausenden auf die Straße gebracht hat, um für weitreichende staatliche Klima-Maßnahmen zu demonstrieren, sind seit dem Corona-Lockdown bis auf Weiteres vorbei.
Die AfD ist mit fünf Prozent landesweit zwar deutlich unter den Ergebnissen der überregionalen Wahlen der vergangenen Jahre geblieben, allerdings in Anbetracht der Flügelkämpfe, die den Landesverband lahmgelegt hatten, mit einem blauen Auge davongekommen. Dass die Partei ihr Ergebnis von 2,5 Prozent aus dem Jahr 2014 verdoppeln konnte, hatte auch damit zu tun, dass es in mehr Gemeinden Wahlvorschläge der AfD gab.
AfD-Absturz in Münster, Heinsberg und im Rheinisch-Bergischen Kreis
Ihr bestes Ergebnis erzielte die AfD mit 12,9 Prozent in der langjährigen Republikaner-Hochburg Gelsenkirchen, auch die 9,3 Prozent in Duisburg, die 7,6 Prozent in Oberhausen und die Verdoppelung des Ergebnisses in Essen von 3,8 auf 7,5 Prozent stellen erkennbare Erfolge für die Partei dar. In den meisten Kommunen, in denen die Partei erneut angetreten war, konnte sie ihr Ergebnis auch ausbauen, oft jedoch auf niedrigem Niveau wie in Aachen, wo man sich von 2,5 auf 3,7 Prozent verbesserte.
Bei einigen Großstädten und Landkreisen blieben die Resultate hingegen mager: Köln 4,4 Prozent, Düsseldorf 3,6, Bonn 3,2. In Heinsberg rutschte die AfD von 3,3 auf 2,7 Prozent ab, im Rheinisch-Bergischen Kreis von 4,5 auf 2,9. Auch in Münster fiel die AfD von ohnehin durchwachsenen 2,6 Prozent noch weiter ab und kam nur noch auf 2,2.
Nur 1,0 Prozent erzielte die AfD in Remscheid – dort wurden einige Kandidaten aus formalen Gründen nicht zugelassen und die rechte Liste „Pro Remscheid“ kam als Konkurrenz auf fünf Prozent. In Coesfeld, wo der innerparteiliche Streit dazu geführt hatte, dass der eigene Bezirksverband Einspruch bei der Wahlbehörde wegen der Kommunalwahlliste einlegte, kam die Partei nicht über 0,6 Prozent hinaus.
Laschet wird schwarz-grünes Bündnis im Bund anstreben
Obwohl die CDU gegenüber den Kommunalwahlen von 2014 an Terrain verloren hat, ist davon auszugehen, dass Armin Laschet sich in seinem Entschluss bestätigt fühlt, die Nachfolge Annegret Kramp-Karrenbauers an der Bundesparteispitze und die Kanzlerkandidatur anzustreben. Die Zugewinne der Grünen dürfte er dabei als Anlass betrachten, um ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene anzustreben.
Die SPD muss mit Blick auf die Ausgangssituation im nächsten Jahr schon eher auf ein Wunder hoffen. Olaf Scholz droht jetzt schon ein Schicksal, wie es 2017 den mit hohen Vorschusslorbeeren ins Rennen gegangenen Martin Schulz ereilt hatte.
Für die FDP könnte es sich als folgenschwere Fehlentscheidung erweisen, Generalsekretärin Linda Teuteberg in der augenscheinlichen Hoffnung, sich Ampel-reif zu machen, durch Volker Wissing ersetzt zu haben. Die Liberalen könnten in den verbleibenden Monaten bis zur Bundestagswahl noch von erheblichen innerparteilichen Streitigkeiten um den inhaltlichen und strategischen Kurs heimgesucht werden.
Niedersachsen und NRW könnten Eskalation in der AfD bewirken
Auf Eskalation der innerparteilichen Flügelkämpfe stehen die Zeichen auch in der AfD. Die Wahl von MdB Jens Kestner, der dem nationalkonservativen Spektrum um Björn Höcke nahesteht, zum Landesvorsitzenden in Niedersachsen in einer Kampfabstimmung gegen die dem bürgerlichen Lager zuzuordnende Fraktionschefin Dana Guth war eine unverhohlene Kampfansage an den Bundessprecher Jörg Meuthen.
Dass am gestrigen Kommunalwahl-Sonntag zwar keine überragenden AfD-Resultate in den Hochburgen des rechtsnationalen Flügels, hingegen aber zum Teil desaströse Ergebnisse in jenen des bürgerlichen Spektrums, etwa in Münster, zu verzeichnen waren, wird für weiteren Zündstoff sorgen. Dass sich die Partei bis zu den Wahlen im kommenden Jahr endgültig gespalten haben könnte, wird nach den Entwicklungen des vergangenen Wochenendes noch wahrscheinlicher.
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